Wölfe - über die Situation in Deutschland und Italien
Von Sabine Middelhaufe
Wolf versus Haushund (Zuletzt ergänzt am 7. Juni 2019)
In Deutschland, wo es selbstverständlich ist, regelmäßig mit dem Hund spazieren zu gehen und sich in den Naherholungsgebieten Bewegung zu verschaffen, war der Konflikt eigentlich vorprogrammiert. Tatsächlich sind solche Wanderer und Jogger, die üblicherweise ihren Hund mitnehmen sowie Hundebesitzer, die täglich mit ihren Vierbeinern in den grünen Gürteln am Stadtrand unterwegs sind, inzwischen in manchen Gebieten von den beunruhigenden und scheinbar immer häufiger zu lesenden Nachrichten verunsichert.
So erfuhr man 2015 von einer Frau, die mit ihren zwei Hunden im Wald spazieren ging, als sich ihnen sieben Jungwölfe näherten. Von den Schreien der Dame offenbar unbeeindruckt verfolgten die Wölfe sie und ihre Vierbeiner bis zum Auto. Zwar kam körperlich niemand zu Schaden, doch erlitt die Hundebesitzerin einen Nervenzusammenbruch.
Im September 2018 wurde ein 10-20 Meter von seinem Besitzer entfernt frei laufender Hund im Randbereich einer Schonung von drei Wölfe attackiert. „Der Hundehalter verteidigte seinen Irish Setter schließlich mit dem Knüppel gegen die Wölfe, die sich am Ende auf und davon machten“, berichtete Bartels der MAZ. Die Hündin erlitt tiefe Bisswunden, die in einer Tierarztpraxis operiert werden mussten. Wie zu erfahren war, hat die Hündin die OP gut überstanden. Ohne das Eingreifen des Besitzers hätte der Irish Setter wohl keine Chance gehabt lebend davon zu kommen.“
Auch die Zeitschrift Jäger informierte über den Fall und fügte hinzu:
„Bereits zum Jahreswechsel wurden in Sachsen im Landkreis Görlitz zwei Hunde angegriffen, getötet und teilweise gefressen. Besonders prekär einer der Fälle. Dort war der Hund zunächst nur verletzt und von einem Tierarzt behandelt worden. Am Silvesterabend wurde er dann gegen 18 Uhr erneut auf dem Grundstück angegriffen und von dort verschleppt. Der Besitzer fand später nur noch den Kopf und Vorderläufe auf einer nahegelegenen Pferdekoppel. Der Rest wurde von dem an Räude erkrankten Tier [Wolf] gefressen. Es wurde später erlegt.“
Besonders interessant ist das Beispiel der zwei Wölfe, die 2015 in Norddeutschland einen Radfahrer und seinen angeleinten Hund verfolgten. Interessant deshalb, weil der junge Mann (fast) alles genau so gemacht hatte, wie von manchen Experten empfohlen: er war nahe einer Siedlung unterwegs, nicht im dichtesten Wald oder einer geschützten Zone und zwar morgens gegen 10 Uhr, nicht im zwielichtigen Morgengrauen oder nach Sonnenuntergang, und der Hund befand sich angeleint neben seinem Herrn, nicht frei und außerhalb der direkten Kontrolle des Besitzers. Der Mann entdeckte den Wolf etwa 200 m entfernt, wollte erfreut ein Foto von Isegrim machen und merkte erst dann, dass ein zweiter Wolf neben ihm im hohen Gras stand. „Dann“, zitiert die WELT den Radler, „sind beide Wölfe losgelaufen, nacheinander und haben mir quasi den Weg abgeschnitten.“ Der junge Mann und mehr noch sein junger Hund, bekamen es mit der Angst und ergriffen die Flucht. Die Wölfe folgten ihnen. Am Schluss, kurz vor der Siedlung, waren sie auf 20 Meter herangekommen.“ Eilig zu flüchten ist eigentlich genau das, wovon die Experten abraten.
Der Mann, schreibt WELT weiter „weiß sehr wohl, dass die Wölfe, hätten sie angreifen wollen, keine Mühe gehabt hätten, ihn einzuholen. Trotzdem ist er und sind die Nachbarn beunruhigt: „Wir sind schon ziemlich eingeschränkt hier“ sagt er. Sorglose Spaziergänge mit dem Hund gehörten für ihn der Vergangenheit an, auch seine Pferde müsse er nachts einsperren und sogar tagsüber bewachen.“
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Der Spaziergang mit dem Hund - erholsam oder gefährlich? Foto: Middelhaufe
Titelbild: Bogdan Basii.
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Im Laufe der letzten Jahre haben sich etliche solcher Episoden abgespielt, viele von ihnen durch Privatpersonen dokumentiert und von Jägern oder Forstbeamten verifiziert; sie sind also nicht einfach Bestandteil der Anti-Wolf Propaganda.
Was all diese Ereignisse gemeinsam zu haben scheinen, ist die häufig unangemessene, fast herablassende Reaktion der diversen Sprecher und Vertreter jener Organisationen, die mit dem Monitoring und Management der Wölfe betraut sind, denn sie werden nicht müde hervorzuheben, dass Wölfe für den Menschen keine Gefahr seien, und was die Hunde anginge, na ja, die müssten halt an der Leine gehalten werden.
Diese Forderung ist aus verschiedenen Gründen absurd. Die anderthalb Meter Leine, die Hund und Halter verbinden, garantieren für sich gesehen schwerlich die Sicherheit der beiden. Kommt hinzu, dass sich manche Hunde, gerade wenn angeleint, sehr viel aggressiver verhalten. Man kann also nicht ausschließen, dass der Vierbeiner am Riemen sich erst recht berufen fühlt, den Macho zu geben und seinen Besitzer, sich selbst oder das, was er für sein Territoprium hält, gegen jemanden zu verteidigen, der aussieht wie ein Hund auch wenn er anders riecht.
