Kurzportrait
Die Westfälische Dachsbracke
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Die Westfälische Dachsbracke Die Westfälische Dachsbracke ist die niederläufige Variante der Deutschen Bracke. Sie erreicht eine Widerristhöhe von 30-38 cm und hat, wie ihr grosser Bruder, in der Regel gelbes bis rotes Kurzhaar mit schwarzem Sattel und weissen Abzeichen, seltener ist sie rot mit weissen Abzeichen. |
Pedro vom Loreleyfelsen und Benno von der Saarschleife (auch im Titelbild). Foto: Ute Zerfaß |
Im 16. Jh. benutzte man den krummläufigen, recht kleinen Typ dieses Hundes für die Baujagd, den etwas grösseren und geradläufigen für die Brackierjagd auf Niederwild. Aus Ersterem entstanden schliesslich die Teckel, aus dem Zweiten die Dachsbracken.
1779 bezeichnete August Wilhelm Graf von Mellin das, was wir heute Dachsbracke nennen als Hasenhund, weil er so hervorragend für die Laute Jagd auf Meister Lampe geeignet war, der vor diesem kleinen Hund nur langsam und längst nicht so weit floh und folglich wesentlich früher zum Ausgangspunkt zurück kam. Von Mellin ergänzte freilich, dass die niederläufige Bracke auch für anderes Niederwild bestens zu gebrauchen sei. Hunde leben nicht nur enger als andere Tiere mit dem Menschen zusammen, sie teilen auch häufig sein Schicksal - sogar auf höherer politischer und sozialer Ebene. Die in Deutschland für viele Jahrhunderte beliebte und mit Passion betriebene Brackierjagd auf Füchse, Hasen, Rehe und Hirsche kam Mitte des 19. Jh. beinahe zum Erliegen, denn nach der Revolution (1848) änderte sich nicht nur das deutsche Jagdrecht grundlegend, sondern auch die sozialen Verhältnisse und die Geisteshaltung des "revolutionierten" Volkes. So wie etwa im benachbarten Frankreich viele Bracken- aber auch Vorstehhunderassen nach der Revolution fast oder tatsächlich ausstarben, weil der "freie Mann" wenig Sympathie für die einstigen Hunde des Adels empfand, so erging es auch den Bracken in Deutschland. Kommt hinzu, dass der Wandel in der Forst- und Agrarwirtschaft die Landschaftsstruktur für immer veränderte. Kurz gesagt, es gab keinen Raum mehr für Hunde, die mit hellem Geläut ausdauernd ihr Wild durch Wald und Flur verfolgten, bis es vom vorgestellten Jäger zur Strecke gebracht werden konnte, nein, die Sternstunde einer ganz anderen Rassegruppe begann: die der Vorstehhunde nämlich. |
Cato v. Fürstenbogen. Foto: Johannes Lang |
In jenen Teilen Deutschlands, wo die Jagdpraxis aus eben erwähnten Gründen nun weniger schnelle Hunde mit geringerem Aktionsradius verlangte, versuchte man gezielt, niederläufige rein zu züchten Bracken. Mancherorts verwendete man dazu die bereits vorhandenen Dachsbracken, in anderen Gegenden versuchte man, das Format der ohnehin schon kleinen Steinbracken noch weiter zu reduzieren. Im rheinisch-westfälischen Gebiet kreuzte man etwa ab 1880 Steinbracken mit niedrigen Deutschen Bracken und erzielte schliesslich jene Rasse, die den Namen Westfälische Dachsbracke erhielt.
