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Den Wölfen im Oltrepo Pavese
(nördlicher Apennin) auf der Spur


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Welpensterblichkeit
Von Sabine Middelhaufe

Allem Anschein nach ist es dem Rudel 2024 also nicht gelungen, einen Wurf aufzuziehen oder zumindest nicht bis zu einem Alter, in dem die Kleinen ihren Eltern auf den Streifzügen folgen.
Angesichts der hohen Welpensterblichkeit ist das kaum verwunderlich. Erinnern wir uns an den ersten Wurf: am 7.10.2021 um kurz nach 20 Uhr liefen Greyston und Luna zum ersten Mal mit ihren vier Welpen an einer Kamera vorbei; gegen 22 Uhr kehrten nur drei Welpen auf dem selben Weg zurück. Der vierte Welpe blieb für immer verschwunden. Von den verbliebenen Jungwölfen zeigte einer schon sehr bald deutlich wenig Interesse, mit der Gruppe zu laufen und zog vermutlich auf eigene Faust durch andere Teile des Territoriums. Ende März 2022 wurde er ausnahmsweise und das letzte Mal im Rudel gefilmt. Zu diesem Zeitpunkt war er rund 10 Monate alt; zu jung, um schon auf Partnersuche zu gehen. Gewiss ist nur, dass er nie wieder von Fotofallen erfasst wurde; dank seines wesentlich helleren Fells wäre er nämlich von seinen Geschwistern gut unterscheidbar gewesen.
    Am 8. August 2022 wurde Bodie beim Ausflug mit seinen Eltern erstmals gesehen. Er war etwa zwölf Wochen alt und der einzige Überlebende des Wurfes, wenn man davon ausgeht, dass es ursprünglich mehrere Welpen gegeben hatte. Gut zwei Monate später wurde er das letzte Mal gesichtet. Fiel er einer Gewehrkugel zum Opfer? Einer Krankheit? Einem Giftköder? Einem Auto? Einer Fangschlinge? Wir wissen es nicht. Ebenso wenig, was in den ersten Januartagen 2024 mit zweien der fünf Jungwölfe des Vorjahres geschah.
Vielleicht ereilte sie das gleiche Schicksal, wie den Jungwolf im angrenzenden Territorium: er wurde totgefahren.

Toter Jungwolf im Territorium des Nachbarrudels.

Die Erwartung, dass die neunköpfige Familie sich häufig zusammen zeigen und das Rudel mit dem neuen Nachwuchs dann eine beachtliche Größe annehmen würde, bestätigte sich also keineswegs. Ich bin recht sicher, dass Alex und Alice auf den Videos des 2. Halbjahres 2024 nicht mehr präsent sind, was freilich nicht verwundert, immerhin vollendeten sie im Mai 2024 ihr drittes Lebensjahr; Zeit, sich ein eigenes Revier zu suchen. Fazit: Greyston und Luna beendeten das Jahr 2024 in Gesellschaft von drei Sprößlingen. Bleibt abzuwarten, ob sie Ende des Winters abwandern oder noch bei ihren Eltern bleiben.

Was könnte Greyston und Luna bewogen haben, nach drei Jahren die Zone für die Wurfhöhle und Aufzucht ihrer Nachkommen zu wechseln? Zwei mögliche Erklärungen bieten sich an: Wegen der immer noch grassierenden Afrikanischen Schweinepest in unserer Gegend, erhielten die Jäger 2024 die Erlaubnis, nicht nur außerhalb der regulären Saison zu jagen, sondern sogar mit Nachtsichtgeräten bei Dunkelheit. Die relativ häufige Anwesenheit von Geländewagen, Menschen und Schüssen bei Nacht schuf für das Wild sicherlich eine Menge Stress. Gut denkbar, dass sich die veränderten Bedingungen auch auf das Verhalten der Wölfe auswirkte.

Eine weitere Ursache könnte die generelle Abnahme von Rehwild und Sauen sein. Nicht nur die Fotofallen belegen den Rückgang, sondern auch die direkte Beobachtung. Noch vor vier, fünf Jahren sah man  auf den Heuwiesen um unser und die benachbarten Weiler den ganzen Winter über große Gruppen von Rehwild, zehn, fünfzehn Köpfe stark, die auch gern in die Gemüsegärten eindrangen, um die diversen Kohlsorten anzuknabbern. Schon im Winter 2023-24 hatte man Glück, mal eine Ricke mit ihren Jungen zu ertappen; vielleicht trat auch noch ein einzelner Bock aus den Büschen hervor, aber mehr ließ sich nicht entdecken. Zwischen Frühjahr und Herbst 2024 glänzten die Rehe dann mit fast völliger Abwesenheit und per Ende Dezember äste nur noch ein Reh auf unseren Wiesen und das sehr sporadisch.
Ähnlich die Situation des Schwarzwildes. In den Vorjahren lieferten die Fotofallen unzählige Videos von mehreren Sauen die gemeinsam mit ihren bisweilen fünfunddreißig bis vierzig Frischlingen der Wege kamen. Stattliche Eber und Grüppchen von Überläufern wanderten zu den Suhlen jenseits der Kameras. Wildschweine besuchten die Bachsenken in unseren Wiesen und drangen in die (umzäunten) Kartoffeläcker ein. 2024 hat nur eine einzige Falle die Präsenz von Schwarzwild in Gestalt eines Ebers dokumentiert, vier Mal im Verlauf eines ganzen Jahres.
  Hasen, die die Jagdsaison überlebt hatten, tummelten sich früher allein oder paarweise in den jagdfreien Monaten Dezember – September so häufig vor fast allen Fotofallen, dass sie die Speicherkarten fleißig füllten. 2024 geschah das nicht mehr.

