Wenn einheimische Jagdgebrauchshunde ins Ausland gehen...(1)
Von Sabine Middelhaufe
Jede Jagdgebrauchshunderasse entstand auf Grund jagdlicher Notwendigkeiten, Besonderheiten des Territoriums und sicher auch der Jagdtraditionen ihres Ursprungslandes mit einer genau bestimmten Funktion, die sich in der äusseren Erscheinung der einzelnen Rasse, ihren jagdlichen Fähigkeiten und ihrem Wesen ausdrückt.
So entstanden hochspezialisierte Hunde wie etwa der Pointer oder der Hannoversche Schweisshund, oder Allrounder wie der Deutsch Drahthaar und der Vizsla.
Die Mobilität des Menschen, beginnend in der zweiten Häfte des 20. Jh., und der extrem vereinfachte Informationsaustausch durch Personal Computer und Internet haben sicher dazu beigetragen, dass Hunderassen nicht nur überall auf dem Globus bekannt wurden, sondern auch in fremde Länder gelangten, die nicht zwangsläufig dieselben jagdlichen Möglichkeiten und Traditionen aufweisen wie die Heimat der jeweiligen Rasse.
Das hat natürlich Konsequenzen. Denn wenn man beispielsweise einen Drahthaar in Italien als reinen Feldspezialisten einsetzt, wird das seinen Anlagen vielleicht ebenso wenig gerecht, wie wenn man einen Bracco Italiano in Deutschland zum Allrounder umfunktioniert.
Die Frage stellt sich also: wie sollte eine Jagdgebrauchshunderasse im Ausland geführt und gezüchtet werden? Und ist es legitim, sie den Anforderungen ihrer neuen Heimat anzupassen?
Hier die Meinungen von Hunde führenden Jägern, Züchtern und Prüfungsrichtern aus dem In- und Ausland. |
Bracco Italiano in Ungarn. Foto: Gabor Essösy
Titelfoto: Alpenländische Dachsbracke. Foto: Sabine Middelhaufe
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1. Sollte, ganz allegemein gefragt, eine Jagdgebrauchshunderasse im Ausland im identischen Aufgabenbereich eingesetzt werden wie in ihrem Ursprungsland, oder wäre es legitim, vielleicht sogar sinnvoll, sie hinsichtlich ihrer konkreten Funktion den Anforderungen in ihrer neuen Heimat anzupassen?
- Gabor Essösy (Prüfungsrichter für Vorstehhunde, züchtet und führt Vizsla und Bracco Italiano in Ungarn):
In Ländern, in denen ein Jagdgebrauchshund nur mit einer bestandenen Prüfung als Jagdhund arbeiten darf, ist die Antwort selbstverständlich: Wenn der Vertreter dieser Rasse die in der Prüfung gestellten Aufgaben erfüllen kann, ist er für die Jagd in seiner neuen Heimat auch geeignet. (So ein Hund braucht in der Regel mehr Zeit- und Arbeitsaufwand.) Wenn das gegebene Land hingegen keine solchen Regelungen und Prüfungen hat, dann ist es der Hundeführer, sowie seine Jagdfreunde und die Jagdgesellschaft, die in kurzer Zeit entscheiden können, ob die Anwesenheit des Hundes bei der Jagd nützlich ist oder nicht.
- Antonio Casamassima (züchtet und führt Bracco Italiano in Italien):
Da eine Rasse eine solche ist, eben weil sie rein gezüchtet wird, sollte sie auch im Ausland für die selben Aufgaben verwendet werden, für die sie geschaffen ist und im Urpsrungsland eingesetzt wird.
