Dänemark
Von Sabine Middelhaufe
1813 wurde in Dänemark der letzte ansässige Wolf getötet.
Fast 200 Jahre später, im Herbst 2012, durchkreuzte wieder ein Wolf das Land; der Rüde hatte sein heimisches Milkeler Rudel in Sachsen verlassen und war in den Norden Jütlands gewandert. Dort war ihm das Glück allerdings nicht lange hold; man fand ihn nach kurzem Aufenthalt verendet auf.
17 Wolfsrüden wurden bis Anfang 2015 in Dänemark registriert, vermutlich Tiere, die zwischen Norddeutschland und seinem Nachbarn hin und her wanderten.
Dann machte sich 25 km südlich von Berlin eine junge Wölfin auf die Suche nach einem eigenen Territorium und Partner und langte nach 500 km langer Wanderung in Dänemark an, wie die DNA Untersuchungen ihrer Kotproben später bestätigten.
Im Mai 2015 meldete die Universität Aarhus schon die gesicherte Präsenz von vier Wölfinnen, und die Sichtung zweier Individuen, die gemeinsam im Westen Jütlands umher wanderten, gab Naturschützern Hoffnung auf baldigen Wolfsnachwuchs.
Der stellte sich jedoch erst im Frühjahr 2017 ein und bestand aus einem stattlichen Wurf mit mindestens acht Welpen in der Nähe des westjütländischen Ulfborg. Drei von ihnen, Rüden, sollten sich im folgenden Jahr als Verantwortliche für mindestens 11 der 17 gesichterten Wolfsangriffe auf Schafe erweisen.
„Der Wolf erbeutet Rehe – wenn irgendwo Rehwild leben kann, können dort auch Wölfe leben. (...) Es gibt keinen Grund, wieso Wölfe in Dänemark nicht gedeihen sollten. Aber man muss fragen, ob die Leute Wölfe akzeptieren werden. Sie müssen ja fressen. Wenn sie feststellen, dass dänische Schafe gar nicht so schlecht schmecken, könnte das ein bisschen problematisch werden. Es wird interessant sein zu sehen, wie weit wir mit großen Beutegreifern zusammenleben könne,“ so Guillaume Chapron, von der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften.
Tatsächlich wurden mit Rückkehr der Wölfe im Laufe der Jahre zahlreiche Schafe gerissen, zum Missfallen ihrer Besitzer, die darauf hinweisen, dass man das weite Deichvorland, wo die Schafe bisher ungeschützt weiden, nicht umzäunen kann.
Aber die dänische Regierung hatte im Einvernehmen mit Bauern, Jägern und Umweltschützern bereits festgelegt, dass Wölfe im Falle von Habituation und wenn sie zu nahe bei Häusern leben oder wiederholt Nutztiere reißen, kontrolliert werden dürfen.
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Foto: Jesper Poulsen. Titelbild: Hahn.
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Im Frühjahr 2018 gelang es der Universität Aarhus anhand von DNA Tests die Präsenz von neun Wölfen in Dänemark zu belegen; darunter einige Ulfborg-Welpen.
Einer von ihnen wurde in Ulfborg erschossen, (der Schütze erhielt dafür eine 40-tägige Gefängnisstrafe auf Bewährung); zwei wanderten nach Schleswig-Holstein aus und der Vierte wurde in der Nähe von Hamburg totgefahren. Damit bestand die offiziell erfasste Population in Dänemark im Herbst 2018 aus gerade einmal fünf Wölfen.
„Beobachtungen und DNA-Nachweise aus Nordjylland (Nordjütland) zeigen, dass sich auch dort ein Wolf aufhält. Die Forscher betonen aber, dass es sich neben den fünf genannten und bekannten Wölfen auch um Wölfe handeln kann, die noch nicht erfasst wurden – zum Beispiel zwei Wolfswelpen aus dem Jahr 2017, die noch nicht bestimmt wurden,“ schrieb dazu SH-UgeAvisen.
