Schweden
Von Sabine Middelhaufe
In Schweden wurden bis in die 1960er Jahre Prämien für getötete Wölfe bezahlt, dann verbot man die Jagd auf den selten gewordenen Beutegreifer und erst ab 2010 war wieder eine zahlenmäßig begrenzte Entnahme erlaubt.
Die schwedische Wolfspopulation entstand in den frühen 80ern aus nur 5 Individuen, blieb stark isoliert und so waren die resultierenden Tiere im Durchschnitt näher miteinander verwandt als Geschwister.
2010 gestattete die schwedische Umweltschutzbehörde den Abschuss von 27 Wölfen, da das Parlament entschieden hatte, dass höchstens 210 der Beutegreifer im Lande leben sollten. Diese Zahl war bereits 2009 erreicht worden und über 20 Paare hatten danach Nachwuchs bekommen.
Für den Winter 2012/2013 hatte die schwedische Umweltschutzbehörde erneut die Tötung von 16 stark von Inzucht betroffenen Wölfen in genau festgelegten Zonen erlaubt, doch nach der Entnahme von nur drei Tieren musste die Aktion unterbrochen werden, da private Umweltschützer dagegen vor Gericht gezogen waren.
Anfang 2013 berichtete die BBC über die Situation der damals etwa 270 Wölfe in Schweden. Ein pensionierter Lehrer und Jäger erzählte dem britischen Journalisten:
„[Der Wolf] ist ein faszinierendes Tier. Wir haben nichts gegen eine kleine Zahl von Wölfen, die akzeptieren wir, aber fast alle von ihnen leben in Mittelschweden. (...) Sie fressen gerne Hunde... Ich will meinen Hund nicht verlieren.“
Der Grund für die Konzentration der Wolfspopulation im Zentrum des Landes, sind die Rentierzüchter im Norden, die das Risiko durch Wölfe schlicht nicht akzeptieren; ganz Lappland ist wolfsfreie Zone. Die Beutegreifer haben keinen oder kaum Austausch mit ihren Artgenossen in den angrenzenden Ländern und es kommt zwangsläufig zu Inzucht.
Wolfsschützer wollen das ändern: „Es ist grundlegend wichtig, einen Migrationsfluss aus Finnland und Russland zu schaffen. Die beste Option wäre, wenn Wölfe in Schweden genetisch mit denen in Finnland und Russland verbunden wären.“ Das würde dazu führen, so hofft man, dass Tausende von Wölfen durch Schweden zögen.
Eine Vorstellung, die Tierzüchter und Jäger mit Entsetzen erfüllt.
|
Im Grenzgebiet mit Norwegen sprach der BBC Reporter mit einer Schafzüchterin, die im Laufe der Zeit 35 Tiere an die Wölfe verloren hat. Trotz zweifacher Umzäunung, Elektrozäune inbegriffen, sagte sie: „Von Mai bis September schlafe ich nachts nicht. Ich habe Hunde, die bellen, wenn der Wolf kommt und ich fühle mich nie sicher. War der Wolf da, sind die Schafe sehr verängstigt und fressen drei Tage lang nicht mehr. Es ist furchtbar.“
Naturschützer zählen zwar vor, dass nur 300 Schafe pro Jahr von Wölfen gerissen werden und der Staat überdies den Schaden bezahlt, aber diese Argumentation zieht bei den Tierzüchtern in Schweden ebenso wenig, wie in anderen Ländern, denn Geld wiegt das erhebliche Mehr an Arbeit, Stress und indirekten Schäden durch Fehlgeburten uvm. eben nicht auf.
Im Winter 2014/2015 erreichte die schwedische Wolfspopulation ihren bisherigen Höchststand von ca. 415 Tieren.
Der Januar 2016 sah eine Reduzierung der ursprünglich geplanten Abschussquote von 46 auf nur 14 Tiere, nachdem drei Regionalgerichte für und die übrigen gegen ein zeitwiliges Verbot der Wolfsjagd gestimmt hatten.
