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Der lange Weg zum leinenlosen Glück (4)


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Der lange Weg zum leinenlosen Glück (Teil 4)
von Tanja Winkler

Umdenken, begreifen und umsetzen!
Erst als ich mit und nicht gegen die genetisch bedingten Fähigkeiten meines Hundes zu arbeiten begann, wurde so nach und nach ein Team aus uns. Den hier beschriebenen Dressurlehrgang bei der Bamberger Kreisjägerschaft gab vor allem mir die nötige Sicherheit. Obwohl ich Brandy nicht jagdlich führe, bemühe ich mich seither konsequent, sie bei jedem Ausflug in die Natur mit Ersatzaufgaben zu beschäftigen. Sie liebt es z.B. sich ihr Futter zu erarbeiten. Wir verstecken es also, legen Fährten und arbeiten nebenbei immer wieder am Gehorsam. Z.B. so:

Denksportaufgaben wie befüllte Flaschen, Kartons zum öffnen, Futter unter Blumentöpfen, Futter auf Äste legen, kleinen Sträucher bespicken, Futterbeutel oder Würstchenwasser zum Fährtenziehen... Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Gehorsam: Wir haben hier viele Karnickelwiesen. Dorthin gehe ich gezielt mit Brandy und übe Fuß, Sitz, Platz, Down, Abrufen.
Gleiches gilt für den Main. Wir wohnen hier am Fluss, Wasservögel sind Brandys größtes Steckenpferd. Für Enten würde sie kilometerweit schwimmen oder auf der Luftmatratze sitzen....!
Am Ufer üben wir Sitz und Platz. Manchmal entferne ich mich dabei ins Gebüsch, und korrigiere sie ggf.
Oder: Hund ins Wasser schicken, schwimmen lassen und aus der Situation abrufen. Für "Anfänger" bitte mit Feldleine.
Auch an unserem Kiessee/Froschteich aus der Froschjagd heraus abrufen. Immer wieder üben, üben und LOBEN!!!
Ich achte darauf dass sie nicht in zugewachsene Regionen gerät. Nur die freie Uferzone, die durch den
Kiesabbau ständig verändert wird ist erlaubt. Besonders wichtig war für Brandy ihre Vorsteheigenschaft einsetzen zu dürfen. Wir verlassen dabei niemals die offiziellen Wege, bei uns gibt es so einige Rebhühner, Hasen und Fasane die direkt am Wegrand sitzen. Sie steht zuverlässig vor, was ein riesiger Vorteil ist. Darauf hin kann ich sie "abtragen". Zur Belohnung darf sie Futter suchen.
So kommt es zumindest bei meinem Hund zu keinem Frustverhalten. Als ich früher das Vorstehen unterbunden habe (dumm und unwissend), drehte sie auf dem Weg zum Auto ab, ließ mich ungläubig zurück. Getreu der Devise: "Gehst Du nicht mit mir "jagen" tu ich es eben allein."
Sie rannte in eine ungemähte Wiese und machte einige Rebhühner hoch. Da habe ich begriffen!
Obwohl Nichtjägerin, habe ich mir die genetischen Anlagen meines Hundes allmählich zu Nutze gemacht. Seit sie vorstehen darf ist die Welt für sie in Ordnung. Dazu ein beispielhaftes Erlebnis: Ich laufe voraus, Hügel rauf, dreh mich um: kein Hund. Doppelpfiff ...kein Hund. Erneut... kein Hund. Zweifel keimen auf: "Sie wird doch wohl nicht...?" Ich renne zurück. Mein Mädchen steht festgewurzelt vor einem Gebüsch mit Fasanen. Also, egal wie weit der Hund weg ist, ich hole sie stets ab und lobe. Resultat: Sie springt nicht mehr ein. Ist allerdings auch nur
durch ständiges
Üben zu erreichen. Nichts für einen Runde-um-den-Block Gassigänger. Übrigens, mein Nachbar ist der hiesige Jagdpächter und er weiß dass wir nichts "Verbotenes" tun.
Wenn wir in den Wald joggen gehen, baue ich auch immer wieder Übungseinheiten ein. Fuß, dann wieder voran schicken, langsam, dableiben (nicht weiter als 10 m), Sitz aus dem Laufen heraus. Ich gehe weiter, rufe sie etwa 100 m weiter ab. Ablage unter Hochsitzen (dort sitze ich gerne und denke....) Sitz oder "Kunststückchen" auf dicken Baumstämmen einflechten etc. etc.
Den Spaßfaktor bitte nicht vergessen. D.h. den Hund zwischendrin auch mal was Leckeres suchen lassen. Kurz und gut, man sollte immer wieder mit allen Reizen arbeiten.
Mir geht das Herz auf wenn ich zurückblicke, auf all die Probleme und Ängste, die harte Arbeit, die reichlich geflossenen Tränen. Beim Jägerkurs durchzuhalten hat sich gelohnt. Mit Liebe, Geduld und den nötigen Grenzen ist unsere Hündin eine angenehme Begleiterin geworden. Ein kleines Zicklein ist und bleibt sie manchmal, aber das sei ihr verziehen.
Bisweilen hat sie noch Anflüge von Angst. Bis heute geht sie nicht in
enge Räume, gewisse Männertypen bereiten ihr Unbehagen etc.
Oft werden wir von Fremden auf Brandy angesprochen. Ich bin dabei stets bereit, die Fragenden über die Rasseeigenschaften des Englischen Setters aufzuklären, und den Jagdtrieb hebe ich besonders hervor, um evtl. "Schönheitskäufer" abzuschrecken. Wer nicht zu 100% bereit ist, sein Leben mit einem Vollblutjäger zu teilen wird kläglich scheitern.

Arbeitshunde, egal welcher Rasse, sind sehr zeitintensiv, und man muss immer mit allen Sinnen anwesend sein. Jagdhunde sind anders als Schäferhunde, Boxer usw., nur wer dies erkennt und einen Weg findet, diese Hunde alternativ oder jagdlich arbeiten zu lassen, wird viel Freude mit ihnen haben.
Brandy ist meine große Leidenschaft geworden, und ich bin sehr dankbar mit ihr jeden Tag neu zu lernen. Sie zeigt mir immer wieder Dinge, an denen ich früher achtlos vorbei gelaufen wäre. Unsere Streifzüge durch die Natur sind Balsam für meine Seele. Oft sitzen wir auf einem Baumstamm und hören der Natur zu, oder genießen die Stille des Waldes. Ich nenne es Akkus laden. Energie tanken für den hektischen Alltag.

 


Alle Fotos: Winkler

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