- Christian Herb (Prüfungsrichter für Laufhunde, führt/e Ariégeois und Schwyzer Laufhund in Deutschland):
Generell sind natürlich viele Rassen flexibler als man zunächst annimmt. Trotzdem sind durch die Anlagen eines Hundes bestimmte Grenzen gesteckt. Idealerweise setzt man die „Ausländer“ wie im Mutterland ein. Verlangt man mehr, müssen Abstriche bei der Leistung und beim Einsatz gemacht werden. So ist z.B. der Bracco kein Hund fürs Entenwasser bei winterlichen Verhältnissen. Laufhunde sind auf Schweiß einsetzbar, kleben aber nicht so „Schritt für Schritt“ auf der Fährte wie unsere Schweißhunde. Sie tendieren mehr zur freien, lauten Jagd. Der Pointer ist sicher kein Allrounder, dafür aber ein Hund mit erstklassigen Feldmanieren und viel Temperament. Man sollte den Hund also nach den Anforderungen der jeweiligen Jagdart wählen. Das ist das oberste Gebot.
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Steirische Rauhaarbracke in Österreich. Foto: Johannes Plenk.
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- Johannes Plenk (Prüfungsrichter für Laufhunde, Zuchtwart im ÖBV, züchtet und führt Steirische Gebirgsbracken, führt/e Teckel und Jack Russell Terrier in Österreich):
different horses for different courses, sagt der Engländer und hat Recht! So trennt er zwischen Showlinien und Arbeitslinien, die meistens ohne geschlossene Stammbücher gezüchtet werden, ein working Cocker schaut dann aus wie ein Wachtelhund und arbeitet ausschließlich als Kurzstöberer und Apportierer unter der Flinte, stumm versteht sich. Die Jagdspaniels in Deutschland schauen showmässig (infantilisiert) aus, werden im geschlossenen Zuchtbuch der FCI und mit Spurlaut (!) gezüchtet - als Konkurrenz zum Wachtel, dem sie aber bei der Brackade und Schärfe unterlegen bleiben..... Ein Deutsch Drahthaar wird zum Sau-Stöberjäger verwendet, statt einer scharfen Bracke, sein „Spurlaut“ ist zwar meist keiner (er ist halt noch laut solange er im Tunnel der Körperwitterung läuft!), und die Wildschärfe, wenn sie da ist, ohne Gefühl für´s Machbare (a Sau kannst nit apportieren), aber wenn der Wunsch der Vater des Gedankens ist, wird die Realität verweigert, man kann zwar mehr Spurwillen züchterisch fördern, das widerspricht aber der Vorstehanlage: beides in einem ist wohl unmöglich! Umgekehrt zerstört man die bestechend schöne Arbeitsweise des Pointers durch Zwangsapport und Arbeit unter der Flinte, und auch sein bombenfestes Vorstehen wird dadurch schlechter! Er soll sich ja am Geruch des lebenden Federwildes befriedigen, wenn er vorstehend die Witterung durchkaut, das wird durch aktives Beutemachen, das heisst Wild in den Fang bekommen übertrumpft!
Fast alle FCI-Terrierrassen sind zu groß, haben zu schlechtes Haar und sind wie die meisten modernen Teckel ihr Brustumfang ist viel zu groß - im Bau sind sie also unbrauchbar ( was nicht im Bau arbeiten kann und will ist KEIN Terrier!), machen wir also Stöberhunde oder Schweissarbeiter draus, und wiederum müssen wir Gründe an den Haaren herbeiziehen, warum die Rasse die einem gefällt, da geeignet sein soll, wo man jagen darf. Wer wirklich Baujagern will, holt sich besser einen (durchaus auch FCI-Papierlosen ) Jack Russel oder Fell/ Patterdaleterrier aus Arbeitszucht (die ja einfach Arbeitslinien der zu Showhunden verkommenen Foxl bzw. Border und Welsh und Lakeland Terrier sind) oder einen Dackel/ Jagdterrier von Eltern, die im Bau was bringen! Es ist also weitgehend unüblich geworden, Hunde nach dem Bedarf auszusuchen, nebenbei wurden aus vielen Gebrauchsrassen Inzucht-Showlinien, wo die Arbeitsbeschreibung nur mehr Legende ist, aber es fahren ja auch jede Menge Städter mit riesigen Landrovern herum... Die Märchen, die die meisten Zuchtvereine so zu ihren Rassen und deren Entstehung erfinden, helfen auch nicht viel. Image sells, function works (and who wants to work???)...
