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Den Wölfen im Oltrepo Pavese
(nördlicher Apennin) auf der Spur


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Gehen die Wölfe tatsächlich durch unser Dorf?
Von Sabine Middelhaufe

16. Januar 2022, 4.30 Uhr: zwei graue Wölfe spazieren von der Dorfmitte kommend die Straße entlang Richtung Dorfausgang.
17. Februar 2022, 21.30: zwei graue Wölfe passieren mein Haus und wenden sich auf der Straße Richtung Dorfmitte.
Da es auch im Laufe des März noch direkte Augenzeugen für wölfische Präsenz gab, war es Zeit, herauszufinden, wie oft die Wölfe uns tatsächlich besuchten und an den diversen Fotofallen vorbei kamen.
Wölfe kontrollieren jeden Teil ihres Territoriums in einem 2 bis 3-Wochen Rhythmus, weshalb die Fotofallen in der Regel mindestens für drei Wochen an der selben Position blieben.

Satellitenbild mit den Kamerapositionen 1 - 23 (grün) sowie der Anzahl der Sichtungen und gesichteten Individuen 2022.

Eine weitere Frage lautete, ob es jahreszeitlich bedingte Unterschiede in der Frequenz der Nutzung bestimmter Wege gibt.

Für die Falle in Position 1 erwies sich beispielsweise, dass im Winter (Januar-März) 13 mal Wölfe vorbei kamen und dabei insgesamt 23 Individuen gezählt wurden.
Im Frühling (April-Juni) halbierten sich die Sichtungen fast, nämlich auf nur 7 mit insgesamt 15 Individuen.
Der Sommer (Juli-September) brachte wieder eine leichte Zunahme: 10 Sichtungen mit 19 Individuen.
Im Herbst (Oktober-Dezember) war in Position 1 keine Fotofalle vorhanden.
Die Kamera überwachte diese Position für insgesamt 23 Wochen, was rein rechnerisch bedeutet, dass es wöchentlich 1,3 Sichtungen gab bzw. 2,6 Sichtungen pro 2 Wochen.
    In Position 2 hing die Fotofalle nur im Winter für 3 Wochen und brachte 0 Sichtungen.
Die Sichtungen an den übrigen Positionen (s. Tabelle unten) sind entsprechend zu verstehen.

Fotofallen
Position

Jan - März

April - Juni

Juli – Sept.

Okt. - Dez.

Beobachtungswochen insges./
Wolfssichtungen pro 2 Wochen

1

13/23

7/15

10/19

-

23/2,6

2

0

-

-

-

3/0

3

17/48

5/10

14/25

10/17

43/2,5

4

4/11

-

-

-

3,5/1,7

5

3/5

1/4

3/4

-

12/1,2

6

0

0

-

-

5,5/0

7

1/2

0

-

-

4/0,5

8

-

13/18

-

-

3,5/6,7

9

-

0

-

-

2/0

10

-

10/30

19/53

8/16

30/2,8

11

-

5/11

-

-

5/2

12

-

17/28

30/57

9/15

32/3,6

13

-

2/2

-

-

1/?

14

-

7/9

6/7

10/16

28/1,4

15

-

0

-

-

3/0

16

-

-

0

-

3/0

17

-

-

12/21

7/9

10/3,6

18

-

-

8/12

10/15

11/3,5

19

-

-

-

0

2/0

20

-

-

-

0

3,5/0

21

-

-

-

3/4

6/1,3

22

-

-

-

0

2,5/0

23

-

-

-

1/1

4/0,5


Auffallend war, dass nur an zwei Positionen fast die dreifache Anzahl Individuen im Verhältnis zur Anzahl der Sichtungen festgestellt wurde. Das heißt an diesen Punkten, die in der Tat wichtige Markierplätze auf den Hauptrouten sind, tauchten Greyston und Luna oft mit einem oder zweien ihrer Welpen auf, während andere Kameras vorwiegend Einzeltiere und gelegentlich das Elternpaar allein filmten.


Greyston (ganz lks.) uriniert am Markierplatz vor Kameraposition 3. Rechts Luna, im Hintergrund Jungrüde Alex.


