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Wissenswertes


Wölfe


Über die Situation in Deutschland & Italien:

Wie viele Wölfe haben wir und wo kommen sie her
Wie stellt man die Präsenz von Wölfen fest
Wolf oder Mischling?
Wolf versus Haushund
Wolf und Weidetiere
Wolf und Wild
Wolf und Mensch
Der Wolf macht Politik  
Der Wolf ist business

 

> Wölfe in anderen europäischen Ländern

> Den Wölfen im nördlichen Apennin auf der Spur


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Wölfe - über die Situation in Deutschland und Italien
Von Sabine Middelhaufe

Gleich vorweg: das Thema Wolf, erst recht aus der Perspektive zweier so unterschiedlicher Länder wie Italien und Deutschland betrachtet, ist selbstverständlich viel zu komplex, um es in einer einzigen Artikelserie abhandeln zu können. Die folgenden Beiträge greifen deshalb bewusst nur einige Aspekte auf, die aber regelmäßig ergänzt werden. Neue Textteile sind zur besseren Erkennbarkeit farblich hervorgehoben.

Wie viele Wölfe haben wir und wo kommen sie her? (Zuletzt ergänzt am 8. Juni 2019)
    
    Nach Isegrims 150 Jahre langer Abwesenheit wurde 2000 in Sachsen der erste freilebende Wolfsnachwuchs bestätigt. Fast zwei Jahrzehnte später gibt es kaum noch ein Bundesland, in dem nicht, zumindest gelegentlich, ein Wolf gesichtet würde, und sei er nur auf der Durchreise.
    Der NABU (Naturschutz Bund Deutschland e.V.) bietet Details über die Wölfe in 12 der 16 Bundesländer, wobei zu bedenken ist, dass zu den vier noch wolfsfreien Gegenden die Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin gehören.
    Mit Angaben zur Gesamtzahl der Wölfe in Deutschland hält sich das BfN (Bundesamt für Naturschutz) allerdings zurück. Man spricht lediglich von 106 Wolfsterritorien mit 75 Rudeln, 30 Paaren und 3 territorialen Einzeltieren im Monitoringjahr 2017/18. 1)
    In 6 Bundesländern wurde im Frühjahr 2017 die Geburt von insgesamt 266 Wolfswelpen registriert.
Die Bundesländer mit den größten Wolfspopulationen sind nach wie vor Brandenburg (26 Rudel, 12 Paare), Sachsen (18 Rudel, 4 Paare) und Niedersachsen (13 Rudel, 9 Paare).
    Aber ob 2017 tatsächlich nur 160 erwachsene Wölfe im Bundesgebiet lebten, wie das BfN angab, oder 650, wie einer vom Umweltminister Mecklenburg-Vorpommerns veröffentlichten Schätzung zu entnehmen, ist bisher ungewiss.
    Tatsache hingegen scheint, dass Isegrim in Deutschland eine Zuwachsrate von rund 30% verzeichnen kann.
„Im Monitoringjahr 2018/19,“ so berichtet die DBBW (Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf) am 15. Mai 2019 auf ihrer Website, „sind 69 Wolfsterritorien bekannt. Es gab Nachweise für 60 Rudel, 3 Paare und 6 territoriale Einzeltiere. In 59 Rudeln konnte Reproduktion nachgewiesen und mit insgesamt 213 Welpen bestätigt werden. Die Wölfe kamen in den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen vor.  Die Angaben zum laufenden, noch nicht bundesweit ausgewerteten Monitoringjahr 2018/19 sind als vorläufig zu betrachten und entsprechen dem gegenwärtigen Kenntnis- und Meldestand der Bundesländer.“
Schon diese wenigen Beispiele zeigen: Zahlenangaben zu den Wolfspopulationen in den einzelnen Bundesländern ändern sich. Der interessierte Leser möge deshalb beim DBBW den jeweiligen Statusbericht für die verschiedenen Wolfsterritorien einsehen:
https://www.dbb-wolf.de/Wolfsvorkommen/territorien/status-und-reproduktion


Die in der BRD lebenden Wölfe stammen fast ausschließlich aus Polen und gehören zur Population des Europäischen Grauwolfs (Canis lupus lupus).

Anmerkung: 1) Das Monitoringjahr für Wölfe beginnt am 1. Mai und endet am 30. April des Folgejahres.