Was ich insgesamt damit sagen will: Bracken sollen dann eingesetzt werden, wenn ich ihre speziellen Eigenschaften brauche, im Fall der Steirischen Rauhaarbracke, anhaltendes spurlautes Jagen, vor und nach dem Schuß, auch an wehrhaftem Wild und ganz allein! Nur so kann die Rasse in ihrer Eigenart erhalten bleiben! Eine Bracke die nicht ausdauernd und spurlaut jagt ist keine Bracke, egal was im Abstammungsnachweis steht! |
DD in Italien. Foto: Marco Prandini.
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- Marco Prandini (züchtet und führt Deutsch Drahthaar in Italien):
Ich meine, dass man eine Rasse bezüglich der Jagdweisen, für die man sie benutzen will, wählen und in dieser Hinsicht nicht verändern sollte. Es existieren ja seit Jahren auf der ganzen Welt gut fixierte Rassen, die, wenn man sie bewusst auswählt, alle jagdlichen Ansprüche befriedigen können. Die Entscheidung, nur einen Teil des genetischen Gepäcks einer Rasse zu nutzen, die in Wahrheit dafür konzipiert wurde, viel komplexer zu sein, d.h. umfassender eingesetzt zu werden, bringt das Risiko mit sich, im Laufe der Zeit auch die restlichen Anlagen, die doch von den Schöpfern der Rasse so mühsam zusammengestellt wurden, nicht mehr weiter zu bringen. Die besonderen Bedürfnisse einzelner Jäger sollten also nicht zu einer anderen und alternativen Vorgehensweise führen.
- Giuliano Mondadori (Chefredakteur der Zeitschrift "Cani da seguita" , züchtete und führte Irish Setter in Italien):
Es wäre natürlich wünschenswert, dass man eine Rasse gemäß den Aufgaben führt, für die sie geschaffen wurde. Allerdings ist das nicht immer möglich, und sei es nur wegen offensichtlicher Gründe wie den orografischen Unterschieden zwischen den verschiedenen Ländern. Man denke etwa an die englischen Rassen, die in italienischen Territorien arbeiten müssen. Aber dass man sie auch anderswo einsetzen kann hat gerade zur Verbreitung dieser Rassen beigetragen, die ansonsten vielleicht auf ihr Ursprungsland begrenzt geblieben wären.
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Irish Setter in Italien. Foto: Giuliano Mondadori.
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- Elisabeth Smat (führt Irish Setter in Deutschland):
Um eine noch nicht etablierte Rasse aus dem Ausland zu holen, sollte sich der Käufer/ Jäger sich im Klaren darüber sein, für welchen Zweck diese Rasse eigentlich gezüchtet wurde. Viele Rassen bieten mehr als eine jagdlich nutzbare Eigenschaft an. Jedoch sollte man nicht auf Biegen und Brechen einem Hund abverlangen, was seinem Naturell nicht entspricht.
