Der lange Weg zum leinenlosen Glück (Teil 3)
von Tanja Winkler
20.05.2006
Unsere Übungsfächer
Vertrauen und Sicherheit. Wörter die mir nun unheimlich
viel bedeuten, denn ich habe seit vorgestern dieses Gefühl
wenn ich mit Brandy draußen unterwegs bin. Natürlich
passe ich genauso auf wie vorher, aber ich kann sie nun auch mental
loslassen, ihr die nötige Freiheit geben ohne dieses ständige
"was ist wenn ". Ich fühle mich jetzt wohl und
"sicher" im Umgang mit meinem Hund. Bisher hatte ich
immer noch diesen letzten Zweifel, der meine Gedanken und das
Zusammenspiel mit Brandy vergiftete. Dieses neue ist einfach ein
tolles Gefühl, und ich habe solange darauf gewartet. Ganz
ehrlich - hab nie geglaubt wirklich an diesem Punkt anzukommen.
Ich hatte mich arrangiert mit unserer Situation und stand beim
Freilauf (obwohl sie relativ gut hörte) ständig unter
Adrenalin. Ganz klar, der Kurs bei "meinen Jägern"
ist kein Zuckerschlecken, darauf sollte man sich einstellen bevor
man beginnt. Es wird durchaus "drillmäßig"
im großen Kreis gearbeit-et, es wird dann aber aufgelockert
durch verschiedene Einzelübungen für die jeweiligen
Teams. Der Umgang mit den Hunden ist streng (sollte bei einigen
Führern auch der Fall sein!!!), konsequent aber auch fair.
(Bis auf einen Teilnehmer in meiner Gruppe, grrrr.)
Wir üben immer wieder in Einzel- und Gruppenarbeit folgende
Fächer:
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- Leinenführigkeit
- Folgen frei bei Fuß
- Sitz mit Umkreisen
- Hereinkommen
- Down
- Ablegen
- Hinauslaufen
- Sozialverträglichkeit unter den Hunden in Zusammenspiel
mit den ganzen Übungen.
Diese Grundübungen werden in ständig wechselnden Situationen
durchgeübt und auf korrekte Ausführung geachtet.
Hört
sich ganz leicht an... ist es aber nicht wenn man mit anderen
Hunden und unter strengen
Augen lernt. Z.B. bildeten wir gestern einen großen Kreis,
Kursleiter in der Mitte, auf Kommando Fuß bewegen sich alle
sternförmig zum Leiter....immer enger, bis wirklich kein
Platz mehr frei war. Die Hunde mußten diese Situation lernen
und aushalten...was wirklich ohne Aggression von statten ging. |
Dazwischen gab es immer Platz, Sitz und Downübungen solange
bis wir beim Leiter ankamen. Es wird auch mit Joggern und Fahrradfahrern
geübt, verschiedenen Geräuschen, Plastiktüten etc. Übersteigen und Händeklatschen von fremden Personen
beim Down. Ablage, Sitz und Down üben wir auch mit Verschwinden des
Führers in den Wald.
Da stehen immer noch sehr viele Hund
auf. Brandy hat sich gestern zweimal einfach wieder hingelegt,
anscheinend war mein Sitz und bleib nicht deutlich genug. Ebenso
hatten wir Probleme beim Abrufen: aus dem Sitz mussten wir die
Hunde kreuz und quer abrufen. Frau Hund hatte entweder keinen
Bock oder sie war geistig abwesend; leider kam sie immer erst
als ich mich in den Wald verabschiedete. Wobei ich genau weiß,
dass es draußen mit ihr wunderbar funktioniert. Es ist diese
Situation am Platz, wo sie manche Übungen noch nicht korrekt
und sofort ausführt. Aber sie wird immer lockerer, darauf
haben mich gestern sogar zwei Zuschauer angesprochen. Karl, ein
Teilnehmer und Jäger meint immer: "Das ist doch nicht schlimm,
wenn es hier mal nicht läuft, Hauptsache es klappt im Alltag
mit Deinem Hund. Also sieh das Ganze nicht so eng, wenn etwas
nicht immer richtig sitzt. Übung und Konsequenz, und der
Hund stellt sich allmählich darauf ein."
27.05.2006
Vorbereitung auf die Abschlußprüfung
Der
gestrige Kurstag war mit dem besten Regenwetter ausgestattet.
Ordentlich eingepackt in meinen herrlich schweinchenrosa Gummistiefeln
und quietschgelbem Friesennerz, hatte ich das perfekte Regenoutfit.
Bei Mistwetter trennt sich die Spreu vom Weizen. Es fehlten gut
die Hälfte der Kursteilnehmer, die meisten waren Jägersleut
und mußten eifrig Spott über sich ergehen lassen. Denen
haben die Ohren bestimmt geklingelt. Jürgen meinte, das sei
wieder typisch, die Begleithunde wären da und die Jäger
"haben frei". Um so besser für unsere Gruppe; es
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fehlten 3 Hunde, weshalb
wir einzeln die Übungen intensiver absolvieren konnten.