Oben: italienischer Jungwolf im Sommerfell.
Titelbild: Wolf in der italienischen Provinz Savona.
Fotos: Sara Chiarlone

In Italien war der Wolf nie vollständig verschwunden, allerdings beschränkte sich sein Verbreitungsgebiet bis etwa Ende der 1970er Jahre auf einige Zonen in Mittel- und Süditalien beschränkt. Heute ist er, wenngleich mit erheblichen quantitativen Unterschieden in den einzelnen Regionen, praktisch überall im Lande verbreitet.  
     Wie sieht Lucio Parodi, Jagdautor und lange Jahre Präsident der URCA Ligurien (Unione Regionale Cacciatori dell’Appennino) die Situation im Februar 2019? 

Lucio Parodi:
"Nach Deutschland sind die Grauwölfe aus Polen gekommen und besetzen heute Norden und Mitte des Landes bis nach Dänemark und Belgien. Im südlichen Alpenraum ist der italienische Wolf (Canis lupus italicus 2) ) zahlenmäßig nur gering vertreten und durchquert ihn verstreut vom österreichischen und schweizerischen Territorium aus, aber es werden nur wenige Jahre vergehen, bis die beiden Populationen sich treffen und dasselbe wird in den Vogesen an der deutsch-französischen Grenze geschehen.
   In Italien war die einizige, bis in die 1970er Jahre verfolgte Population von Canis lupus italicus mit wenigen verbliebenen Exemplaren in den mittleren und südlichen Teilen des Apennin vorhanden. Begünstigt durch ihren Schutz und die Rückkehr des Schalenwildes aufgrund der Entvölkerung der Bergregionen, hat sie wieder an Kraft gewonnen und sich im Laufe weniger Jahre in den nördlichen Apenninen angesiedelt, von wo aus sie dann die Alpen erreichte und einen kleinen Garten Eden in den italienisch-französischen maritimen Gebieten fand, die damals reich an Mufflons, einer einfachen Beute für den sympathischen Caniden waren. Von hier ging es weiter in die Zentralalpen und dann die Ostalpen, wo es zur ersten Begegnung mit der aus den Karpaten stammenden slowenischen Wolfspopulation kam: die italienische Giulietta und der umher wandernde Slavc bildeten 2012 im Parco della Lessinia, zwischen den Gebieten von Verona und Trento, das erste Paar unterschiedlicher Herkunft und im darauffolgenden Jahr kamen die ersten zwei Welpen zur Welt, später gefolgt von anderen, größeren Würfen. Im Juli 2018 kamen zu dem ursprünglichen Rudel weitere fünf Rudel in den Provinzen Trento und Bozen und zuletzt das Rudel aus der Magredi Ebene in der Provinz Pordenone, wo das dort seit zwei Jahren ansässige Paar, das scheinbar italienischer Herkunft ist, die ersten sechs Welpen hatte, die wiederholt von Fotofallen aufgenommen wurden.
     Das sind die ersten Rudel in den Ostalpen und andere werden bald folgen; es sind ja bis zur äußersten Grenze mit Slowenien zahlreiche Paare präsent.
    Wie viele Wölfe gibt es in Italien in einem geeigneten Territorium, das abzüglich der Siedlungszentren in den Ebenen und der Berge oberhalb 2.400 Meter ungefähr 167.000 qkm groß ist? Eine präzise Antwort darauf ist wegen des noch gültigen, veralteten und unzureichenden Gesetzes 157/92 und der Untätigkeit des ISPRA
3) nicht möglich. Eine ungefähre Antwort jedoch kann man geben, und zwar anhand des von LifeWolfAlps durchgeführten und von Francesca Marucco koordinierten Monitoringprojekts in den Alpen sowie jenen in der Toskana vom Team um Prof. Apollonio gemachten Kontrollen. Danach kann man die Zahl der Wölfe auf mindestens 3.150 Individuen schätzen, selbstverständlich mit sehr unterschiedlicher territorialer Dichte.
     Dies ist sicherlich ein abgerundeter Schätzwert, denn wenn wir die jährliche Wachstumsrate von 12% anwenden, die das ONCFS (Office national de la chasse et de la faune sauvage) im benachbarten Frankreich festgestellt hatte, eine Wachstumsrate, die heute aber mit nahezu 20% ausgewiesen wird, müssten die italienischen Wölfe fast alle impotent sein und therapiert werden.“
Impotenz dürfte nebenbei bemerkt wohl nicht das Problem sein, sondern eher die Wilderei.