Im Winter 2016/2017 war der Bestand, nach den legalen Entnahmen, jedenfalls wieder auf 350 Individuen gesunken.
Infolge der Klagen durch NGOs auch in Brüssel ermahnte die EU Kommission Schweden erneut, den Schutz des Wolfes zu respektieren und durchzusetzen.
Zumindest ein Teil der Bevölkerung hat freilich mehr Sympathie für einen anderen Schutzbedürftigen: im November 2016 hielt man in zahlreichen Städten Schwedens und Norwegens Kerzen beschienene Mahnwachen für von Wölfen getötete Hunde ab. Eine Art abendlicher Demonstrationsmärsche fand in den Städten Torsby, Ockelbo, Uppsala, Mora, Jönköping und Nora statt und man gedachte in einer Schweigeminute der toten Jagd- und Familienhunde.
Skandinavier sind passionierte Jäger und nehmen den Tod ihres vierbeinigen Gefährten nicht klaglos hin. |
Im Dezember 2016 urteilte das Oberste Verwaltungsgericht von Schweden, dass im Sinne der Arterhaltung eine Mindestanzahl von 300 Wölfen vorhanden sein müsse, erlaubte aber erneut die Entnahme von 24 Wölfen in festgelegten Gebieten. 22 dieser Tiere konnten, auch auf Grund guter Schneeverhältnisse, innerhalb einer einzigen Januarwoche des neuen Jahrs geschossen werden. Nach Meinung des Herausgebers der Jagdzeitschrift Svensk Jakt auch ein Hinweis darauf, dass es in den bejagten Zonen genügend Wölfe gab.
Im Sommer 2018 hatten erstmals die Wolfsschützer einen kleinen Grund zur Freude, denn angesichts einer Populationsstärke von 305 Individuen, erklärte die Umweltschutzbehörde, dass es im kommenden Winter keine Lizenzen für die Wolfsjagd geben würde. Davon nicht betroffen blieb allerdings die sog. „Schutzjagd , die von regionalen Behörden erlaubt werden kann, um Nutztiere vor Wolfsattacken zu schützen.
Auf die Frage, warum die Wölfe in Schweden in den letzten Jahren zahlenmäßig stärker abgenommen haben als erwartet, gibt es unterschiedliche Antworten. Nach Meinung der Umweltschutzbehörde wird in bestimmten Regionen viel gewildert; die Schwedische Jägervereinigung hingegen sieht die Abwanderung von Wölfen nach Norwegen zumindest als einen Grund.
Die neueste Bestandsaufnahme wurde zwischen Oktober 2018 und März 2019 durchgeführt und zeigte keine quantitative Zunahme gegenüber dem Vorjahr, das heisst die etwa 300 schwedischen Wölfe dürfen auch im nächsten Winter nicht bejagt werden.
Übrigens hat die Universität Uppsala im April bestätigt, dass nach den durchgeführten Genuntersuchungen die Reinheit der Wölfe erwiesen ist und es sich nicht, wie bisweilen vermutet, um Wolf-Hund Hybriden handelt. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass Wölfe in Schweden nie ganz ausgestorben waren. „Die Forschung zeigt, dass die skandinavische Wolfspopulation regionalen Ursprungs ist. Es könnte sich um Wölfe handeln, die aus Nordeuropa eingewandert sind oder einfach um übrig geblieben Wölfe der selben Gruppe, die früher in ganz Skandinavien weit verbreitet war.“
Allerdings gibt es offenbar auch in Schweden das Problem der gezielten Wolf-Hund-Mischlingszuchten, gegen die die Polizei im Frühjahr 2019 ermittelte. Ähnlich wie in Italien und Finnland dürfte es schwer sein, zweifellos zu klären, ob die Hybriden nur für „Wolfshund Liebhaber“ produziert werden, oder ob es auch – gezielt oder zufällig – zu Auswilderungen kommt. |