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Erfahrungen mit dem


Welsh Springer Spaniel (3)

 

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Erfahrungen mit dem Welsh Springer Spaniel - ein zweiter Welshie kommt ins Haus
Von Susanna Müller

Lang hat es gedauert nach der Ankündigung des Zweitwelshies, bis ich meine Erfahrungen niedergeschrieben habe. Aber was lange währt....
Nachdem ich mich intensiver mit der Rasse befasst hatte, war mir klar, dass der Welshie ein Dual Purpose Hund bleiben sollte, und dass ich deshalb keinen Welpen aus einer reinen "Familienhunde-Schönheitszucht" nehmen wollte. Das machte die ohnehin schwierige Welpensuche nicht leichter, ich musste meinen Suchradius ausdehnen....
Ich hatte mit Rhian sehr viel Glück gehabt, die typischen Anlagen sind alle da, nun suchte ich einen Welpen, bei dem Leistungsfähigkeit und Anlagen auch in die Zuchtselektion geflossen ist. Wieder half mir das Glück, ich fand eine Wurfankündigung aus jagdlicher Zucht, fragte an, gelangte auf die Liste. Doch dann fiel nur eine Hündin, die die Züchterin behalten wollte. Nach kurzer Bedenkzeit entschloss ich mich daher für einen Rüden, und so zog Splash (Hatstone's Xenophon) mit 9 Wochen aus Österreich in die Schweiz.

Die Welpenzeit war einfach nur schön. Es war Sommer, das Wetter war gut, und der Zwerg war einfach toll. Rhian war anfänglich nicht sehr begeistert, und disziplinierte ihn auf Abstand. Er liess aber nicht locker – da bekam ich schon Ahnung von seiner Hartnäckigkeit. Nach wenigen Tagen spielten die Zwei wunderbar zusammen, nur kuscheln und kontaktliegen durfte der freche Welpe nicht. Wir waren viel draussen; er pendelte dabei zwischen Rhian und mir, und erwies sich als eifriger und gelehriger Schüler. Er war äusserst unerschrocken, liebenswürdig und hatte es faustdick hinter den grossen Schlappohren.
Allerdings bemerkte ich früh Unterschiede zu Rhian, obwohl ich ja deren frühe Welpenzeit nicht erlebt habe. Splash war stressanfällig und hatte kaum Selbstkontrolle und Frustrationstoleranz. Dafür war er ernsthaft bemüht, alles richtig zu machen, er war ein kleiner Streber, dem nur sein überschäumendes Temperament manchmal einen Strich durch die Rechnung machte. Und er zeigte von Anbeginn eine ganz ausgeprägte Nasenveranlagung, ging schon mit 11 Wochen Spuren nach. Entsprechend gestaltete ich sein Erziehungsprogramm, denn auch bei ihm war mein Ziel ein auf unseren Spaziergängen und Wanderungen in der freien Natur freilauftauglicher und kontrollierbarer Hund.

Er musste Ruhe lernen, denn er drehte extrem schnell viel zu hoch. Er hatte aber viel freie Bewegung und wir erkundeten gemeinsam ausgewählte Feld- und Waldgegenden. Seine Paradedisziplin war der Abruf, es war eine Freude, wie er immer angeflitzt kam. Dass er dabei ungebremst in meinem Bauch landete, nahm ich gerne in Kauf – Rückruf ist immer toll!
Ganz spielerisch gab es auch schon erste Apportierübungen, denn er hatte anfänglich die Tendenz, sich mit der Beute aus dem Staub zu machen. Mit viel Lob beim Bringen, und nicht sofortiger Wegnahme des Spielzeugs änderte sich das aber schnell. Anders als Rhian begann ich bei ihm auch sehr früh mit ersten Futterschleppen, denn die Veranlagung zur Spur war da und stark ausgeprägt, also wollte ich ihm rechtzeitig eine erlaubte Alternative zu Wildspuren bieten. Er hat diese Minischleppen sofort angenommen und so öfters zu seinem Abendessen gefunden. Bald wurden die Schleppen länger, und er meisterte Winkel sicher und konzentriert.