Anmerkungen:
2 Der ital. Wolf, Canis lupus italicus wird von einigen Experten als Unterart des europ. Grauwolfs betrachtet.
3 ISPRA - Istituto Superiore per la Protezione e Ricerca Ambientale (Oberste Ital. Umweltbehörde)

Wolfsterritorium in Norditalien. Foto: Miiddelhaufe

Vor mehr als drei Jahren, gegen Ende Oktober 2015, informierte der National Geographic Italia, dass, beruhend auf einer Studie von 2009-2013, die konservative Schätzung von 1.269 - 1.800 in Italien lebenden Wölfen ausging. Mit rund 280-330 Tieren lag die Toskana wie immer vor allen anderen Regionen; Sizilien und Sardinien galten nach wie vor als wolfsfrei.
Solche Schätzungen auf nationaler Ebene zu machen,“ erklärte damals Marco Galaverni, Forschungsmitarbeiter der Höchsten Umweltbehörde, dem Magazin, sei nicht einfach, denn üblicherweise werden die Untersuchungen auf lokaler Ebene durchgeführt. Um allgemeine Schätzungen zu erzielen, haben die Forscher 20 wissenschaftliche Studien und 241 Daten aus der Database des Natura 2000 Programms konsultiert und die Zahl der in jeder der Studien angegebenen Individuen mit den Werten kombiniert, die sich aus der Multiplikation der Zahl der Rudel mit dem Mittelwert der in einem Rudel vorhandenen Wölfe ergaben. “Das schafft natürlich Unsicherheiten,“ sagte  Galaverni,“weil die Schätzungen von der Verfügbarkeit von Studien abhängen, – das sind zum Beispiel in Süditalien sehr wenige – von ihrer Qualität und den in den einzelnen Untersuchungen angewendeten Methoden. Aber dem haben wir mit dem großen Unterschied zwischen der Mindest- und Höchstzahl Rechnung getragen.“

Dass genauere Zahlen auch im Februar 2017 noch ausblieben, berichtete die Redaktion von Ansa und nannte als Ursache dafür das Fehlen einer offiziellen Erhebung und eines auf landesweiter Ebene koordinierten Monitorings.
Vor zwei Jahren, nach der im Winter durchgeführten Kontrolle, schätzte man die Wolfspopulation in den italienischen Alpen also auf 100 - 150 Individuen. „Das Gebiet der alpinen Wölfe wird auf 11.900 qkm geschätzt (davon sind 7.800 beständig von Rudeln bewohnt und 4.100 sehen die gelegentliche Präsenz von Rudeln und Einzeltieren). Die Dichte wird deshalb auf 0,8-1 Wolf/100 qkm geschätzt,“ schrieb Ansa. „Die geschätzte Durchschnittszahl der Wolfspopulation in den Apenninen ist 1.580 Tiere, mit Mindest- und Höchstwerten zwischen 1.070 und 2.472. Die apenninische Population bewegt sich in einem Gebiet von circa 80.800 qkm.“ 

Im Dezember 2018 schließlich stellte Primato Nazionale, Bezug nehmend auf Daten von 2012-2018 fest, dass die Wolfspopulation inzwischen 23,02% des nationalen Territoriums bewohne, 5% mehr als noch vor wenigen Jahren. Laut Angaben der Höchsten Umweltbehörde sei die Zahl der Wölfe in den italienischen Alpen auf mindestens 293 gestiegen, und setze sich aus 47 Rudeln, 6 Paaren und 1 Einzeltier zusammen. Landesweit gehe man von „mindestens 1269 und höchstens 1800 Individuen“ aus, was allerdings genau der Schätzung von 2015 entspricht, die ihrerseits auf Daten von 2009-2013 beruhte.