Und schließlich könnte man auch argumentieren, dass das deutsche Tierschutzgesetz einerseits verlangt, den Hund gemäß seinen Bedürfnissen zu halten, und ein grundlegendes Bedürfnis ist nun mal die Möglichkeit, sich wenigstens ein paar Stunden täglich frei zu bewegen (in Gegenwart seines Halters selbstverständlich), andererseits sind die Freiräume, wo es Hunden noch erlaubt ist, unangleint zu rennen und zu spielen, in Städten und größeren Dörfern inzwischen sehr klein geworden, landwirtschaftliche Nutzflächen am Stadtrand sind von jeher tabu, ebenso die Wälder und Felder innerhalb von Jagdrevieren, und in dem bisschen Natur, was da noch bleibt, herrscht für Hunde während der Brut- und Setzzeit Leinenzwang. Wenn es nun zusätzlich in manchen Regionen wegen der Wolfsgefahr unmöglich wird, Hunde in Grünzonen von der Leine zu lassen, dürfte sich ein gewisser Anteil der Besitzer der rund 8 Millionen in Deutschland angemeldeten Hunde vernachlässigt und ausgegrenzt fühlen.
Für die Mehrheit seiner Halter ist der Hund kein Accessoire, das man flugs bei Amazon neu bestellt, wenn es kaputt gegangen ist, sondern ein Familienmitglied, geliebt, umsorgt, ein ganzes Hundeleben lang begleitet. Offen gesagt ist es schwer zu verstehen, wieso die selben Menschen, die mit so viel Leidenschaft und Eloquenz aktiv die nahezu uneingeschränkte Freiheit der 200 oder 600 Wölfe in Deutschland verteidigen, diesen offenkundigen Mangel an Empathie für jenes Tier demonstrieren, das als des Menschen bester Freund gilt.
Ein Freund, nebenei gesagt, der jährlich circa 300 Millionen Euro in die Gemeindekassen bringt, denn im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern, muss man in Deutschland eine Hundesteuer bezahlen.
Freilich können die Bundesländer jeden Euro gut gebrauchen; in Niedersachsen zum Beispiel hat das Management der 15 ansässigen Wolfsrudel im Jahr 2017 2,2 Millionen Euro gekostet, Tendenz steigend. Peanuts, sicher, doch aus der Tasche des Steuerzahlers. |
Ein grundlegendes Bedürfnis des Hundes ist es, wenigstens ein paar Stunden täglich frei laufen zu können. Foto: Middelhaufe
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Aber kommen wir noch einmal auf die offiziellen Antworten zurück, die auf die Frage „Ist der Wolf für den Hund gefährlich? gegeben werden.
Der NABU schreibt (auszugsweise):
„Vorfälle, bei denen Hunde von Wölfen angegriffen wurden, sind in Deutschland extrem selten, in anderen Ländern gibt es sie häufiger. Das hat verschiedene Ursachen. Wölfe greifen andere Wölfe an, wenn es um Konkurrenz geht, beispielsweise um das eigene Territorium. Da Hunde die domestizierten Artgenossen des Wolfes sind, kann es auch vorkommen, dass ein Hund von einem Wolf als Eindringling wahrgenommen wird. Dringt der Hund in das Revier des Wolfes ein, wird dieser es verteidigen. In Russland und Finnland sind auch einige Fälle bekannt, in denen Wölfe tatsächlich Hunde getötet haben, um diese zu fressen. Meistens waren dies Kettenhunde. Da die Form der Hundehaltung in Deutschland eine andere ist, sind diese Fälle nicht auf Deutschland übertragbar.
Wölfe sind Menschen gegenüber in der Regel scheu. Sie interessieren sich nicht für den Menschen. Seitdem es in Deutschland wieder Wölfe gibt, hat es noch keinen für den Menschen gefährlichen Vorfall zwischen ihm und dem Wolf gegeben. Wenn Hundehalter im Wolfsgebiet also mit ihrem Hund unterwegs sind, ist es wichtig, den Hund in der Nähe oder am besten – wie in vielen Bundesländern verpflichtend – an der Leine zu führen. Wölfe meiden den Menschen, und damit auch den Hund, der beim Menschen ist. In der Nähe seines Besitzers zu bleiben, ist für den Hund also der beste Schutz.“
Bei allem Respekt, aber diese Statements lassen den Leser ein bisschen ratlos zurück, denn nicht nur übersehen sie die bestätigten Fälle von Wolfsangriffen auf Hunde in Deutschland, sondern sie setzen auch voraus, dass der normale Bürger genau weiß, wo die Reviergrenzen eines Wolfsrudels oder Paars verlaufen. Abgesehen davon wird nicht erwähnt, dass Jungwölfe das Revier ihres Familienverbandes verlassen, um sich einen Sexualpartner und mit ihm ein eigenes neues Zuhause zu suchen. Das heisst, man kann Wölfen durchaus auf ihrer Wanderschaft begegnen und wohin die Reise wohl geht, das wissen bestenfalls sie selbst.
Es stimmt, dass bestätigte Wolfsterritorien in Deutschland sehr gut dokumentiert sind und auf zahlreichen Internet Seiten publiziert werden, aber es ist ebenfalls wahr, dass eine gewisse Zeitspanne vergeht, ehe Veränderungen wie Migration, Tod, Würfe, Zuwanderung aus den Nachbarländern usw. wissenschaftlich verifiziert und in die Verbreitungskarten und Listen aufgenommen werden.
Natürlich stimmt es auch, dass risikoreiche Begegnungen wie die eingangs zitierten zwischen Wölfen und Hunden die Ausnahme sind. Wölfe lauern gewiss nicht hinter jedem Strauch, entschlossen, den erstbesten Hund, der vorbei kommt – ob nun angeleint oder nicht – zu zerfleischen. So vollkommen unangemessen es wäre, Alarmismus zu verbreiten, so unvernünftig wäre es andererseits, eine wachsende Gefahr durch die Zunahme der Wölfe zu leugnen und die Sorgen der Hundebesitzer in betroffenen Gebieten einfach unter den Teppich zu kehren.
Der Wolf verdient ohne Zweifel die Verteidigung seiner Rechte, aber vielleicht sollten die gar zu einseitig orientierten Vertreter des Naturschutzes sich daran erinnern, dass eben auch der schlichte Canis lupus familiaris Rechte hat.