Jeder hat einmal komplett die Prüfung durchgearbeitet:
-
Leinenführigkeit durch Parcours
- Folgen frei bei Fuß
- Sitz mit mehrfachem Umkreisen durch Führer,
und abrufen durch Doppelpfiff oder Wortlaut (mit Leine...wird
gezupft und aufgehoben, Hund darf nicht dabei aufstehen )
- Abrufen aus Entfernung
- Ablage und entfernen in den Wald...fremde Personen laufen
an Hund mit diversen Objekten
- Down aus der Bewegung an der Feldleine (die Leine wird aufgehoben
und daran rumgezupft, Hund darf sich nicht rühren)
- Down aus Entfernung an der Feldleine (gleiches Spiel mit
Führleine)
- Umweltreize: Jogger, Fahrrad, diverse Gegenstände des
Alltags.
Brandy hat prima mitgemacht, allerdings hätte sie sich beim
Abrufen ruhig etwas schneller bewegen dürfen
!
Folgen
frei bei Fuß, geht so. Sie läuft zwar Fuß aber
leider noch etwas weit hinter mir (in Erwartung eines Downs)
da
muss ich noch einen Weg finden
sie freudiger zu bekommen.
Pitschenaß waren die Hunde und mussten teilweise sehr lange
im Regen abliegen, aber es war warm und angenehm. Dennoch hat
sie am Schluss ein bisschen gezittert, aber da waren es noch 5
Minuten. Wir haben dann noch mal alle im großen Kreis sämtliche
Übungen
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durchgearbeitet, während die Jäger ihre
Schuss- und Pirschübungen machten. Das findet Frau Hund immer
klasse!
Naß, müde und zufrieden sind wir nach 2 Stunden wirklich
intensiven Trainings, ab nach Hause....aufs Sofa und Brandy unter
meine Decke. Sie hat tief und fest geschlafen bis heute früh
um 9.30 Uhr!
03.06.2006
Probleme mit dem Bei Fuß Gehen
Noch
zwei Kurstage, dann ist es vorbei. Hat mir so gut gefallen, obwohl
es eine Umstellung für Mensch und Hund war. Lernen tun wir
nichts Neues mehr, es werden immer wieder die Übungen durchgearbeit-et
und korrigiert falls nötig.
Gestern haben wir noch für 3 Minuten Ablage bei den Schußübungen
gemacht. Sind alle in den Wald verschwunden, während die
Hunde allein auf der Wiese lagen.
Brandy war völlig "fertig", im positiven Sinne,
sie hat vor Anspannung total gezittert, blieb liegen, wollte allerdings
beim Abholen sofort los um zu sehen wo die Schüsse herkamen.
Nicht zu verwechseln mit Fluchtgedanken; eindeutig erkennbar.
(Auch von Jürgen erkannt.) Sie hat auch die ganze Zeit in
die Luft geschaut. Kommt wohl was vom Himmel gefallen??
Leider haben wir momentan große Probleme mit dem Folgen
"frei bei Fuß". Kurze Strecke geht ganz gut, doch
dann läuft sie ducksig hinter mir her. Das klappt einfach
nicht, und ich stecke fest; kein freudiges Fuß möglich;
Hund immer in Erwartungshaltung "Kommt ein Kommando?"
Bin ratlos. Leckerli interessiert sie nicht die Bohne. Hier hat
sich eine "Fehlverknüpfung" in Brandy´s Kopf
eingeschlichen: beim Üben aus dem Laufen heraus hab ich Down
gefordert, jetzt hab ich den Salat. Andere Hunde sind da völlig
ok. Und Down muss und soll ja aus jeder Situation heraus funktionieren.
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03.06.2006
Die Feuertaufe
Mir
wackeln immer noch die Knie. Meine größte Angstsituation
ist gerade eingetreten: ein Hase direkt vor unserer Nase (ca.
10m) auf der abgemähten Wiese. Ich war gerade so in Gedanken
und bin richtig erschrocken als ich ihn sah...und schon rennt
er uns quer vor die Nase, schlägt Haken und rennt den Berg
runter, an den Bach und der Straße entlang. Brandy sieht
ihn, wächst um einige Zentimeter, setzt sich selbständig
hin und ich hab sie trotzdem gleich noch ins Down getrillert.
Sie ließ sich aus dem Down heraus abrufen, ich bin bewusst
ohne Leine weiter... Sie
hat noch die Spur geschnüffelt, blieb aber ansprechbar und
in meiner direkten Nähe! Was kann schöner sein, als
seinem Hund nun endgültig zu vertrauen und die nötige
Freiheit zu geben! |
Gestern zwischen den Übungen beim Kurs saß ich mit
ihr auf dem Boden und sie legte sich wie üblich zwischen
meine Beine und ihren Kopf in meinen Schoß.....doch das
Besondere hierbei: sie hat am Platz in dieser Lage genüsslich
geschlafen. "Man kann wirklich sehen, dass sie total an Dir
hängt" dieser Kommentar kam von vielen Seiten am gestrigen
Kurstag.