     Michele Corti, Dozent für Viehzucht im Gebirge an der Università degli Studi di Milano,  schrieb 2017 unter dem Titel „Kreative Zahlen“:
„Das Ereignis von Giaveno [Anm.: gemeint ist der mit DNA Test nachgewiesene Angriff eines Wolfsrudels auf einen Jäger und seinen Hund], das auf andere Vorfälle gefolgt war, die man als „Fantasien“ abgetan hatte, zwang WolfAlp zuzugeben, dass auch in dieser, nahe am Turiner Stadtgebiet liegenden Zone Wolfsrudel präsent sind, die man vorher nicht in die Bestandsaufnahme einbezogen hatte.
Mit der großen wissenschaftlichen Ernsthaftigkeit, die die Wolfspartei auszeichnet (die, da sie auf sich selbst referenziert erzählen kann, was sie will), haben die „Experten“ die Daten zur Präsenz von Wölfen im Raum Turin berichtigt und auf 50 Exemplare gebracht. Eine Tatsache, die die unguten Absichten von WolfAlp veranschaulicht, die weiterhin von „höchstens 80 Wölfen im gesamten Piemont“ sprechen. Da es in Cuneo mehr [Wölfe] gibt als in Turin, kann diese Rechnung gar nicht stimmen. Die Federcaccia [Jagdverband] in Turin schätzt die Zahl der Wölfe in ihrer Provinz auf 100 Individuen und es sei erinnert, dass vor einigen Jahren selbst Francesca Marucco, leader von WolfAlp und Gipfel der Lupologie im Piemont, auf der Grundlage der Umwelteigenschaften eine rasche Zunahme der piemonteser Wolfspopulation auf bis zu 300 Exemplare vorhersah.
Leider delegieren die Politiker die Wolfspolitik an die Wolfslobby und diese Lobby wird fortfahren, die Zahlen anzugeben, die ihr passen: minimieren, minimieren, minimieren. Man braucht nur daran zu denken, dass bevor die offizielle Schätzung der italienischen Wolfspopulation auf 2.000 Tiere angehoben wurde, sie 20 Jahre lang 600 – 800 – 1.000 betrug. Eine „politische“ Angabe, die von der Tatsache Lügen gestraft wurde, dass in den wenigen Regionen, für die es bereits Schätzungen gab, die Summe der Populationen in drei, vier Regionen schon größer war als die für das ganze Land angenommene. Wunder der Lupologie, die immer reichlich dafür bezahlt wird...Zahlen anzugeben, sprich, die vollkommenste Undurchsichtigkeit des Phänomens Wolf zu erhalten.“

Anm.: Zahlen angeben = „dare i numeri“ bedeutet im Ital. auch durchdrehen, den Verstand verlieren, und ist im Originaltext als dieses Wortspiel gemeint.

Wolf auf der Straße einer Gemeinde, die nicht sehr weit von unserem Dorf entfernt ist. Foto: Laura Zanocco.

Dass es mit dem Monitoring nicht weit her ist, kann ich aus eigener Erfahrung leider nur bestätigen. 
Den kompetenten Stellen war sehr wohl bekannt, dass im Gebiet der kleinen norditalienischen Gemeinde in der ich lebe, spätestens seit 2014 ein bis zu zehnköpfiges Rudel sesshaft war, nur kümmerte sich niemand darum, uns, die Bewohner zu informieren. Obwohl viel Male Wölfe gesichtet (und fotografiert) wurden, obwohl sie, vor allem in den Wintermonaten, nachts mehrfach Rehe nahe der Dorfstrasse rissen, weiß man im Gemeindeamt auch im Mai 2019 noch nichts von Wölfen und verweist mich für gewünschte Informationen an die Provinzbehörden. Wen genau soll ich dort befragen? Gibt es  irgendjemanden, der hier, vor Ort, Daten sammelt, dem man Wolfssichtungen und Risse meldet, der dafür sorgt, dass Kotproben ausgewertet werden, gerade hier, wo schwarze Wölfe einen DNA Test sinnvoll machen? Schulterzucken.
     Ein Angestellter der Provinzbehörde für Umwelt und Fauna blockt sofort ab. Er habe keine genauen Daten und sofern die Wölfe mir keine Schäden verursacht hätten, käme gewiss niemand aus der Provinzhauptstadt ins Dorf.
   Der zuständige Wolfsexperte der Uni Pavia, der nach eigenen Aussagen noch nie einen leibhaftigen Wolf gesehen hat, steht trotz schriftlicher Zusage dann doch nicht für Fragen zur Verfügung.
    Immerhin dürfen sich naturromantische Städter, für Bezahlung selbstverständlich, von Akademikern aus Pavia durch die Wälder um unser Dorf führen lassen, um dort Spuren und Losung zu suchen und verzückt zu lauschen, ob dem Heulen vom Band wohl ein echter Wolf antwortet. Den Bewohnern des Örtchens detaillierte Auskünfte zu geben steht hingegen nicht auf der Tagesordnung.