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Auch der Hund hat Rechte. Foto: Middelhaufe
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In Italien ist die Lage eine völlig andere. Es fängt schon damit an, dass nur die allerwenigsten (urbanen) Hundehalter mit ihren Vierbeinern jeden Tag spazieren gehen, und wenn, dann im Stadtpark.
Selbst in der schönen Jahreszeit sind die Hügel und Berge außerhalb der Tourismusgebiete nicht Tummelplatz von Wanderern, Nordic Walkern, Joggern, Mountain Bikern, Hobbyreitern und Familien, Hund inbegriffen, die den Spaziergang in der Natur geniessen, so wie man das vielerorts in Deutschland gewöhnt ist.
Tatsächlich sind die Wälder des Apennin, außer während der Pilzsaison und der Jagdzeit im Herbst und Winter, von menschlichen Eindringlingen relativ ungestört.
Auf dem Lande ist noch heute die Gewohnheit verbreitet, den Wachhund an der Kette zu halten, den Jagd- oder Trüffelhund im Zwinger, und den Hund ohne besondere Funktion frei im Dorf oder Städtchen herum laufen zu lassen, wie es ihm beliebt. Wenn dann ein Vertreter der letztgenannten Gruppe vom vermeintlichen Besuch der läufigen Hündinnen im Nachbarort nicht mehr zurückkommt, wird sein Besitzer nicht gerade Himmel und Hölle in Bewegung setzen um herauszufinden, was mit ihm passiert ist. Schon deshalb wäre jeder Versuch, in Italien feststellen zu wollen, wie viele Haushunde von ihrem Stammvater getötet werden, zum Scheitern verurteilt.
Wachhunde, die Lärm schlagen sollen, wenn Fuchs oder Marder sich nächtens dem Hühnerstall nähern, sind, makaber ausgedrückt, eine Art take away für vorbeikommende Wölfe, die so ein Häppchen nicht verschmähen. Natürlich ist das Lamento der Besitzer groß, wenn sie dann die kümmerlichen Reste ihres Vierbeiners finden, Carabinieri und Gesundheitsbehörde müssen anrücken, um das Delikt zu dokumentieren, aber auf DNA Tests zur zweifelsfreien Feststellung des Täters wird gern verzichtet, weil zu teuer, Entschädigung gibt es auch keine und sehr wahrscheinlich bewohnt in Bälde ein neuer Wachhund die verwaiste Hütte, liegt wie sein Vorgänger an der Kette.
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Auf dem Lande immer noch üblich: der Wachhund (lks.) liegt an der Kette, der Jagdhund (oben) und der Trüffelhund (unten lks.) hausen im Zwinger oder Verschlag, und der Hund ohne Funktion (unten rechts) läuft frei in Dorf und Umgebung herum Fotos: Middelhaufe
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Das ist Teil der ländlichen Kultur (übrigens bis vor gar nicht allzu langer Zeit auch in Deutschland) und all die wunderbaren Gesetze zum Tierschutz können daran nichts ändern, zumal wenn es keine Kontrollen gibt.
Das trifft auch auf die vor Jahren eingeführte Chip- oder Tätowierungspflicht zu, die es ermöglichen sollte, den Hundebesitzer zu ermitteln, wenn sein Tier Schäden (z.B. einen Verkehrsunfall) verursacht hatte, entlaufen oder gar absichtlich ausgesetzt worden war.
In der Stadt muss jeder Tierarzt darauf bestehen, einen Hund, den er behandelt, auf das Vorhandensein eines Chips zu prüfen und ggf. den Eigentümer auf die Chip-Pflicht aufmerksam machen. In ländlichen Gebieten und in Kleinstädten mag er das versuchen, aber darauf zu bestehen würde ihn Patienten kosten; nicht in erster Linie wegen der ca. 25 Euro die er für das Einsetzen eines Mikrochips verlangt, sondern weil Hundebesitzer eben lieber „anonym“ bleiben. Und so wird das „3-Klassen-System“ der italienischen Hundepopulation wohl noch lange bestehen bleiben:
Klasse 1 ist der ordnungsgemäß gechipte und registrierte Hund, der stets unter dem Einfluss seines Halters steht.
Klasse 2, der sog. „cane vagante“, hat zwar einen Besitzer, erkundet aber regelmäßig oder sporadisch allein die Welt.
Klasse 3a ist der „cane randagio“, also der herrenlose Streuner, der meist in oder nahe bei Ansiedlungen lebt, weil er im Wesentlichen von Essensresten oder der Fütterung durch den Menschen abhängig ist; in ehemaligen Weidegebieten z.B. in den Abruzzen, besteht ein beträchtlicher Teil der Streuner aus überflüssig gewordenen Herdenschutzhunden. Vor allem aus Süd- und Mittelitalien sind zahlreiche Fälle bekannt, in denen Gruppen von Streunern Personen angegriffen und zum Teil schwer verletzt haben.
Klasse 3b schliesslich ist der „cane inselvatichito“, d.h. der verwilderte Haushund, dessen Definition in der Regel wie folgt lautet: verwilderte Haushunde sind fast vollkommen unabhängig vom Menschen, vor dem sie fliehen wie Wildtiere. Obwohl sie sich auf der Suche nach Nahrung auch Dörfern oder Häusern nähern, meiden sie den Kontakt mit dem Menschen, sind nachts unterwegs, leben in Rudeln und sind in der Lage, Haustiere und Wild zu töten, wobei sie öko-ethologische Eigenschaften zeigen, die teilweise denen des Wolfs ähneln.
Es ist klar, dass aus überlebensfähigen Streunern neue Mitglieder für die Rudel der verwilderten Hunde werden können; für beide Gruppen gibt es aber bis heute keine gesicherten Zahlen.
Das Problem ist in Italien nicht neu, – noch in den 70er Jahren wurden jährlich etwa 100.000 herrenlose Hunde getötet – nun hat es wieder an Aktualität gewonnen, weil die zunehmende Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung von früheren Anbauflächen in den Apenninen, das gleichzeitige Sterben der Bergdörfer und die Zunahme von Schalenwild Bedingungen schafft, in denen verwilderte Hunderudel bestens überleben können, in manchen Zonen in direkter Konkurrenz zum Wolf. Dass es da auch zu Paarung kommen könnte, liegt auf der Hand.
