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Wölfe

Den Wölfen im Oltrepo Pavese
(nördlicher Apennin) auf der Spur


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Entwicklung des Rudels 2021: Winter - Frühjahr
Von Sabine Middelhaufe

Der Winter 2020/21 begann bei uns in den Bergen Anfang Dezember mit massiven Schneestürmen. Die Höhe der Schneedecke variierte in den folgenden Wochen zwar, aber scheinbar war den Wölfen das nötige Hüpfen durch die weiße Pracht zu unbequem, jedenfalls fand ich ihre gelegentlichen Fährten fast nur am Rand der geräumten Straße, die durchs Dorf hinauf zum Pass führt.
    Anfang Januar installierte ich am Ortsrand eine Fotofalle und „ertappte“ das Alphapaar Droopy und Whitesocks dabei, wie es nachts längs der Gemüsegärten wandernd die angrenzenden Wiesen möglicherweise nach Rehwild absuchte. Tatsächlich zeigten die frischen Fährten, dass sich die Wölfe mehrmals einige Meter im Galopp Stellen näherten, an denen Rehwild nach Gras gescharrt hatte. Ob das zeitgleich geschah, ist natürlich nicht sicher, doch die Fluchtspuren der Rehe legen es zumindest nahe.

Der schwarze Rüde Droopy gefolgt von Whitesocks.

Beute machten Droopy und Whitesocks jedoch nicht und bogen schließlich wieder auf die Asphaltstraße ein, wo der getaute Schnee ihre Trittsiegel unkenntlich machte.
Da die beiden Wölfe zwischen Anfang Januar und Mitte Februar dreimal die exakt gleiche Route abliefen, darf man vermuten, dass es keine Zufallsbesuche waren, sondern wie schon im vergangenen Winter die Erkenntnis, dass sich Rehe permanent am Dorfrand und in den brachliegenden Gemüsegärten tummelten.
    Mitte März, als der Schnee weitgehend verschwunden war, schlug ein einzelner Wolf, Grey I getauft, erstmals wieder den üblichen Feldweg ein, der uns 2020 zahlreiche Videos beschert hatte, weshalb ich die Fotofalle später an dieser alten Position anbrachte.

Oben und unten: Mit knapp einer Minute Vorsprung des Rehs machte sich Grey I nicht die Mühe, ihm zu folgen.

Meine zweite Falle überwachte derweil das Gebiet, in dem wir im Vorjahr die beiden Welpen samt ihrer erwachsenen Begleiter angetroffen hatten. Die Hoffnung war, dass die nun vermutlich trächtige Whitesocks diese Gegend zumindest auf ihrem Weg zur künftigen Wurfhöhle passieren würde. Leider sollte sich das nicht bestätigen. Kein Wolf betrat die Rendezvous Zone vom ehemaligen Welpenspielplatz aus, nirgendwo in der weiteren Umgebung tauchten Fährten, Losung, Beutereste auf und geeignete neue Höhlen fand ich auch nicht.
Später, zum Sommerende hin, untersuchten wir das Terrain noch einmal mit Studenten der Uni und wurden wiederum nicht fündig. Wo auch immer die diesjährigen Welpen zur Welt kamen, es war außerhalb der alten Rendezvous Zone.
    Aber zurück ins Frühjahr. Bis zum nächsten Hinweis auf Wolfspräsenz sollte fast ein Monat vergehen. Im April gaben sich Droopy und Whitesocks die Ehre sowie Shorttail, ein recht kurzschwänziger Jungrüde, der Tage zuvor schon in eine ca. 15 km entfernte Fotofalle in einem ganz anderen Tal getappt war. Er ähnelte keinem Individuum vom letzten Jahr und war scheinbar nur auf der Durchreise.

Shorttail.

    Dann kam der Mai, meine dritte Fotofalle wurde installiert und die Aufregung wuchs, schließlich war jetzt der Monat, in dem Whitesocks wölfen würde – sofern sie denn wirklich tragend wäre. Weitgehende Gewissheit darüber lieferte erst diese Aufnahme am 11. Mai.

Whitesocks trächtig und vollgefressen.

An diesem Tag tauchten zwei weitere graue Wölfe auf, Rüde Greyston und Fähe Luna. Oder besser gesagt sie wurden zum ersten Mal identifiziert, denn in der Vorwoche war uns nachts insgesamt vier Mal ein Grauer „in die Falle“ gegangen, den man in den unscharfen Nachtaufnahmen leider nicht genau genug erkennen konnte.

Greyston und im Hintergrund Luna.

Da Luna mit geschwollener Milchleiste fotografiert wurde, hatte sie offensichtlich schon vor dem 11. Mai geworfen und damit früher als Whitesocks.

Greyston und Luna.

Bedeutete das zwei Würfe im selben Territorium? Wir hatten ja schon letztes Jahr den Verdacht, dass der winzige, von Räude befallene Welpe, der am 1. Oktober aufgetaucht war, nicht zu dem im Mai 2020 geborenen Wurf gehören konnte, aber seine Herkunft und sein Schicksal wurden leider nie geklärt.
Ab dem 23. Mai zeigten dann auch Whitesocks Zitzen, dass sie tatsächlich Welpen säugte.

Oben und unten: Whitesocks.

