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Wolfsrisse erkennen Ob ein Wildtier von Wölfen gerissen, von ihnen lediglich tot aufgefunden und gefressen wurde, oder ob der Wolf mit einem teilweise verzehrten Wildtier rein gar nichts zu tun hat, ist für uns Laien nur unter bestimmten Voraussetzungen erkennbar. |
Vom erbeuteten Reh ist nur noch der vordere Teil vorhanden, der Brustraum geleert, der Kehlbereich von allem Haar befreit, der Kopf bis auf die Knochen von Fleisch und Haut sauber abgefressen, ein abgerissenes Ohr liegt nahebei. |
Die zum Teil blutige Schleifspur vom Straßenrand in die Wiese war deutlich zu erkennen, anfangs begleitet von ausgerissenen Rehhaaren, im weiteren Verlauf dann auch von kleinen Knochenstücken. Etwa 10 Meter vom Fundort des Kadavers entfernt lagen Magen und Därme des Beutetiers, denn entgegen anderslautenden Gerüchten fressen Wölfe diese nicht. |
Die teils blutige Schleifspur vom Straßenrand in die Wiese, anfangs begleitet von ausgerissenen Rehhaaren, dann auch von kleinen Knochenstücken. Etwa 10 Meter vom Fundort des Kadavers entfernt liegen Magen und Därme des Rehs. |
Wo sie erfahrungsgemäß nicht nennenswert gestört werden, jagen Wölfe ohne weiteres auch tagsüber. In unserem abgelegenen kleinen Bergdorf auf 868 Meter Höhe jagten und erlegten zwei Wölfe Anfang April am hellichten Tag am Dorfrand eine Ricke; abends waren nur noch das Rückgrat mit Kopf und Hinterläufen sowie Magen und Darm der Beute übrig. Sofern man über eine passable akustische Orientierung im Raum verfügt, kann man nächtlichen Jagdgeräuschen dann beim ersten Tageslicht auf den Grund gehen. Wobei „Jagdgeräusche“ hier die zum Teil minutenlang anhaltenden Todesschreie größerer Beutetiere wie Rehe sind. |
Rekonstruktion des Rissvorgangs. |
Das Reh ist, einem Wildwechsel folgend, von der Heuwiese zur unterhalb liegenden Straße geflohen und wird spätestens dort angegriffen, denn am jenseitigen Straßenrand finden sich die ersten Blutflecken (in der Straßenmitte übrigens frische Wolfslosung). Aufgeworfenes Laub und Erde auf halbem Wege die Böschung hinunter legen nahe, dass das Reh von seinen Angreifern hier massiv bedrängt oder bereits von ihnen den Hang herunter gezerrt wird.
Wenn man zuvor weder etwas sieht noch hört, sondern ganz unerwartet auf einen Tatort stolpert, wird die Geschichte natürlich schwieriger. Alles hängt davon ab, was man überhaupt noch vorfindet. Ist das tote Tier noch weitgehend vorhanden, sagen Verletzungen und/oder Fraßspuren schon eine Menge aus. |
Dieser Bock (unten), der gerade dabei war, sein Winterfell gegen das rote Sommerkleid zu wechseln, zeigt bis auf ein paar oberflächliche Schnitt- oder Risswunden auf der linken Körperseite überhaupt keine äußeren Verletzungen; er wurde nicht erschossen, erstochen, von einer Fangschlinge erwürgt und erst recht nicht von einem Wolf gerissen. Der Boden um den Fundort ist vollkommen ungestört, was es einigermaßen sicher erscheinen lässt, dass bei seinem Tod niemand präsent war. Todesursache: unbekannt. |
Übrigens, ob Kadaverreste oder ganze Körper, man sollte sie, wenn überhaupt, nur mit Einweghandschuhen berühren und ruhig eine Gesichtsmaske tragen; wer sich auch mit Wolfslosung beschäftigt, hat so etwas ohnehin immer im Rucksack dabei. |
Damit ein Riss offiziell dem Wolf zugeordnet werden kann, muss seine erfolgreiche Jagd entweder durch eindeutige Video- oder Bilddokumentation belegt oder durch einen DNA Test nachgewiesen werden. Letzteres wird bei uns dadurch erschwert, dass es schlicht nicht genügend autorisiertes Personal gibt, dieses überdies in der Provinzhauptstadt Pavia stationiert ist, was ein promptes Erscheinen am Tatort irgendwo im Apennin praktisch unmöglich macht, Gentests relativ teuer sind und der Universität Pavia deshalb pro Jahr nur eine geringe Anzahl von Proben finanziert wird und schließlich seitens der Bevölkerung kein Interesse besteht, Rissfunde zu melden, es sei denn, es handelt sich um Haustiere oder Weidevieh und der Besitzer hofft auf Schadensersatz. Weiter zu: Wolfshöhlen und Rendezvous Zonen Text und Fotos (c) Sabine Middelhaufe, August 2020 |
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