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Wissenswertes


Einsatz, Ausbildung, Prüfungen und Zucht des Spinone
in Deutschland und Italien:


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Der Einsatz des Spinone

Ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis des Spinone ist, neben dem Arbeitsstandard, die Kenntnis des italienischen Jagdsystems, das sich vom deutschen vollkommen unterscheidet. Wie in vielen anderen europäischen Ländern wird der Vorstehhund deshalb auch in Italien ganz klassisch als solcher eingesetzt, d.h. er sucht Federwild, steht es vor und apportiert nach dem Schuss. Für den Spinone kommen in manchen Landesgebieten bei der praktischen Jagd noch Wasservögel hinzu, da die Anlagen für die Wasserarbeit in der Rasse fest verankert sind, und hier und da der Hase, aber mit der Jagd auf Schalenwild hat der Spinone in seiner Heimat ebenso wenig zu tun wie mit der Nachsuche.

CH.IT Asca II del Mucrone, mit Besitzer Emanuele Palagiano bei der Jagd am Deich von San Marzano.

Für den deutschen Jäger gestaltet sich die Sache sehr viel schwieriger. Federwild ist heutzutage vielerorts rar und auch Hasen gibt es keineswegs mehr überall. Rehwild hingegen ist reichlich vorhanden und Schwarzwild wird in manchen Landesteilen zu einer wahren Plage. Wie sieht es also unter solchen Voraussetzungen mit dem Einsatz der Rasse in Deutschland aus?

-  Für welche Arbeiten verwendet ihr eure Spinoni, Angelika?

Angelika & Bernd Jensen:
Isa als Schweiß- und Stöberhund auf Sauen sowie als zertifizierte ALB-/CLB-Käferspürhündin. 2017 war ich mit ihr mehr als ein halbes Jahr in den Quarantänegebieten Europas sowie zur Qualititätssicherung und zum Schutz der Baumschulgebiete Pinneberg und Ammerland mit jeweils über 250 Baumschulen, eine direkt neben der anderen, unterwegs. Mia hat gerade die Jugendsuche mit 70 Punkten sichtlaut bestanden und ich habe mit ihr den ersten Kursus Trüffelsuche in der schönen Steiermark absolviert. Comtessa (wie Mia auch aus eigener Zucht) soll neben jagdlicher Ausbildung und Einsatz auch die Spürhundeausbildung auf den nächsten pflanzlichen Quarantäneschädling, das Bakterium Xylella fastidiosa, das ja u. a. die schönen Olivenhäine in Italien zerstört hat und eine Gefahr für z. B. Weinberge, Obstplantagen, aber auch andere landwirtschaftliche Anbaupflanzen darstellt, mit mir erlernen.



Isa bei der Suche; unten am Saugatter.

-   Die selbe Frage an Claudius Roos: Wie setzen Sie den Spinone ein?

Claudius Roos (Präsident des SICD): Ich setze die Spinoni hauptsächlich zur Nachsuche und zur Wasserarbeit ein. Wasserarbeit heißt in Deutschland auch immer Stöbern hinter der lebenden Ente, d. h. ins Schilf schwimmen, Ente nasenmäßig verfolgen und aus dem Schilf drücken, damit wir sie schießen können und der Hund sie dann apportieren kann. Da unsere ruhigen Spinoni eine hervorragende und beeindruckende Schweißarbeit leisten können, wenn sie gut darauf eingearbeitet wurden und die Belohnung am Ende sich für sie wirklich lohnt, was also heißt, dass Hundeführer und Hund ein echtes Team geworden sind und der Hundeführer seinen Hund gut zu lesen weiß, ist auch dieses Arbeitsfeld für uns und unsere Spinoni ein wirkliches jagdliches Vergnügen.

Wasserarbeit.

Erfolgreiche Nachsuche.

-   Könnte man argumentieren, dass ein Spinone, der außer den Anlagen für die typische Arbeit der Rasse auch jene für die Nachsuche auf Schalenwild besitzt, eine gute Sache wäre, da dieser Hund dann ein Mehr an jagdlichen Qualitäten besäße?

Marco Lozza (Präsident des Club Italiano Spinoni, CISp): Der Spinone bringt natürlicherweise die Eigenschaften für Apport und Verlorensuche von Federwild mit. Die in Italien durchgeführten Zuchtprüfungen schließen die Feststellung dieser Qualitäten ausdrücklich ein. Die Leistungen auch auf die Suche von Schalenwild auszuweiten ist vollkommen nebensächlich, unerbeten und fügt den Zuchtauswahlkriterien, die seit jeher für diese italienische Rasse verwendet werden, nichts hinzu.

-   Glauben Sie, dass, langfristig gesehen, die Ausbildung für und Verwendung bei der Schweißarbeit sogar eine negative Wirkung auf den Arbeitsstil des betreffenden Spinone bei der Federwildsuche haben könnte?

Marco Lozza: Die fehlende systematische Überprüfung der Vorstehanlage könnte auf Dauer gesehen diese unentbehrliche und unverzichtbare Anlage gefährden. Da es sich jedoch um eine Eigenschaft handelt, die vererbt wird, haben wird die mathematische Gewissheit, dass – wenn beide Elternteile mit nachgewiesenen Anlagen für das Vorstehen  ausgestattet sind – logischerweise auch ihre Nachkommen Vorsteher sein werden. Das ändert allerdings nichts daran, dass man eine umsichtige und beaufsichtigte Auslese mittels sorgfältiger und systematischer Überprüfung dieser Fähigkeit betreiben muss.