Michele Corti gibt noch eine andere Erklärung für die mangelnde Bereitschaft, die Wolfsterritorien und ihre Bewohner genau zu zählen und die Ergebnisse bekanntzugeben:
„Die von der Wolfspartei praktizierte Strategie der systematischen Desinformation à la KGB  ist simpel: wenn die Wölfe erscheinen wird abgestritten, dass sie da sind, denn wenn sie sich dann erst einmal niedergelassen haben, ist die Sache gelaufen und die Bewohner müssen die Wölfe hinnehmen.“

Also, trotz regelmäßiger Pressemitteilungen seitens staatlicher Stellen bleibt sowohl in Italien als auch in Deutschland eine erhebliche Unsicherheit bezüglich der realen Größe der Wolfspopulation bestehen.

Ein Wolf in Deutschland wird mit GPS-Halsband ausgestattet.Quelle: Bundesamt für Naturschutz.

Wissenschaftler haben endlos wiederholt, dass die Migration und zunehmende Verbreitung des Wolfes, in Italien ebenso wie in Deutschland, ein natürlicher Prozess sei und nicht auf der Auswilderung anderswo eingefangener Wölfe beruhe. Und doch halten sich gegenteilige Gerüchte.
In meinem apenninischen Bergdörfchen etwa erzählen die Jäger noch heute von den zehn, vor einigen Jahren unterhalb des Ortes freigelassenen Wölfen. Jemand behauptet sogar den Lastwagen mit den fünf Wölfen und fünf Wölfinnen in ihren Käfigen gesehen zu haben...
    Solche Geschichten kursieren auch in Deutschland. Sie erscheinen absurd, aber manchmal gibt es für sie auch einen guten Grund: im Juni 2000 präsentierte in Oslo die Expertengruppe für die Erhaltung der großen Karnivoren ihren Aktionsplan für die Erhaltung des Wolfes in Europa, in dem man unter der Überschrift Common Themes liest:

     „(...) where re-colonisation of areas by large carnivores is desirable, the following principles should be applied:
- priority should be to firstly support natural re-colonisation,
- secondly to work on the augmentation on non-viable populations,
- thirdly to release animals into areas in order to join up non-viable populations, and
- finally, to carry out releases into new areas.“

Doch sind in Italien wirklich jemals diese in Oslo angesprochenen Aussetzungen realisiert worden?
     Die Initiative “Proteggi il tuo bestiame” (Schütze deine Nutztiere 4)) gibt darauf eine ganz klare Antwort:
„In Italien ist nie ein Wolf ausgesetzt worden, erst recht nicht vom Hubschrauber. (...) In mancher Hinsicht hat der Mensch aber direkt und indirekt zur Schaffung günstiger Bedingungen für die Rückkehr des Wolfes beigetragen und zwar durch die Entvölkerung der Berg- und ländlichen Gebiete, die Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzflächen und Weiden. Infolgedessen kam es zur zunehmenden spontanen Ausbreitung von Buschwerk und Wäldern, einer Zunahme des Schalenwildes und der Zahl des Schalenwildes, von dem sich der Wolf ernährt (Reh, Wildschwein, Damwild, Hirsch).
Noch zwei weitere Faktoren haben die Entwicklung bestimmt: die Introduktion von Schalenwild in die Natur, auch zum Zwecke der Jagd (hier vor allem das Wildschwein) und der auf Landes- sowie EU-Ebene beschlossene Schutzstatus des Wolfes, der Thema vieler Medienkampagnen war.“


      Um auch die online Zeitschrift greenMe zu zitieren:
„Wölfe sind in Italien nie wiedereingeführt worden, es gibt keine Finanzierungen in Millionenhöhe, um Mackenzie Wölfe oder sibirische Wölfe in unsere Berge zu bringen.“

Anmerkung 4: „Proteggi il tuo bestiame“ ist eine Initiative, die aus der Zusammenarbeit von Experten auf dem Gebiet der Schadensprävention durch Beutegreifer entstand und vom MATTM (Ministerium für Umwelt und der Wahrung von Territorium und Meer) gefördert und von diesem sowie dem IEA (Institut für angewandte Ökologie) finanziert wird.