Dass herrenlose Hunde auch Weidetiere reißen steht außer Zweifel, aber sind sie wirklich ein bedeutender Aspekt beim Herdenschutz?
In Frankreich gibt es daran Zweifel. Der französische Ökologe und Anthropologe Dr. Laurent Garde vom „Forschungsinstitut für die Ausführung der Weidewirtschaft in den Alpes méditerranéé“ erklärte 2016 dazu in einem Interview (auszugsweise): „(...) Die Lüge von den streunenden Hunden etwa: das ist nicht die Schuld der Wölfe, das sind die streunenden Hunde gewesen. Der Wolf sei nur ein Sündenbock. Aber wenn das wahr ist, wieso mussten die Herden dann erst beim Eintreffen des Wolfes geschützt werden?“
So weit bekannt bestand früher auch in Italien keine Notwendigkeit, Weidetiere vor Gruppen von Streunern landesweit und massiv zu schützen.
Anmerkungen:
Die Begriffe „cane vagante“ und „cane randagio“ werden im allgemeinen Sprachgebrauch nicht immer so differenziert verwendet.
Das vollständige Interview mit Dr. Garde finden Sie auf youtube unter dem Titel: „Die schwerwiegenden Folgen der Wiederkehr des Wolfes in Frankreich“, von Bruno Lecomte.
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Berichte von Hunden, die Wolfsangriffen zum Opfer fielen, gibt es trotz aller Anonymität dennoch und sie werden von zufälligen Beobachtungen, Überwachungkameras an Gebäuden oder den Aussagen der Hundebesitzer bezeugt, die ihren Vierbeiner verloren haben.
Im Dezember 2014 wurde zum Beispiel in Verona ein Labradorrüde nahe seiner Wohnung von Wölfen gerissen. (Übrigens zensierte facebook das Foto des toten Hundes weil es zu grausig sei.)
Im August 2016 berichtete die Zeitung L'Eco di Parma von zwei Wölfen, die vor einem Haus auf die dort bellenden Maremmani trafen:
“Dann hat einer der Wölfe den großen Hund in einen Kampf verwickelt, während der andere [Wolf] weglief. An diesem Punkt griff der Züchter ein, da er Angst um seinen Hund hatte. Doch statt zu fliehen, drehte sich der Wolf zu ihm um und griff ihn an, wobei er ihm die Hose bis zum Knie zerriss, obwohl sich der Bauer mit Tritten zu wehren versuchte. Schreckensmomente, die die anderen Maremmani des Mannes beendeten, indem sie alle gemeinsam ihren Herrn verteidigten.“ Die Zeitung versäumte nicht anzumerken, dass Wölfe „normalerweise“ keine Menschen angreifen und sich "nur Hybriden" den Häusern annähern.
Die „lupologen“, wie man die Befürworter der Ausbreitung des Wolfes in Italien nennt, suchen in solchen Fällen immer gern nach einer beruhigenden Erklärung: Streuner, Wolfshybriden oder sogenannte „exotische Wölfe“, also kanadische oder osteuropäische Exemplare sind für die Attacken verantwortlich, nur in keinem Fall Canis lupus italicus.
In der Provinz Turin wurde im Januar 2017 ein Hund angegriffen und verletzt und ebenso sein Besitzer, der ihn mit einem Knüppel verteidigte. Der Mann ist Jäger und Mitglied eines Jagdverbandes, der darauf bestand, das nötige Material für einen DNA Test zu sammeln und korrekt aufzubewahren. Nur weil man seitens des Jagdverbandes entschieden auf der Feststellung des Angreifers beharrte, wurde die Genuntersuchung durchgeführt. Ergebnis: Hund und Besitzer waren von einem absolut reinen italienischen Wolf attackiert worden.
Auch in der Nahe meines Wohnorts an der Grenze zwischen den Provinzen Pavia und Piacenza wurde unlängst ein kleiner Mischling getötet und gefressen. Sein Herr wohnt mit Familie, Esel, Pony, Hühnern, Katzen und Hunden in einem Haus außerhalb des Dorfes und betreibt dort eine kleine Trattoria. Seit einigen Jahren ist unsere Gegend auch das Revier eines Wolfsrudels (einige Mitglieder hatte ich ja sogar gefilmt) und wie die Spuren in Schnee und Schlamm zeigen, passieren die Wölfe regelmäßig das Grundstück der Familie.
Der kleine Mischling hatte an dem betreffenden Abend wahrscheinlich den Hof verlassen, was durchaus nicht unüblich war, da umher nur winterkarge Heuwiesen liegen. Wie genau das Zusammentreffen stattfand, ist ungewiss, man fand früh am nächsten Morgen nur noch die Reste des Hundes: Kopf, Läufe und Rücken.
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Mischling Bric, wie er von seinem Besitzer aufgefunden wurde. Foto: Alex Monfasani. |
Dass Wölfe einen Hund ab und zu auch als einfache Beute betrachten könnten, ist eine These, die vielen Tierschützern nicht sonderlich gefällt - ist sie wahr?
Federico Morimando: „Wir wissen, dass der Haushund durchaus zur Diät des Wolfes gehört und in einigen europäischen Ländern, wie etwa Slowenien, Bulgarien, Rumänien, eine sehr verbreitete Beute für ihn darstellt, in einigen, wie Serbien und Bulgarien, ist er der Grundpfeiler ihrer Ernährung. Natürlich gibt es beim Wolf eine individuelle und rudelbezogene Variabilität, dazu gehören leider auch Rudel, die sich auf die Jagd von Hunden und anderen Haustieren spezialisieren. Im Hinblick auf den Hund wird die Aggressivität des Wolfs aber nicht nur vom Hunger hervorgerufen, sondern von einem sehr starken intraspezifischen Wettbewerbsniveau: Wolfsrudel töten verstreut anzutreffende Schakale, Füchse, Koyoten, Hunde und Einzelwölfe in erster Linie, um Futterkonkurrenten auszuschalten und ferner, um ihr Territorium zu behaupten. Dass sie sie dann auch fressen liegt daran, dass man kein Futter vergeudet. In Anwesenheit eines Wolfsrudels ist die Wahrscheinlichkeit, dass Hunde getötet und gefressen werden stets größer als 0.5 (gegeben 1 = sicheres Ereignis). Der schlimmste Fall tritt ein, wenn ein Rudel Hunde zu Ernährungszwecken auswählt. Normalerweise geschieht das dank der vorhandenen Menge an Wild selten, aber wie schon erwähnt, existieren eben Spezialisierung und rudelbezogene Variabilität genauso wie in unseren Familien – es gibt vegane Familien, fleischessende Familien usw.