Nun könnte man argumentieren, dass die Schweinepest ihre Opfer unter den Schwarzkitteln gefunden hat und die Wölfe (und Jäger) die Reh- und Hasenbestände dezimiert haben.
Mag sein, nur erklärt das nicht die drastische Abnahme von Dachsen und Stachelschweinen an Standorten, wo sie früher jede Nacht auftauchten und die Fotofallen ebenfalls mit Videos überluden. Wölfe (und Jäger) fressen weder Meister Grimbart noch die urigen Stacheltiere.
Und wo sind die großen Starenschwärme geblieben, die Schwalben und Mauersegler, die alljährlich in unseren Dörfern Halt machten? Noch vor wenigen Jahren hörte man Anfang April die ersten Kuckucksrufe und bald darauf schallten sie überall an Wiesenrändern und im Wald. 2024 habe ich nur einen einzigen Kuckuck gehört. Dass der Morgengesang der Vögel im Frühjahr und Sommer erheblich dünner ausfällt, weil etliche Arten inzwischen fehlen, ist auch kein gutes Omen. Dabei werden unsere Heuwiesen nicht gedüngt, die Bäche sind recht sauber, es gibt keine großflächigen Rodungen, da die Waldbesitzer nur regelmäßig ein paar Bäume als Feuerholz für den heimischen Ofen fällen, Industrie gibt es in den Bergen natürlich auch nicht und von der Luftverschmutzung aus der Poebene bleiben wir zum Glück weitestgehend verschont. Die Ursache des Problems dürfte also eher anderswo zu suchen sein.

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Bestätigte Rudel in der Nachbarschaft

2024 bekam ich die Möglichkeit, die vorjährigen Videos aus anderen vermeintlichen Wolfsterritorien in der Nachbarschaft auszuwerten und das brachte einige interessante Erkenntnisse.

Die Entfernung zwischen den drei Wolfsterritorien ist – in Luftlinie gemessen – erstaunlich gering.

Zunächst einmal hat sich meine 2023 geäußerte Vermutung, einige Mitglieder des Luna-Greyston Rudels seien auf dem Kamm des Monte Alpe, den sie ja erwiesenermaßen frequentieren, einfach nordwärts gewandert und dann in der Nähe des Dörfchens Pietragavina in eine Fotofalle getappt, als falsch erwiesen. Um den kleinen, in Luftlinie nur 3,5 km entfernten Ort lebte zu diesem Zeitpunkt  tatsächlich ein vierköpfiges Rudel, bestehend aus dem Elternpaar und zwei Jungtieren.
Da die Familie von den Studenten der Uni nur für die übliche kurze Periode beobachtet wurde, haben wir keinerlei Hinweise über die Größe des Reviers und dessen Zentrum. Betrachtet man allerdings die hypothetische Grenzlinie, die sich aus der gesicherten Präsenz des Luna Rudels an bestimmten Orten ergibt, wäre es nicht unlogisch anzunehmen, dass das Territorium des Pietragavina Rudels sich Richtung Nord-West erstreckt.

Über die Größe und genaue Ausbreitung der Territorien gibt es nach wie vor wenige Informationen.

    Nicht minder aufschlussreich war der Beweis, dass das siebenköpfige Rudel, das schon nahe unseres Marktstädtchens Varzi gesehen worden war, im Frühjahr regelmäßig an einem Standort wesentlich weiter westlich angetroffen wurde. Das könnte auf das Zentrum des Territoriums mit den Wurfhöhlen in dieser Zone hindeuten. Wie immer müssen das Spekulationen bleiben, da die Untersuchungen der Universität Pavia die Klärung solch wichtiger Fragen nicht einbeziehen.

Oben und unten: zuerst markiert der Altrüde des Pietragavina Rudels, dann hebt die Fähe das Bein.


Gibt es eine Art Niemandsland in den Grenzgebieten der Rudel oder stoßen die Grenzen und damit auch die Rudel selbst aufeinander, was das Verschwinden von Jungtieren erklären würde, denn Territorialkämpfe sind bitterernste Auseinandersetzungen, bei denen es Tote und Verletzte gibt. Andererseits bestünde die Möglichkeit, dass so nahe beieinander lebende Rudel durchaus miteinander verwandt sind. Das heißt zwar nicht, dass man sich in der Großfamilie sonntags zum fröhlichen Brunch trifft, könnte aber bei unerwarteten Zusammentreffen im Grenzgebiet zu einer gewissen gegenseitigen Duldung führen.

Oben:das Elternpaar des Galeotti Rudels während der kurzen Paarungszeit.
Unten: dem Altrüden folgt der Rest des Rudels.

Oben und unten: zum Rudel gehören zwei sehr dunkle Individuen.

 

Text und Fotos (c) Sabine Middelhaufe, 2025

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