Wölfe in Norditalien - zugewandert, nicht ausgesetzt? Fotos: Sara Chiarlone

Weidetierschützer und Wolfsschützer sind sich, zumindest in Italien, also in diesem Punkt einig: Aussetzungen von Wölfen im Auftrage der Behörden, WWF oder wem auch immer, haben nie stattgefunden.
     Nie? In einem Zeitungsausschnitt der (politisch links stehenden)  La Repubblica vom 6. Juli 1977 liest man:
„Sie hatten entschieden, die wilde Fauna in den Bergen der Marsica in den Abruzzen mit einer Rasse sibirischer Wölfe zu bevölkern (die abruzzischen Wölfe sind inzwischen äußerst selten). Mit dem Hubschrauber hatten sie sie in die ausgesuchten Zonen befördert. In den ersten Monaten ging das Experiment gut. Die Wölfe hatten eine geeignete Umwelt gefunden; sie vermehrten sich schnell und die Rudel wuchsen. Dann geschah das Unvorhergesehene: die hungrigen sibirischen Wölfe haben angefangen, Bauernhöfe und die Häuser von Pächtern in der Marsica zu überfallen. Das Ergebnis ist ernst: 25 zerfleischte Tiere (20 Pferde, 3 Kälber, 2 Schafe). Ganz zu schweigen von den geflohenen und nicht wiedergefundenen Nutztieren.“
   Der damalige Direktor des Nationalparks Abruzzo hatte allerdings sofort streunende Hunde zum Schadensverursacher erklärt.

    Das online Portal ruralpini.it zitiert den Regionalrat der Toskana, Roberto Salvini, der im März 2019 die heimliche Einfuhr sibirischer Wölfe ins Majella-Gebirge während der 1970er Jahre bestätigt und darauf hinweist, dass in den 80ern dann die Sichtungen von Wanderwölfen begannen, die erheblich größer und schwerer waren als die bisher heimischen italienischen Wölfe. Er fährt fort:
„Außerdem tut man gut daran sich zu erinnern, dass in Frankreich in den zwei Jahrzehnten vor dem offiziellen Auftauchen der Wölfe, mehrfach illegale Aussetzungen von Wölfen durchgeführt und von den Behörden verifiziert wurden; die Exemplare stammten aus Wildparks. Damals empfahlen die Verfechter der Wiederansiedlung des Wolfs ganz offen, die Tiere in Gefangenschaft zu züchten, um sie dann später dort anzusiedeln, wo keine Wölfe mehr vorhanden waren.
Luigi Boitani führte auch Experimente zur Zucht von Wölfen durch, und zwar mit dem Ziel, die Zahl solcher Zuchtstätten zu vergrößern.“




Abb. mit freundlicher Genehmigung von Michele Corti.

Die Untersuchungskommission des französischen Ministerrats schloss im Jahre 2003 die illegale Einfuhr von Wölfen aus italienischen Zuchtzentren jedenfalls nicht aus. „DNA Tests der Tiere,“ so Roberto Salvini, “bestätigen in der Tat, dass in Frankreich Wölfe aus verschiedenen Herkunftsländern vertreten sind (sibirische, kanadische, mongolische, polnische) und hauptsächlich italienische. (...)“     

      Ein Grund zur Aufregung war 2017 die Pressemitteilung des Comando Unità Tutela Forestale Ambientale ed Agroalimentare Carabinieri (Sondereinheit der Carabinieri), die folgende Angaben machte (auszugsweise):
„In ganz Italien 229 Beschlagnahmungen von Hund-Wolf-Hybriden durchgeführt. (...)
...lange und komplexe Ermittlung des illegalen Handels mit Wölfen aus wildlebenden Beständen.(...)
Die aufgedeckte Straftat sah die Verwendung von Wölfen der Spezies Canis lupus aus wildlebenden Beständen (...) für die Kreuzung mit Tschechoslowakischen Wolfshunden vor. Die Wölfe wurden in den Karpaten, Skandinavien und Nord Amerika illegal entnommen.“