Angelika Jensen mit Mia bei der Trüffelsuche.

Laut Schätzungen des SICD von 2017 werden nur 25% der Spinoni in Deutschland bei der Jagd eingesetzt. Die Jäger bevorzugen nun mal ihre deutschen Vollgebrauchshunde. Der Spinone ist deshalb weit mehr verbreitet - und wird deutlich mehr beworben - als Sporthund oder einfacher Familienhund ohne spezielle Aufgabe. Aber besteht nicht die Gefahr, dass deutsche Jäger die Rasse noch weniger in Betracht ziehen, wenn sie ihr hauptsächlich im Rahmen von Sport und Spiel begegnen, statt bei der Jagd?  

-  Welche Art der “Werbung” oder Präsentation macht der SICD  denn konkret für den Spinone als Jagdhund?

Claudius Roos: Wir sorgen für umfassende Informationen und Erhöhung des Bekanntheitsgrades der Rasse Spinone Italiano durch positive Präsenz auf den großen Jagdmessen in Deutschland und natürlich durch die zum Teil beeindruckenden Leistungen auf den Gemeinschaftsjagden und bei den deutschlandweit stattfindenden Rassepräsentationen der Jägerschaften. (siehe Internet-Seite SICD e. V.).

Früh übt sich...! Zwei Monate alte Hündin aus der Zucht von Emanuele Palagiano.

Was hält man in Italien davon, dass nur einer von 4 Spinoni in Deutschland überhaupt für die Jagd verwendet wird und dann oft als Schweißhund?

Marco Lozza sagte dazu schon in einem kürzlich geführten Gespräch: (...) zum andersgearteten Einsatz oder Gebrauch des Spinone bei der Jagd außerhalb Italiens erkläre ich mich als absolut dagegen. Ich wiederhole es noch einmal: der Spinone hat einen sowohl von der ENCI als auch von der FCI anerkannten Arbeitsstandard und an diesen muss man sich uneingeschränkt halten. Für andere jagdliche Aufgaben möge man sich an jene Rassen wenden, die eigens für solche Zwecke gezüchtet sind.

Giacomo Bini
(Züchter): In wenigen Worten: ich sehe das genau so wie der Präsident Lozza.

    In Deutschland gibt es seit langem Hundesportarten, die in Italien zwar nicht unbekannt, aber als reiner Sport für Laien vergleichsweise wenig verbreitet sind. Gemeint sind Mantrailing und Dummy Training, die dem Jagdhund in Nichtjägerhand seine wahre Arbeit ersetzen sollen. Die Befürworter dieser Beschäftigungsarten sind überzeugt, dass an der Leine die Spur eines Menschen zu verfolgen oder künstliche Bringsel in der vorgeschriebenen Reihenfolge zu apportieren, dem Spinone genauso viel Befriedigung verschafft, wie die Feldsuche nach Federwild, das Vorstehen und der Apport des geschossenen Vogels.
 
-  Aber kann ein Spinone wirklich zur Entfaltung kommen, kann er tatsächlich entsprechend seiner Bedürfnisse leben, wenn ihm nie erlaubt wird, zu jagen?

Giacomo Bini: Der Spinone ist natürlich ein Jagdhund und ihm die Möglichkeit zu Suche, Vorstehen und Apport des Wildes zu geben ist für ihn die befriedigendste Sache. Ich denke, auch ein Nichtjäger kann dem Spinone das ermöglichen, wofür er geboren ist: es gibt viele Ausbildungszonen, in denen nicht geschossen wird und wo der Hundebesitzer ihm die Begegnung mit dem Wild ermöglichen kann, das Ausleben seiner angeborenen Lust am Suchen, Vorstehen und, warum nicht, dem Bringen eines vom dafür zuständigen Schützen erlegten Vogels.

Giacomo Binis Thor steht vor.

Nathalie Nouviers Joe bei der Feldsuche.

Wir müssen also schon einmal festhalten, dass es dem italienischen Spinone Klub keineswegs zusagt, wie die Rasse in Deutschland zweckentfremdet wird. Dabei geht es natürlich nicht um die Privatperson, die mit ihrem Spinone einmal wöchentlich irgendeinen Hundesport betreibt oder um den einzelnen Jäger, der seinen Hund mal das Reh nachsuchen lässt. Was in Italien Beunruhigung und einen deutlichen Unwillen hervorruft ist die Tatsache, dass man sich in Deutschland auf Vereinsebene einfach über den FCI Arbeitsstandard des Spinone hinwegsetzt und den unangemessenen Gebrauch der Rasse und damit letztlich auch die künftige Zuchtauslese in eine unerwünschte Richtung begünstigt. Der Spinone ist ein Vorstehhund, eine allmähliche Spaltung seiner Zucht in Hunde für die Jagd und solche für Sport, Spiel oder Sofa wird in Italien aufs schärfste abgelehnt, denn was aus einer Rasse werden kann, wenn sie vom Gebrauchshund zum „Hund für Jedermann“ umfunktioniert wird, zeigt das Beispiel von Cocker Spaniel, Irish Setter, Vizsla und anderen ja deutlich genug.

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Text (c) 2018 (5. Abschnitt modifiziert anm 20. Juni.)
Fotos: 1 (Titelfoto) Luca Mantovani via Marco Lozza; 2, 3, 9 Emanuele Palagiano; 4, 5, 8 Jensen; 6, 7 Roos; 10 Giacomo Bini; 11 Sabine Middelhaufe.

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