Wenn in einer Gegend Wölfe unterwegs sind, ist es immer risikoreich für den Hund, ihn frei laufen zu lassen.“ |
Ein toter Fuchs - vom Wolf gefressen? Foto: Middelhaufe
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Und doch beweisen die Beispiele aus Deutschland, so wenige es auch sein mögen, dass die Nähe des Hundebesitzers oder der Umstand, dass der Hund an der Leine ist, Wölfe nicht zwangsläufig davon abhält, anzugreifen oder es zumindest zu versuchen. Ich weiß auch von einem Jäger, der mitsamt seiner Segugio Meute hier in unseren Wäldern eine halbe Stunde lang von einem Grüppchen Wölfe verfolgt wurde, bis er seinen Jeep erreichte.
Er war bewaffnet, ein betagter Pilzsammler oder Trüffelsucher, der mit seinem Hund durch den Wald zieht, wäre das nicht.
Im Internet kursieren viele Ratschläge, wie man Wölfe verscheuchen kann: mit Pfefferspray, einer Druckluftfanfare oder indem man plötzlich einen Schirm in Richtung der Tiere aufschnappen lässt, Schreien, in die Hände klatschen, drohend den Knüppel schwingen... Um den freilaufenden Hund zu schützen sollte man ihm ein Glöckchen oder einen Beeper ans Halsband hängen oder ihm die Schutzweste anziehen, die Hunde bei der Wildschweinjagd tragen. Aber funktionieren solche Methoden wirklich? |
Schützen Glöckchen und Beeper die Hunde wirklich? Foto: Middelhaufe.
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Unangenehme Erfahrungen mit Wölfen machen in Deutschland ja auch die Jäger.
Letztes Jahr wurde in Sachsen eine Bracke während der Jagd angegriffen, getötet und teilweise gefressen; wie die DNA Untersuchung später feststellte, vom Alpharüden des dort ansässigen Wolfsrudels.
Schon 2014 kam es in der Uckermark zu einem Wolfsangriff. Die Märkische Allgemeine schrieb damals:
„(...) Die Tiroler Bracke wurde von einem Wolf angegriffen. Nicht irgendwo bei der Jagd in den Wäldern der südlichen Uckermark, wo der Forstbedienstete zuhause ist, sondern wenige Meter vor dem Gehöft des Hundeführers. (...) Laut schreiend und mit erhobenen Armen rannte Ueckermann auf den Wolf zu. Der wollte zunächst nicht von seiner Beute ablassen. „Erst als ich drei Meter vor ihm war, gab er die Hündin frei und trollte sich davon – nicht ohne sich noch einmal umzublicken und mir einen sauertöpfischen Blick zuzuwerfen“,(...)“
Im April 2018 las man u.A. in der Märkischen Allgemeinen:
„Im Zehdenicker Stadtwald ist vor Ostern ein Hund von einem Wolf angegriffen und verletzt worden. Oberförster i. R. Peter Keibel hat den Wolf mit seiner Wildkamera abgelichtet. (...) Für Peter Keibel war es eine vollkommen unerwartete Attacke, für Jack-Russell-Hündin Mira (7) ging es am Karfreitag von einem Moment auf den anderen um Leben oder Tod: Bei einem Spaziergang im Zehdenicker Stadtwald griff ein Wolf die kleine Hündin an. Die Fangzähne haben tiefe Wunden an Hinterläufen und Rumpf hinterlassen. Aber Mira hatte Glück im Unglück. Innere Organe wurden nicht lebensbedrohlich verletzt. (...) Exakt neun Minuten vor dem Angriff hat seine (Keibels) Wildkamera einen Wolf aufgenommen. Der Jäger ist sich sicher, dass es sich um das selbe Tier handelt, das ganz in der Nähe dann den Hund überfiel. Dafür hat der Ruheständler auch eine Erklärung. Einerseits werde ein Hund vom Wolf als Nahrungskonkurrent identifiziert. „Und da kennt er in seinem Revier kein Pardon.“ Andererseits hätten die eingewanderten Wölfe „keine Angst mehr vor Menschen“. Sie seien intelligent und würden sich an diese dicht besiedelte Region anpassen. Eine unkontrollierte Ausbreitung führe deshalb zwangsläufig zu Konflikten.
Und das online Portal JAWINA berichtete im Herbst 2018:
„Auf einer Drückjagd, die am 25.10. auf Flächen des Stifts Neuzelle (Landkreis Oder-Spree) stattfand, spielten sich Szenen ab, die jedem Hundeführer nachdenklich stimmen werden: Mehrfach hetzten Wölfe die eingesetzten Stöberhunde, in einem Fall verfolgten vier Wölfe einen Hund und kamen diesem dabei bedrohlich nahe. Vier weitere Fälle wurden beobachtet, in denen Einzelwölfe einen Jagdhund verfolgten. Mindestens sieben, möglicherweise elf Wölfe wurden in dem ca. 1.600 ha großen Revier an dem Tag gesichtet. Mit Schreien und In-die-Hände-klatschen versuchten die durchgehenden Hundeführer und Jagdgäste die Wölfe zu vertreiben, zwei Mal mussten gar Warnschüsse in die Luft abgegeben werden – ohne großen Erfolg. “Um Konflikte zu vermeiden haben wir die Hundeführer telefonisch gebeten, ihre Hunde nach Möglichkeit an die Leine zu nehmen”, berichtet der Forstbetriebsleiter Boris Schnittker auf Anfrage von JAWINA. (...) In zwei Fällen haben die Wölfe nur kurzzeitig von der Verfolgung abgelassen, die Fläche kleinflächig umschlagen und sich wieder an den Hund heran gearbeitet. Wir erkennen mit Sorge, dass wir die Wölfe gewissermaßen trainieren”.