Die Positionen 3 und 10 (s. Satellitenbild weiter unten), in Luftlinie rund 4,5 Kilometer voneinander entfernt, liegen einander gegenüber und etwas unterhalb der jeweiligen Bergspitze; die anderen Fallen befinden sich längs der Routen, die die Wölfe dort hinauf führen.
Als die Uni Pavia 2020, nach meiner Entdeckung der Wurfhöhle in relativer Nähe des Dorfs und der direkten Begegnung mit Welpen des selben Jahres, endlich begann, ein paar Fotofallen zu installieren, war meine Bitte, zur Feststellung der Grenzen des Territoriums das „unser“ Rudel bewohnt, auf den drei umliegenden Bergen ebenfalls Kameras anzubringen. Leider war (und ist) die Uni an solchen Fragestellungen nicht interessiert, aber Anfang 2022 "spendete" jemand zwei weitere Fotofallen.
Die erste kam für den Rest des Jahres fest auf Position 3, den Markierplatz auf dem Monte Poggio, die andere auf Position 10, eine Markierstelle auf dem Monte Penice. In Verbindung mit meinen Kameras an Hauptrouten und Weggabelungen brachte das sehr interessante Ergebnisse.
Die Aufnahmen vom Monte Penice bewiesen sofort, dass es in der Tat Luna & Co. sind, die diesen Berg frequentieren, nicht etwa ein fremdes Rudel, und anfangs schien alles sehr einfach.  
Am 25. April etwa passierten Greyston, Luna und der dunkle Jungrüde Alex um 22.52 Fotofallenposition 1 auf dem Weg Richtung Dorf und langten nach rund zwei Stunden um 00.54 bei der Kamera auf dem Monte Penice an. Die orange gepunktete Route (s. Satellitenbild weiter unten) vom Dorf zum Berg ist natürlich nur eine Hypothese, beruhend auf Fährten im Schnee während der Wintermonate und Losungsfunden auf der Strecke.
     Das nächste Mal machte das Trio die selbe Runde am 3. Mai, nur etwas früher am Abend, brauchte wiederum rund zwei Stunden und passierte die Fotofallenposition 10 auf dem Penice um 23.16 Uhr. 

Da ich nicht glaube, dass Wölfe ihre innere Uhr umstellen, stehen meine Fotofallen das ganze Jahr über auf Winterzeit, während die anderen
Kameras
auf Sommerzeit umstellen; man muss beim unteren Bild also eine Stunde abziehen.

In orange gestrichelt ist die gesicherte Route, gepunktet die wahrscheinliche.
Die gelb gestrichelte Route bricht auf dem Hinweg am Dorfrand ab und taucht aus einer völlig anderen Richtung bei Position 10 wieder auf.
Auf dem Rückweg wird das Rudel erst bei Position 12 wieder gesehen; woher genau es kam ist deshalb ungewiss.
Blaue Striche zeigen die gesicherte Route, blaue Strich-Punkte die wahrscheinliche Route.