Stellte sich die spannende Frage, ob Greyston oder Luna zum ansässigen Rudel gehörte, im Winter einen Partner gefunden und beschlossen hatte, einfach mit ihm im elterlichen Hoheitsgebiet zu bleiben.
Wer je versucht hat, auf einem pixeligen Schwarzweiß Video Geschlecht und farbliche Besonderheiten eines vorbei eilenden grauen Wolfs zu beschreiben, wird das Problem verstehen. Von den vier Grauen, die 2021 zusammen mit den Schwarzen als Rudel gefilmt wurden, konnte lediglich Whitesocks eindeutig identifiziert werden; zwei andere Individuen passierten die Kameras nur wenige Male bei Tageslicht und bei

Greyston

einem auffallend stattlichen Rüden könnte es sich um Greyston gehandelt haben. Mehr wissen wir nicht.
Normalerweise wandern junge Wölfe ungefähr mit Erlangung der
Geschlechtsreife ab, um zu versuchen, irgendwo in der Fremde ihr eigenes Rudel zu gründen. Bleiben sie stattdessen „zuhause“, nehmen sie nicht an der Reproduktion teil und müssen ihren Eltern bei der Aufzucht der neuen Geschwister zur Hand gehen, d.h. bei der Futterbeschaffung helfen, Babysitter spielen und dergleichen. Zwei Würfe im selben Rudel sind eigentlich nicht vorgesehen und die Alphatiere sorgen in der Regel dafür, dass so etwas nicht passiert. Ein völlig fremdes Paar, das von auswärts ins Territorium eindringt, würde selbstverständlich vertrieben – oder seinerseits das bisherige Alphapaar nebst Anhang vertreiben. Ein solches Szenario konnten die Studenten der Uni Pavia in einem weiteren Rudel beobachten: die Fallen filmten von Januar bis Juni ein Elternpaar mit zwei Nachkommen, doch während des Sommers verschwanden diese vier Tiere vollkommen und statt ihrer nahm ein grauer Rüde mit seiner schwarzen Fähe und den gemeinsamen Welpen (schwarze und graue) das Gebiet in Besitz.
Danach sah es bei uns aber nicht aus, denn beide Paare frequentierten nach wie vor die selben Wege.
Wenn man sich den betagten Droopy einmal anschaut, könnte einem schon der Gedanke kommen, dass sich seine Zeit als Alpharüde dem Ende nähert. Auch Whitesocks ist nicht mehr die Jüngste und darüber hinaus sind beide, ebenso wie letztes Jahr ihre Nachkommen, stets stark von Räude befallen. Das muss bei erwachsenen Tieren nicht zum Tod führen, belastet aber auf Dauer die Gesundheit und kann das Wohlbefinden von Welpen und Jungtieren stark beeinträchtigen.

Droopy und Whitesocks.

Haben wir es hier also mit dem Beginn eines Generationswechsels zu tun? Greyston und Luna ersetzen allmählich Droopy und Whitesocks bei der Erhaltung und Führung des Rudels und werden deshalb von den Alten im Territorium geduldet? Bedenkt man die Welpensterblichkeit, die bei Wölfen im ersten Lebensjahr bis zu 40% betragen kann, wäre das eine sehr gute Lösung.
Doppelreproduktionen finden in Italien übrigens gar nicht selten statt, weshalb Federico Morimando von der Uni Siena vom Geschehen in unserem Rudel keineswegs erstaunt war. Doch auch in Deutschland gibt es sie seit etwa 2012, was dann zu teilweise sehr großen Rudeln führt.

   
Grey I, der im März die Rehe am Dorfrand in die Flucht geschlagen hatte, kreuzte im Mai zweimal wieder auf, dummerweise stets aus einer Richtung, die nur erlaubte, ihn von hinten zu filmen. Allerdings kam beide Male ein Grauer, Grey II, zurück in den Wald und wurde entsprechend von vorne aufgenommen. Die Wahrscheinlichkeit ist recht groß, dass es sich hier um ein und dasselbe Tier handelt, dessen auffällige Merkmale ausschließen, dass es im Vorjahr zum Rudel gehörte. Ein Wanderer, der sein Rudel, irgendwo im Apennin, verlassen hatte und nach einer neuen Heimat suchte?         

Oben Grey I, unten Grey II.

    Auch der Juni brachte neue Gesichter. Nachdem Droopy und Whitesocks morgens minutenlang an einem ihrer hot spots urinierend und scharrend das Territorium markiert hatten, erschien am frühen Abend Mona, eine junge Wölfin, die zwar ihrerseits minutenlang die Duftenmarken studierte, aber sich nicht erkühnte, ebenfalls eine Visitenkarte zu hinterlassen. Stattdessen lief sie ziemlich unentschlossen und verunsichert umher und trollte sich schließlich. Sie wurde nie wieder im Bereich der Fotofallen gesehen.

Mona.

    Ein weiterer Newcomer war Blackgirl (lks.), die Droopys Sohn Blackboy dermaßen ähnelte, dass ich zunächst begeistert annahm, es sei er. Blackboy war ja im Vorjahr ständig im Kielwasser des Alphapaars gefolgt und ich sehr neugierig, wie sich ihre Beziehung wohl weiterentwickeln würde. Erst bei genauerer Betrachtung des Videos wurde mir klar, dass es sich zweifelsfrei um eine Fähe handelte die 2020 noch nicht mit dem Rudel lief. Vielleicht war sie der schwarze Welpe, den wir damals in der Rendezvous Zone beobachtet hatten?

    Und dann war da noch Charlotte (unten), ebenfalls eine junge Fähe.
Wegen der miserablen Qualität der Videos, die die Fotofallen der Uni letztes Jahr geliefert hatten, war es schlicht unmöglich zweifelsfrei zu klären, ob Charlotte 2020 bereits gefilmt wurde.


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Text und Fotos (c) Sabine Middelhaufe, Januar 2022

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