Ende des 19. Jh. bemühte man sich also, eine eingeschränkte Brackierjagd dadurch zu erhalten, dass man die Dachsbracke mehr und mehr an die neuen Bedingungen anpasste. Bevor der Dachsbracke tatsächlich dieser Name und der Status einer eigenen Rasse zuerkannt wurde hielt man es übrigens so, dass jeder Dachshund dessen Gewicht 10 kg überschritt als "Dachsbracke" angesprochen wurde, und es brauchte noch eine Weile, ehe die kynologische Welt akzeptierte, dass Dachshund und Dachsbracke doch recht unterschiedliche Eigenschaften besassen und andere Funktionen erfüllten. Mit der Gründung des Internationalen Dachsbracken Klubs 1896 in München erhielten diese Rassen erstmals eine eigene, offizielle Vertretung, die auch vom 1906 gegründeten Westfälisch-Rheinischen Dachsbracken Klub wahrgenommen wurde, wobei sich letzterer später dem Deutschen Bracken Club anschliessen würde. 1935 erkannte der VDH die Westfälische Dachsbracke als eigenständige Rasse an. Das - noch heute gültige - Reichsjagdgesetz von 1934 erklärte die Brackierjagd in Revieren von weniger als 1000 ha für rechtswidrig. Ein weiterer, heftiger Schlag für die deutsche Brackenkultur, die Hunde selektieren musste, die wesentlich führiger und kurzjagender waren als ihre Vorfahren der Vergangenheit. Aus dem leidenschaftlichen, weiträumigen Brackieren von einst wurde ein diszipliniertes, qualifiziertes Stöbern. |
Cito vom Wilden Mann (gen. Chico). Foto: César Kossmann |
Freilich, was der Dachsbracke und ihrem grossen Bruder, der Deutschen Bracke, für viele Jahrzehnte eine blosse Randexistenz in der Jagdszene bescherte, scheint sich in letzter Zeit zu ihrem Vorteil zu verkehren, denn die ständig wachsende Notwendigkeit einer massiven Schwarzwildbejagung in vielen Gegenden Deutschlands, hat neues Interesse an der Dachsbracke als Hund mit verlässlichem Spurlaut, Ausdauer, beachtlicher Wildschärfe, relativ geringem Radius und der Fähigkeit, Wild fast vertraut vor die Büchse zu treiben, geweckt.
Von einem Boom kann zwar nicht die Rede sein, aber das wäre auch nicht im Sinne des Deutschen Bracken Clubs, der Qualität über Quantität stellt und Welpen in der Regel nur an Führer abgibt, die ihrer Bracke tatsächlich adäquate Arbeitsmöglichkeiten bieten können und ausserdem bereit sein sollten, ihren Hund auf Prüfungen zu zeigen. Eine Politik, die Früchte trägt, denn aktuell können mehr als 80% der Hunde zumindest auf Anlagenprüfungen und immerhin 40% auf Gebrauchs- und Schweissprüfungen beurteilt werden - ein klarer Pluspunkt für die künftige Zucht. Interessanterweise fand die Westfälische Dachsbracke in Dänemark zu Beginn des 20. Jahrhunderts grossen Anklang und es wurden diverse Exemplare importiert. Mit bereits vorhandenen Schweizer Laufhunden verpaart entstanden Kreuzungsprodukte, die ihrerseits in den 40er Jahren nach Schweden gelangten, wo sie wiederum mit lokalen Laufhunden gekreuzt wurden. So entstand der Drever, die Schwedische Dachsbracke also, die schon bald einen ausserordentlich guten Ruf als Helfer bei der Hirschjagd genoss. Der Drever gilt in Skandinavien noch heute als beste Wahl für die Reh- und Hirschjagd und ist in Schweden eine der populärsten Jagdhunderassen überhaupt. Die Ähnlichkeit mit seinem Vorfahren, der Westfälischen Dachsbracke ist offensichtlich, und angesichts der sehr geringen Zuchtbasis der Letzteren zieht der Deutsche Bracken Club im Rahmen eines kontrollierten Zuchtprogramms in Erwägung, den Genpool der Westfalen durch Dreverblut aufzufrischen. |
Roosa, Drever. Foto: Reino Toivanen. Valba vom Loreleyfelsen, Westfälische Dachsbracke (Welpe). Foto: Andreas Leibing. Shaka, Alpenländische Dachsbracke. Foto: Sabine Middelhaufe. |
Mit der stockhaarigen Alpenländischen Dachsbracke ist die westfälische Rasse übrigens nicht verwandt.
Aktuell leben und jagen in Deutschland etwa 250 Westfälische Dachsbracken; ins Zuchtbuch werden im Durchschnitt 35 Welpen pro Jahr eingetragen, Tendenz steigend. Man kann dieser, bestens an den modernen Jagdbetrieb angepassten Rasse nur wünschen, dass sie in Zukunft öfter zum Einsatz kommt und hoffen, dass die absurden Vorurteile über die Brackierjagd im Allgemeinen endlich dorthin geschoben werden, wo sie hingehören: ins Reich der Schauermärchen nämlich. |
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