Es sei denn – man schießt. So wie ein holländischer Jagdgast es Mitte Januar 2019 im Landkreis Potsdam-Mittelmark tat. Während der Jagd griff dort ein Wolf die arbeitenden Stöberhunde an. Trotz Pfeifens, Schreiens und eines Warnschusses ließ der Wolf nicht von ihnen ab. Am Ende entschied sich der Schütze zur Rettung der Hunde den Wolf zu erschießen. Mehrere der beteiligten Hunde mussten tierärztlich versorgt werden. Der Jäger bekam eine Anzeige; der Abschuss des streng geschützen Wolfs kann mit bis zu 50.000 Euro Geldstrafe oder bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug geahndet werden.
In Jäger erfuhr man schon 2018:
„Wie die sächsische Zeitung meldet, gestalten sich Nachsuchen im Landkreis Görlitz immer schwieriger. Wölfe haben beschossenes Wild als leicht zu beschaffende Beute erkannt. Gerd Eberle, ein Jäger aus der Region berichtet: „Die Wölfe haben gelernt, dass das Wild quasi auf dem Teller liegt, wenn ein Schuss gefallen ist.“ Bis man Hund, Schweißriemen und die restliche Ausrüstung aus dem Auto geholt hat, ist der Wolf oft schon vor Ort. (...) |
Zu spät. Foto: Gabriella Rubicondi
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Die Erfahrung der letzten 20 Jahre hat den Beutegreifer gelehrt, dass der Mensch für ihn nicht gefährlich ist und so bleiben Wölfe scheinbar ganz unbeeindruckt im Treiben und warten auf die Einladung zum Essenfassen: den Gewehrschuss.
Schweißhunde auf dem letzten Abschnitt der Nachsuche zu schnallen, wo Gelände und Vegetation dies erfordern würden, ist in Wolfsgebieten eigentlich unmöglich geworden, zu groß wäre die Gefahr, dass der Hund auf ein Rudel stösst, das die Beute bereits für sich in Anspruch genommen hat.
Eine weitere Frage ist, wie sich die Wölfe gegenüber einem Einzelhund verhalten würden, der, wie er es während seiner Ausbildung gelernt hat, als Totverbeller beim Stück bleibt. Wenn die Wölfe durchschauen, dass auch dieses akustische Signal sie „zu Tisch ruft“, werden Jäger und Schweißhundeführer ein echtes Problem haben.
Nehmen die Konflikte zwischen Wolf und Jagdhunde tatsächlich zu, oder wird dieser Eindruck nur dadurch geweckt, dass die Medien von entsprechenden Fällen flächendeckend berichten?
Friedrich Noltenius: „Im Gegensatz zu Schweden und Finnland ist der Schwund an Jagdhunden im Einsatz hier noch überschaubar, allerdings mit einer Dunkelziffer versehen. Mir sind aus den letzten Jahren hier im Nahbereich mindestens drei ungeklärt bei Drückjagden im Wolfsgebiet verschwundene Hunde bekannt. Allein, verschwunden ist kein Wolfsnachweis, wohl aber eine hohe Wahrscheinlichkeit.“
Und wie schätzen Sie die Gefahr für den Vierläufer ein, der brav seinen Führer zum toten Stück ruft?
Friedrich Noltenius: „Wer heute noch in Wolfsgebieten stolz seinen Hund als Totverbeller präsentiert, darf damit rechnen, sehr bald einen toten Verbeller gehabt zu haben.“
Dass Wölfe darauf gekommen sind, Schüsse mit dem für sie gedeckten Tisch zu assoziieren, ist eigentlich nicht so verwunderlich. Aber gibt es keine Möglichkeiten, ihnen die Sache wenigstens ein bisschen zu erschweren?
Friedrich Noltenius: „Wir haben es als Jäger mit unserem Verhalten selbst in der Hand, wie sehr wir die Wölfe dazu erziehen, auf den Schuss zuzustehen. In meinem Revier, welches ich inzwischen abgegeben habe, habe ich seit Auftreten des Wolfes strikt verboten, Wild im Revier geschweige denn am Anschuss aufzubrechen. Ich selbst habe die Aufbrüche regelmäßig erst kalt entsorgt. Es gibt genügend Bilder und Berichte von großen Drückjagden mit Aufbrechpause, bei denen sich die Wölfe rechtzeitig am erlegten Stück einfanden. Erst wenn der Wolf freigegeben ist, werde ich mein Jagdverhalten umstellen. Das wird noch eine Weile oder bis zum ersten großen Unglück dauern. |
Foto: Sylvia Dreeskornfeld. |
Ganz anders als in Italien, muss der Jäger in Deutschland ein Revier pachten (und oft recht teuer dafür bezahlen) und kann darin dann ganzjährig aktiv sein. Sein vierläufiger Gehilfe erhält zunächst eine, am italienischen Standard gemessen sehr umfassende Ausbildung und muss zumindest die Brauchbarkeitsprüfung absolvieren, bevor er hauptberuflich als Jagdhund eingesetzt werden darf. Einen getöteten Jagdgebrauchshund von einem Tag auf den anderen zu ersetzen, ist deshalb für den Jäger, der nur diesen Hund hatte, eigentlich unmöglich. Und selbst die Hunde, die einen ernsthaften Wolfsangriff überleben, sind ja nicht mehr wie sie vor der Attacke waren, denn leider kann man den Vierläufer nicht zum Psychologen bringen, der ihn nach Besprechung des Traumas dann erfolgreich therapiert.
Dem Jäger zu sagen, dass die mögliche Tötung seines Hundes durch Wölfe nun mal der Preis ist, den er für die Artenvielfalt bezahlen muss, dürfte also bei sehr wenigen Jägern gut ankommen.
Während man dem privaten Hundebesitzer (trotz der Absurdität der Argumentation) sagen könnte, dass er seinen Hund eben stets an der Leine zu halten hat, ist diese Forderung dem Jäger gegenüber vollkommen unsinnig. Ein Jagdgebrauchshund kann seine vielfältigen Aufgaben nicht im 2-3 m Radius um seinen Führer erfüllen.