Auch der toskanische Regionalrat hat sich mit der Thematik der illegal importierten Wölfe beschäftigt: „Wir sind dann über ein Verkaufsnetz in Kenntnis gesetzt worden, das aus der Tschechoslowakei und Russland stammt, wo man Wölfe für den europäischen Markt produzierte und wir fanden heraus, dass es ein europäisches Netzwerk von Tierschutzaktivisten verschiedener Nationalitäten gibt, die an den Wölfen interessiert sind.“

Weiter zu: Wie stellt man die Präsenz von Wölfen fest

Text (c) Mai 2019, zuletzt ergänzt am 8. Juli 2019

Quellen:
https://www.spiegel.de/international/germany/luigi-boitani-on-the-return-of-the-wolf-to-europe-a-1028351.html
https://deacademic.com/dic.nsf/dewiki/669424
https://dbb-wolf.de/Wolfsvorkommen/territorien/status-und-reproduktion
http://www.nationalgeographic.it/natura/animali/2018/12/04/news/ritorno_del_lupo_in_italia_le_ultime_cifre_fornite_dall_ispra-4213398/
https://www.infodata.ilsole24ore.com/2017/12/17/ambiente-litalia-non-un-paese-lupo-la-mappa/?refresh_ce=1
https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/saeugetiere/wolf/deutschland/19424.html
https://www.dbb-wolf.de/mehr/faq/woher-kommen-die-woelfe-in-deutschland
https://www.welt.de/vermischtes/article170866654/Wie-viele-Woelfe-leben-in-Deutschland-150-oder-650.html
https://interaktiv.waz.de/woelfe-in-deutschland/
https://www.bund.net/tiere-pflanzen/tiere/saeugetiere/wolf/
https://de.wikipedia.org/wiki/Wolfsmanagement
https://www.dbb-wolf.de/Wolf_Steckbrief/portrait
http://www.protezionebestiame.it/e-possibile-che-i-lupi-siano-aumentati-senza-laiuto-delluomo/
https://www.greenme.it/informarsi/animali/bufala-introduzione-lupi-italia/
https://www.ilfattoquotidiano.it/2017/01/15/traffico-di-cuccioli-sequestrati-229-esemplari-ibridi-pericolosi-incrociavano-lupi-e-cani-cecoslovacchi/3317705/#cComments
http://www.nationalgeographic.it/natura/animali/2015/10/25/news/uno_nessuno_centomila_quanti_lupi_ci_sono_in_italia_-2817615/
http://www.nationalgeographic.it/natura/animali/2017/01/31/news/lupi_piano_gestione_caccia_abbattimenti-3403733/
https://www.biopills.net/il-ritorno-del-lupo-in-italia/
http://mythos-wolf.de/italienischer-wolf/
https://www.lifewolfalps.eu/wp-content/uploads/2014/05/LWA_brochure-E3_168x240_5mm-abbondanzaBassa.pdf
https://www.vogheranews.it/wp/2014/09/santa-margherita-staffora-24092014-il-lupo-sui-monti-delle-zone-montane-della-provincia-di-pavia-ce-davvero-ora-esiste-la-prova-definitiva-recuperato-sul-monte-chiappo-il-corpo-esanime-di-lupett/
http://ricerca.gelocal.it/laprovinciapavese/archivio/laprovinciapavese/2016/03/24/voghera-aumentano-i-lupi-in-val-staffora-esperti-a-convegno-29.html
https://www.telepavia.tv/2019/02/10/crescono-gli-avvistamenti-dei-lupi-tra-oltrepo-ed-alessandrino/
https://www.ildolomiti.it/societa/2019/piano-lupo-sulle-alpi-ancora-troppo-pochi-esemplari-ecco-le-22-azioni-del-ministro-costa-degasperi-fugatti-smentito-ora-basta-con-la-politica-da-bar
https://www.sterna.it/CartavocER/book/cvf/cap1/specie/lupo.htm
http://www.felis-lupus.de/wolf-1.html
https://www.1815.ch/news/wallis/aktuell/wolfspopulation-in-europa-rasant-am-wachsen/
http://www.ruralpini.it/Il-punto-sul-lupo-in-Toscana.html
https://www.wwf.at/de/menu577/
http://ec.europa.eu/environment/nature/conservation/species/carnivores/pdf/3_Reinhardt.pdf
https://de.wikipedia.org/wiki/W%C3%B6lfe_in_Deutschland#Wiederbesiedlung
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2018/kw05-de-wolfspopulation/538094

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