- Winfried Kaufer (führt Braque Saint Germain und Beagle in Deutschland):
Unsere Braque wird unserem Jagdgebiet entsprechend eingesetzt, nicht unbedingt wie in ihrem Ursprungsland Frankreich ausschliesslich für Federwild. Wir haben das Glück, dass uns für das Revier drei Hunde zur Verfügung stehen, die zwar alle universell ausgebildet sind, aber ihren Fähigkeiten entsprechend eingesetzt werden (z.B. der Beagle ausschliesslich auf Schweiss), wobei wir die Erfahrung gemacht haben, dass die Hunde an der Wildart am besten arbeiten, an der sie zuerst "Erfolg" hatten. Klar liegt der BSG die Federwildarbeit im Blut, jedoch konnten wir bis jetzt nicht feststellen, dass sie in irgendeinem anderen Fach Schwächen zeigt. Sie ist letztes Jahr erfolgreich Drückjagden gelaufen und ist begeistert vom Schwarzwild, obwohl das im Ursprungsland ja gar nicht so gemacht wird. Nur sollte es bei den Prüfungen nicht (wie in Deutschland) ein starres System geben, mit welchem Alter man was erledigt haben muss, sondern man sollte lieber einen Zeitraum begrenzen. Und zwar nicht nur in Bezug auf ausländische Rassen - jeder Hund entwickelt sich individuell und man sollte ihm Zeit geben; schon mancher gute Hund ist durch's Raster gefallen, weil man zu schnell zu viel von ihm wollte. In Frankreich zum Beispiel, wo ein anderes Prüfungssystem besteht, kann der Hund die erste Prüfung mit 1- 3 Jahren machen, oder auch bei der Beagle GP gibt es nur ein Mindestalter, kein Höchstalter. Gut, es gibt auch bei manchen Vorstehern die Möglichkeit die AZP zu machen, aber wenn man nicht von vornherein auf das erste Jahr fixiert ist, würde man sich in der Ausbildung auch noch mehr Zeit nehmen.
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Braque Saint Germain in Deutschland. Foto: Annette Kastner.
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- Sergio Leonardi (Prüfungsrichter für Laufhunde, Vizepräsident des Segugio Maremmano Vereins, züchtete und führte Segugio Maremmano, führte Petit Bleu de Gascogne, Cocker, DK, DL, Pointer, führt aktuell English Setter in Italien):
Ich meine, dass jede Rasse, egal wo sie entstanden ist, wenn einmal der morfologische und der Arbeitsstandard festgelegt und von der FCI anerkannt worden sind, nach den selben Kriterien und auf die selbe Weise "gebraucht" werden sollte. Es ist nich denkbar, dass man bei internationalen Arbeitswettbewerben eine Rasse mit vom (Arbeits-)Standard abweichendem Verhalten sieht.
Der Einsatz in der Jagdpraxis steht natürlich auf einem anderen Blatt. Bei der Jagd gibt es persönliche Interessen und die Interessen der Jagdgemeinschaft, folglich entspricht der Einsatz des Hundes nicht immer den vom Arbeitsstandard diktierten Regeln.
- Sabine Hoffmann (Prüfungsrichterin für Vorstehhunde, führt Gordon Setter in Deutschland): Die Einsatzmöglichkeiten der einzelnen Rassen ergeben sich teilweise aus den Fähigkeiten, die sie aufgrund ihrer Rasse und der konsequent verfolgten Zucht mitbringen. Diese können natürlich je nach Möglichkeit unterschiedlich sein. Es sollte aber in keinem Fall eine „Anpassung“ der Rasse an die Möglichkeiten sein, sondern vielmehr ein „Anbieten“ und „Erkennen“ der Eignung für gewisse rassefremde Einsatzmöglichkeiten. Jedoch darf eine Einsatzfähigkeit für rassefremde Arbeiten nicht Zuchtziel werden. Die Konsequenzen könnten für das Gesamtbild in Gesundheit, Leistung, Wesen und auch Aussehen fatal sein.
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Beagle in Deutschland. Foto: Dieter Berger.
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Weiter zu Frage 2:
Sollte es dem HF im Ausland frei stehen, wie er seinen Hund verwendet, da die Konsequenzen auf ihn selbst und seinen Hund begrenzt bleiben, oder sollte ein Jäger sich grundsätzlich keine ausländische Rasse anschaffen, die gemäss der im Ursprungsland definierten Verwendbarkeit nicht offensichtlich zu seinen Jagdmöglichkeiten passt?
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