Um noch einmal den Oberförster i.R. Herrn Keibel zu zitieren: „Ich habe nichts dagegen, dass Wölfe mit uns zusammenleben“, sagt Peter Keibel. Viele Bewohner der Region und auch er selbst hätten aber kein Verständnis dafür, „dass es keinen aktuellen Managementplan für den Wolf gibt“.Was bislang vorgelegt wurde, nennt er „halbherzig“.“
Sofern man die Jagd nicht einfach verbieten will, und das wäre zumindest in Deutschland undenkbar, müssen die zuständigen Behörden eine Lösung anbieten, die beide Seiten respektiert: den Wolf und den Jäger mit seinem Hund.
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Jagdhunde können ihre Arbeit nicht ausschliesslich an der Leine ausführen. Foto: Middelhaufe.
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In Italien leben, im Vergleich zu Deutschland, erheblich mehr Wölfe, Jagdhunde und Jäger und von Letzteren kann man nicht allen Ernstes verlangen, dass sie ihre Segugi oder Vorstehhunde künftig an der langen Leine bei der Jagd in die dichten Bergwälder begleiten. Die lokalen Schwarzwildjägervereinigungen haben überdies nicht einmal die Wahl ihrer Jagdzone, denn sie müssen ja innerhalb der engen Grenzen des Gemeindesgebiets bleiben, das ihnen von der Jagddistriktverwaltung zugestanden wird.
Frage an Gabriella Rubicondi, Gründerin der Gruppo Conduttori Cani da Traccia (Gruppe der Schweißhundeführer) in der Provinz Genua: Haben Sie in den letzten Jahren bei der Jagd oder Nachsuche potenziell gefährliche Situationen zwischen Hunden und Wölfen erlebt?
Gabriella Rubicondi: „Bei einer Jagd, an der ich teilnahm, verfolgten die Bracken eine Sau und trafen auf ihrem Weg mehrere Wölfe, die sich anschickten, sie anzugreifen. Zum Glück trafen aber die Hundeführer rechtzeitig ein und fingen an zu schreien und mehrmals in die Luft zu schießen, um die Attacke abzuwenden. Die Wölfe flohen und für den Rest der Brackade gab es kein Zusammentreffen mehr.“
Was halten Sie von den Bedenken der deutschen Jäger bezüglich der Wolfssituation?
Gabriella Rubicondi: „Ich finde die Befürchtungen begründet und verständlich, auch, weil es bei uns bald genauso zugehen wird, denn meiner Ansicht nach nimmt die Zahl der Wölfe zu und, zumindest in meiner Gegend, sehen wir, dass das Wild erheblich weniger geworden ist. Vielleicht ist es nicht allein Schuld der Wölfe, aber sie tragen ihren Teil dazu bei.“
Mancherorts in Italien, auch hier wo ich lebe, führen die zur selektiven Jagd auf Schalenwild zugelassenen Jäger keine Nachsuchen durch und folglich findet man häufig von Wölfen gefressene Rehe. Wie schätzen Sie die Gefahr ein, dass die Wölfe so in bestimmten Zonen, wo die selektive Ansitzjagd erlaubt ist, lernen, dass es dort öfter mal eine Mahlzeit gratis gibt und deshalb häufiger auftauchen?
Gabriella Rubicondi: „Bei uns ist die Nachsuche keine sehr verbreitete Sache, wahrscheinlich auch, weil sich viele Jäger ihrer Fähigkeiten zu sicher sind und wenn das Wild dann nach dem Schuss nicht zusammenbricht... war es eben ein Fehlschuss. Sie gehen nicht kontrollieren und so flieht das Stück manchmal verletzt oder verendet nahebei. Bei der Schwarzwildjagd ist es noch schlimmer. Bis vor einigen Jahren gab es genügend Wildschweine, und ob nun eines mehr oder weniger zur Strecke kam machte keinen Unterschied. Bei der nächsten Jagd fand man dann den Kadaver wenig entfernt vom Anstand. Wölfe sind sehr intelligente Tiere und kommen schnell dahinter, wo man ohne viel Mühe zu fressen findet. Ich glaube, sie haben schon verstanden, dass, wo geschossen wird, eine Mahlzeit sicher ist.“
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Oben: in Italien sucht man das Stück oft nicht sorgfältig nach und es wird zum Futter für Wolf, Fuchs & Co. Foto: Middelhaufe.
Unten:
Deshalb bemühen sich Gabriella Rubicondi und ihre Kollegen seit Jahren, eine Nachsuchen-Kultur einzuführen. Foto: Rubicondi
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Auch wo Sie leben gibt es Wölfe. Haben Sie sich je Gedanken darüber gemacht, wie Sie Ihre Hunde im Falle eines Wolfsangriffes beschützen würden?
Gabriella Rubicondi: „Ich wohne in Valbrevenna, einer Gemeinde im Hinterland von Genua, und in der Tat sind hier Wölfe gesehen und fotografiert worden, sogar auf einem Spielplatz, der nur wenig entfernt von meinem Haus liegt. Auch eines morgens, als ich mit dem Auto auf dem Weg zur Arbeit war, hat ein Wolf die Straße überquert. Er kam vom Fluss her und ging bergauf, nicht weit weg von den Häusern.
In Begleitung meiner Hannoverschen Schweißhunde habe ich bisher nur ein Mal Wölfe getroffen: während ich zu meinem Anstand ging, sah ich zwei Wölfe, die, als ich mich näherte aufstanden und sich entfernten. In dem Moment hatte ich durchaus Angst, vor allem, weil die Hunde schon das Haar gesträubt hatten und knurrten. Zum Glück ist ja nichts passiert, aber die Gefahr ist immer gegeben.“
Was halten Sie als Jägerin und Schweißhundeführerin vom aktuellen Wolfsmanagement?