Laut Kieler Nachrichten vom April 2019 steht bei den Wölfen in Dänemark aber wieder Nachwuchs an. Ob das die Nutztierhalter erfreut, darf man bezweifeln, denn:
„Den Experten zufolge handelt es sich bei dem Weibchen um das Schwestertier des sogenannten Problemwolfs mit der Kennung 924m. Die Fähe (930f) sorgte 2018 mehrfach bei Tierhaltern in Dithmarschen für Aufsehen. Anhand von DNA-Spuren war das Tier für eine Reihe von Schafsrissen zu identifizieren gewesen. Bei dem männlichen Tier handelt es sich laut Universität Aarhus um den Rüden 1101m. Der Wolf war für eine Vielzahl von Rissen im November 2018 verantwortlich. Vor allem im Kreis Rendsburg-Eckernförde war das Tier auf Beutejagd gegangen.(...) Dass sich beide Tiere zur Fortpflanzung gen Norden zurückziehen, ist einer Sprecherin des Umweltministeriums nach nicht ungewöhnlich. Beide Tiere würden ursprünglich aus Dänemark stammen. (...) Für Dänemark wäre es das zweite Rudel, das in unserem Nachbarland zu Hause ist. Unterdessen geht die Hatz nach Problemwolf 924m weiter: Binnen neun Wochen ist es Jägern nicht gelungen, das Tier zu erlegen. Die Abschusserlaubnis gilt unbegrenzt in Schleswig-Holstein.“
Ende Januar 2019 hatte das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume das Tier, das für acht Risse hinter sogenannten wolfssicheren Zäunen in Schleswig-Holstein verantwortlich ist, zum Abschuss freigegeben.
Und prompt, ist man versucht zu sagen, ereignete sich Anfang April in Holstebro, rund 20 km vom Geburtsort des damaligen Ulfborg-Wurfes „der bislang grösste Angriff auf Schafe“, mit 16 toten und 9 so schwer verletzten Tieren, dass sie eingeschläfert werden mussten. Erst am Tag zuvor hatten die beiden Schäfer ihre 75 Schafe erstmals wieder auf die Koppel gebracht – 24 Stunden später war ein Drittel von ihnen tot. Was die Geschichte noch schlimmer macht: schon im Februar waren 21 Tiere der Schäfer getötet worden, wie Nordschleswiger.dk berichtete.
„Das Problem mit dem Wolf ist, dass er nicht nur ein, zwei Tiere reißt und sie dann frisst, sondern in einen Blutrausch gerät. Deshalb nenne ich den Wolf auch einen Lustmörder. Das ist es, was ihn so unbeliebt macht. Daher bin ich generell auch gegen eine Ausbreitung des Wolfes in Dänemark,“ sagte Jens R. Nielsen, Vorsitzender von Sønderjysk Fåreavl, der Zeitung. „Sichere Wolfszäune aufzubauen, wäre hier kaum möglich, das wäre finanziell kaum zu machen.“
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Jäger mit ihrem dänischen Vorstehhund. Foto: Jesper Poulsen
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In Dänemark könnte sich der Widerstand also mehren. Und nicht nur wegen gerissener Nutztiere. Der Wolfsexperte Peter Sunde von der Universität Aarhus hält die Wahrscheinlichkeit von Wolfsangriffen auf Menschen zwar für gering, gibt aber dennoch zu bedenken, dass kleine Kinder und Jogger mit Kopfhörern besonders gefährdet seien, denn „Bei beiden Risikogruppen sei es möglich, dass sie eine potenzielle Gefahr durch sich nähernde Wölfe nicht rechtzeitig erkennen. Zudem müsse bei kleinen Kindern damit gerechnet werden, dass sie keine Kenntnis von den richtigen Verhaltensweisen zum Umgang mit dem Beutegreifer haben. Dadurch könne es zu potenziell gefährlichen Situationen kommen,“ wie man bei topagrar.com lesen konnte. „Aus diesem Grund sei anzuraten, kleine Kinder solange nicht allein in den Wald gehen zu lassen, bis sie in dieser Hinsicht ausreichend geschult seien.“
Für den recht radikalen Verein „Wolffreies Dänemark“, der sich nur einen Tag nach der Erschiessung des Wolfs in Ulfborg, 2018, gründete, könnte das weiteren Zulauf an Mitgliedern bedeuten.
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Foto: Jesper Poulsen |
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