In der zweiten Maiwoche warf Luna und bis Mitte des folgenden Monats tauchte nur Alex, stets allein, bei Position 10 auf – ohne an einer der anderen Fotofallen vorbeizukommen.
Lunas lange Abwesenheit auf dem Berg bestätigte allerdings, dass sich die Wurfhöhle ohne Zweifel in einem ganz anderen Gebiet befand, wo die Fähe in dieser Zeit ja auch oft gefilmt wurde.
Erst am 16. Juni um 3.33 Uhr zeigte sich Luna, gemeinsam mit Greyston und Alex, wieder auf dem Berg und keine der anderen Kameras erfasste die drei auf dem Weg dorthin. Wie der häufig gesichtete Jungwolf benutzte also auch das Rudel bisweilen eine uns bisher völlig unbekannte Route.
    Der 19. Juni sah Eltern und zwei Jungwölfe um 20.51 bei Position 12, allerdings in Richtung Wald gehend, was umso verwirrender war, als das übliche Trio, also minus der jungen Fähe, um 23.09 auf dem Monte Penice anlangte; nach den üblichen etwa zwei Stunden. Vermutlich die reguläre Kontrollrunde. Vielleicht wandten sie sich hinter der Fotofalle 12 ja wieder in die andere Richtung und nur Alice ging weiter in den Wald um Bodie zu beaufsichtigen?
    Die Wölfe stiegen vom Dorf aus keineswegs immer direkt auf den Berg. Am 17. Juli zum Beispiel kamen Greyston, Luna und Alex gegen 3.00 nachts aus dem Wald, erreichten um 3.09 den Dorfrand und wurden erst nachts kurz vor 23 Uhr von Kamera 10 gefilmt. Dass sie zwanzig Stunden lang durch die Landschaft wanderten ist eher unwahrscheinlich. Realistischer ist da die Annahme, dass sie auf dem Weg erfolgreich jagten und nach dem großen Fressen irgendwo ihr Verdauungsschläfchen hielten. Zurückgebliebene Beutereste, die im Laufe des Tages noch verspeist wurden, könnten auch erklären, wieso das Trio erst am nächsten Abend um 22.45 auf dem Rückweg in den Wald die Position 12 passierte. Dieses Szenario setzt allerdings wieder voraus, dass die junge Fähe als Babysitter und Versorger bei dem nun etwa neun Wochen alten Bodie im Wald blieb.
    Am 24. August erbeutete das Rudel auf dem Monte Poggio nachts einen Damhirsch; große Batzen davon wurden bis zum späten Abend des 26. an der Fallenposition 3 vorbei geschleppt. Und doch waren die Wölfe in den frühen Morgenstunden des 26. zu Viert auf dem Monte Penice erschienen.
     Die genaue Route zwischen den beiden Bergen ist teilweise noch unklar, da dort montierte Fotofallen stets binnen kürzester Zeit gestohlen werden. Aus Fährten im Schnee, Losungsfunden und Augenzeugenberichten kann man aber wesentliche Abschnitte ableiten.
Von Fallenposition 18 unten im Wald via dem Poggio zum Penice zu gehen scheint etwas länger zu dauern als die Route via unserem Dorf.
Am 14. Oktober beispielsweise kamen Greyston, Luna und Bodie um 20.03 an der Falle vorbei, erreichten um 20.10 den Poggio und von dort um 22.44 den Penice.

Luna und Bodie.

Woher die Wölfe spazieren, wenn sie die Feld- und Waldwege verlassen ist mit Fotofallen natürlich schwer festzustellen, denn deren Linsen zeigen nun mal in eine bestimmte Richtung und geht der Wolf hinter den Bäumen vorbei, an denen sie hängen – sieht man ihn eben nicht.
Von Wolfsfährten im Schnee ermutigt, kam im Januar für drei Wochen eine Fotofalle auf Position 2, in eine Heuwiese, die andere für jeweils drei Wochen im März und April auf Position 6, hinter den letzten Häusern des Dorfes, wo ich selbst nachts Wölfen begegnet war und schließlich eine weitere für drei Wochen im Juni auf Position 15, am Dorfrand. In allen drei Fällen lief im jeweiligen Zeitraum aber nie ein Wolf an der Kamera vorbei.
Immerhin bewiesen die Positionen 13, 14 und 21, die direkt auf dem (einzigen) Feldweg zum Dorf  hingen, dass meine Nachbarn und ich nicht unter Halluzinationen leiden; die Wölfe durchqueren unser Dorf wirklich. Sie wurden im Laufe von 29 Wochen 18 mal dabei gefilmt. Bei fünf weiteren Gelegenheiten sah man sie zwar auf der Dorfstraße, nicht aber bei den Fotofallen.

Oben und unten: In dieser Nacht war Luna offensichtlich so müde, dass sie Greyston allein
ins Dorf vorausgehen ließ. Allerdings kam er nach gut 5 Minuten zurück und „holte sie ab“.

Oben: wieder kommen die Wölfe aus dem Dorf.
Unten: Alex auf Solo-Tour.


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Text und Fotos (c) Sabine Middelhaufe, 2023

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