Gabriella Rubicondi: „Als Jägerin und Schweißhundeführerin meine ich, dass Wolfssichtungen in letzter Zeit immer mehr werden, auch in der Nähe von Wohngegenden, und das gefällt mir nicht besonders. Ich mag den Wolf, er ist ein prachtvolles Tier, aber wenn wir zusammenleben müssen, wäre es besser, wenn er kontrolliert würde.“
Die selbe Frage an Lucio Parodi: Wie stehen Sie zum aktuellen Wolfsmanagement?
Lucio Parodi: Italien ist das einzige Alpenland, dass den Wolf nicht (legal) kontrolliert. Die EU Staaten tun es unter Berücksichtigung der Habitat-Richtlinie und die Schweiz hat diese, unter Einhaltung der Berner Konvention, rechtzeitig und hart definiert. In einer vom Menschen geschaffenen Umwelt kann es keine grenzenlose Zunahme der Beutegreifer bis zur Sättigung dieser Umwelt geben, vielmehr muss ihre Anwesenheit mit den menschlichen Aktivitäten kompatibel sein, auch zum Schutz der Bergwelt, die nur durch die Präsenz des Menschen selbst möglich ist. Die Schweiz hat es mit ihrer konkreten Politik hinsichtlich der Beutegreifer sogar geschafft, die Zustimmung der Viehzüchter für die Wiederansiedlung des Luchses zu bekommen, der dort heute mit circa 170 Exemplaren im ganzen Land vertreten ist.“
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Bracken, hier eine Meute Ariégeois, sind bei der Jagd in Wolfsgebieten besonders gefährdet. Foto: Middelhaufe
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Um noch einmal den französischen Ökologen Dr. Laurent Garde zu zitieren:
„Europa erzwingt eine Überproduktion des Wolfes mit der Berner Konvention, aber vor allem über die Fauna-Habitat-Direktiven, welche für die Tierhalter und für die Mitgliedsländer der Konvention zwingend sind. Man muss sehen, dass die meisten Länder, die tatsächlich Wölfe bei sich hatten, wie Spanien, wie ein großer Teil der osteuropäischen Länder, den Wolf aus der Liste der zu schützenden Tiere in der Berner Konvention heraus genommen haben. Diese Länder machen was sie wollen mit dem Wolf. In Spanien werden in der Zone, wo der Schutz des Wolfes ausgeschlossen wurde, ganz legal 200 Wölfe gejagt. In der Slowakei, die gleichermaßen disponiert hat, werden jährlich legal 150 Wölfe geschossen. Dies weil es Länder sind, die den Wolfsbestand regulieren, weil sie sich sorgen, weil sie wußten, was ein Wolf ist. (....)
In Italien ist es anders, sie haben ganz im Gegenteil den totalen Schutz des Wolfes gewählt. Die ganze Politik des europäischen Schutzes des Wolfes kommt aus Italien zu uns. Dem muss man vielleicht hinzufügen, dass in Italien das Verhältnis zum Gesetz vielleicht nicht ganz das gleiche ist wie in Frankreich. In Italien werden Wölfe intensiv gewildert; eine andere Art der Regulierung. Mit der rechten Hand schützt man den Wolf und mit der linken Hand lässt man halt machen und viel wildern. Deshalb beschäftigt sie [die Italiener] das nicht so stark. Frankreich, wie Schweden, war was man einen naiven Staat nennt. Ein naiver Staat ist ein Staat, der keine Wölfe hatte als die Berner Konvention und die Fauna-Habitat-Direktiven unterschrieben wurden. Deshalb hat man den Wolf damals vollständig geschützt, zu dem Zeitpunkt quasi als virtuelle Übung. An dem Tag aber, als der Wolf zurück kam, waren wir an den europäischen Text gebunden, der uns von da an die Regulierung des Wolfs verbot und die einzelnen Abschüsse nur ausnahmsweise zulässt. Und unter der Bedingung, dass alle anderen Maßnahmen vorgehend getroffen werden.“
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Text (c) Mai 2019, zuletzt ergänzt am 8. Juli 2019
Quellen:
https://www.jagderleben.de/jagdgebrauchshund/wolf-toetet-jagdhund-so-sah-hundebesitzer
https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/saeugetiere/wolf/wissen/16494.html
https://www.maz-online.de/Brandenburg/Nackter-Foerster-verjagt-Wolf-Huendin-in-der-Uckermark-fast-zu-Tode-gebissen
https://www.jawina.de/warnschuesse-und-geschrei-uebergriffige-woelfe-erzwingen-aenderung-der-jagdstrategie/
https://www.jaegermagazin.de/jagd-aktuell/woelfe-erschweren-nachsuchen/
https://www.agrarheute.com/land-leben/notwehr-jaeger-erschiesst-wolf-551108
http://woelfeindeutschland.de/wolf-erschossen-in-notwehr/
https://www.focus.it/ambiente/animali/chi-sono-e-come-vivono-i-cani-randagi
https://milano.corriere.it/19_gennaio_22/pavia-allarme-sull-appennino-lupi-porte-paesi-cane-sbranato-branco-5aede9a2-1e81-11e9-b085-7654f7acb9a3.shtml
https://iltirreno.gelocal.it/cecina/cronaca/2019/01/27/news/il-mio-cane-sbranato-dai-lupi-1.17696134
https://www.gazzettadiparma.it/archivio/2015/10/04/news/cane_sbranato_dai_lupi_vicino_alle_case-368404/
https://www.nove.firenze.it/grosseto-branco-di-cani-vaganti-attacca-due-cacciatori.htm
http://www.ruralpini.it/Erano_lupi.html
https://www.teleromagna24.it/cronaca/forli-branco-di-lupi-si-accanisce-sui-cani-di-un-podere-di-predappio-alta/2017/7
https://www.topagrar.com/rind/news/woelfe-verfolgen-spaziergaengerin-9536588.html
http://www.maz-online.de/Lokales/Potsdam-Mittelmark/Ziesar/Huendin-bei-Wolfsangriff-in-der-Buecknitzer-Heide-verletzt
https://www.comfortplan.de/tierversicherung/hundeversicherung/hundesteuer
https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/saeugetiere/wolf/wissen/16494.html
http://www.maz-online.de/Lokales/Oberhavel/Wolf-verletzt-Hund-im-Stadtwald
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