25.06.2006 Die Tücken des bei Fuß Gehens
Am
Freitag hatten wir nach 2 Wochen Pause wieder Kurs. Nicht nur
Frau Hund hatte Probleme, auch andere Vierbeiner hatten scheinbar
einen schlechten Tag. Es war einer dieser Tage wo fast alles schief lief... Was hab ich mich geärgert...nun ja, dafür
lief heute früh eine freiwillige Prüfungsvorbereitung
und die hat wunderbar funktioniert.
Unser Schwachpunkt ist und bleibt das folgen frei bei Fuß
über 50 Meter auf dem Dressurgelände. Meine Güte
- immer eine Hundelänge hinter mir. Grrrrrr. Es war nicht
perfekt, aber auch nicht so ganz schlecht. Ich beantrage diesen
Prüfungspunkt auf dem Waldweg, da klappt es für unsere
Verhältnisse echt super! Ich weiß auch woran das liegt:
wir haben auch Down aus der Bewegung an der Führleine gemacht,
und da verknüpft sie diese Übung im Dressurgelände
mit dem Down, erwartet oft ein Kommando wo keines kommt. Außerhalb
ist es viel einfacher sie zum Fuß zu bringen. Nicht perfekt,
aber ich schaffe es sie bei mir zu halten, so dass es ordentlich
aussieht.
30.06.2006
Generalprobe
So,
heute war unser letzter offizieller Kurstag vor der Prüfung.
Die komplette Prüfung wurde durchgearbeitet mit Punktevergabe.
Folgen frei bei Fuß und Leinenführigkeit durch Hindernisse
/ Personen klappte heute super! Volle Punktzahl dafür!
Insgesamt konnten wir 79 von 80 erreichen, wobei mich dieser
eine Minuspunkt ärgert: Frau Hund hat im Sitz angefangen
zu grasen und sich dann einfach dazu hingelegt. Was lernt man
daraus? Such Dir einen Platz wo kein frisches Grün sprießt!
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09.07.2006
Prüfungstag und Lampenfieber
Es
ist gleich soweit. Heute ist unser großer Tag. Ich war
schon 100mal auf dem Klo. Komisch...Lampenfieber, Aufregung
und Prüfungsangst verliert man sein Leben lang nicht.
Hier ist es schwül und neblig, werde Frau Hund jetzt wecken,
Gassi gehen und auf zur Abschlußprüfung! Wir schaffen
das !!
17.07.2006
Wir haben den 1. Preis mit 79 von 80 Punkten gemacht!
Nun
ist Montag der 17. Juli 2006, und uns hat der Kurs bei den Jägern die Freiheit geschenkt! Prüfung super bestanden. Bin ich stolz
auf Brandy! Bin ich glücklich!
Es war eine Umstellung, ich hatte hart zu kämpfen, es flossen
Tränen und mein Hund beäugte mich lange Zeit wie die
Pest persönlich. Doch ich hielt durch, wurde immer wieder ermutigt,
und die Jäger behielten Recht. Ihre Ausbildungsweise ist zwar
etwas härter und strenger, aber der Erfolg bleibt nicht
aus. Zwang - was ist schon ein bisschen befristeter Zwang im
Vergleich
zu einem Leben ohne Freiheit, ohne den Wind in den Ohren? Jetzt
hab ich einen zufriedenen, ausgeglichenen Hund, den ich stoppen
kann wenn es brenzlig wird.
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Ein Tier, dem ich ein Stück mehr Lebensqualität biete,
weil es gelernt hat, wo seine Grenzen sind und Frauchen weiß,
wie sie nun führen muss. Ich fühle mich wohl und gelassen,
genieße die Zeit mit Brandy, es macht richtig Spaß mit
ihr zu arbeiten. Wissend um einen gefestigten Gehorsam! Ich kann
nun an-knüpfen und schwimme nicht mehr gegen den Strom. Wir
hatten einfach Glück, die passenden Ausbilder,
Hundeleute vom "alten Schlag", die uns jederzeit unterstützt
haben. Schluss mit den Vorurteilen!
Ich konnte die Hundeausbilder der Kreisjägerschaft Bamberg
als liebevol-le, hundeverrückte sowie konsequente Truppe
kennenlernen. Ich habe gute Erfahrungen gemacht und wünsche
mir, dass zumindest einige Hundehalter ihre Vorurteile ablegen
und sich evtl. eines Tages selbst ein Bild von den Jägern
machen.
Ich jedenfalls sage Herzlichen Dank und allzeit Waidmannsheil! |
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