Die sommerliche Idylle fand ein Ende, als Splash 4-5 Monate alt war. Fast von einem Tag auf den andern war die zuvor hervorragende Leinenführigkeit weg, hatte ich einen Hund, dessen Erkundungsdrang keine Grenzen mehr kannte, und der nur noch an gemeinsamen Tätigkeiten interessiert war, wenn er grad nichts besseres zu tun hatte. Typisch vorpubertärer Junghund halt, aber nun wurden die Unterschiede zu Rhian deutlicher.
Die Jagdpassion wuchs durch die Pubertät hindurch, der Wille zur Kooperation schwand, Gelerntes war scheinbar weg, er erlag jeder Ablenkung. Es gab jagdhundeerfahrene Stimmen, die schwarz sahen und meinten, er würde mir entgleiten. Dieses Gefühl hatte ich aber nie, und blieb bei meinem recht freiheitlichen Erziehungskonzept, wenn ich auch seine Selbständigkeit an manchen Orten mittels Schleppleine begrenzen musste. Es gab aber immer wieder Lichtblicke, denn eigentlich wollte er ja kooperieren, er konnte bloss oftmals nicht!
Ich kenne auch Welsh Springer, die eher dem Bild des lebhaften Familienhundes entsprechen: mäßiger, leicht kontrollierbarer Jagdtrieb, viel Freude an jedwelchem gemeinsamen Tun, und obwohl auch dieser Typ sehr gern die Nase benutzt, ein Hund, der auch ohne Jagdersatzbeschäftigung zufrieden ist.

Mit Splash bekam ich das andere Ende der Palette: einen Arbeitshund und Jagdgeier, der blitzschnell auf Bewegung, Witterung und Spuren anspringt. Ich bemerkte viele Parallelen zu Rhian, und ohne die mit ihr gemachten Erfahrungen wäre ich wohl manchmal verzweifelt. Denn bei Splash war alles viel extremer, das Temperament, der Bewegungs- und Erkundungsdrang, die Ablenkbarkeit, die unglaubliche Sturheit, die Eigenständigkeit. Splash ist, wenn seine Passion geweckt ist, sehr viel härter im Nehmen als Rhian, auch im Bezug auf Strafen. Gleichzeitig ist er bei normalem Erregungsniveau sehr sensibel. Das hat zur Folge, dass bei ihm unerwünschtes Verhalten noch schlechter als bei Rhian über strafende Einwirkung nachhaltig abgebrochen werden kann. Der Weg zum Erfolg führt bei ihm eindeutig fast ausschliesslich über Motivation und positive Bestärkung. Wenn es für ihn Sinn macht, dann kann er sich plötzlich erstaunlich gut beherrschen, beispielsweise bei der Dummyarbeit. Ich habe diesbezüglich weniger gemacht als mit Rhian, weil ich bei Splash erst die Spurensuche festigen wollte. Trotzdem hat er die Spielregeln schnell kapiert und ist erstaunlich steady.

Welches Potential in diesem Hund steckt, sah man schon sehr früh beim Mantrailing. Mit 5 Monaten wechselte er problemlos von Schleppfährten zu Eigen- und Fremdtrails, die er mit so viel Passion und Spurwillen absolvierte, dass einem der Atem wegblieb. Ob über Wege, Wiesen oder quer durchs Unterholz war ihm egal, auch den Übergang auf Asphalt schaffte er in wenigen Trainingseinheiten wie selbstverständlich. Dass er bei so viel Leidenschaft ein Tempo vorlegte, dass die Pfoten rauchten, machte sein Handling allerdings nicht ganz einfach.
Das Zusammenleben mit Rhian verläuft sehr harmonisch; sie ist der unangefochtene, aber meist recht langmütige Chef. Gegen andere Hunde bilden sie keine Fronten, jeder darf ungestört Fremdkontakte pflegen, was ich sehr angenehm finde. Entdeckt einer einen jagdlich interessanten Geruch, ist der andere schnell da und assistiert. Zwischendrin gehen sie ihre eigenen Wege. Und ab und zu inszenieren die Zwei rasante Spielkämpfe mit spektakulären Akrobatikeinlagen. Langeweile kann nicht aufkommen, wenn ich mit den Beiden unterwegs bin!

Inzwischen ist Splash zwei Jahre alt, und hat grosse Fortschritte gemacht in den letzten Monaten. Er ist selektiver geworden, rast nicht mehr wie angestochen kreuz und quer durchs Gelände, sondern wählt die interessantesten Gerüche aus. Er hält wieder gut Kontakt zu mir, sein Radius ist aber grösser als der von Rhian. Nach aufregenden Erlebnissen wie Katzen- oder Wildsichtung fährt er schneller wieder runter, ist besser ansprechbar. Immer öfter verharrt er, bevor er losstürzt, und sein Rückruf ist auch wieder vorzüglich. Auch die Leinenführigkeit hat sich gebessert, da heisst es allerdings dranbleiben, denn er testet welshietypisch täglich, wie weit er gehen kann.
Illusionen mache ich mir allerdings keine. Unsere üblichen Spaziergebiete sind wildarm, da ist sein Gehorsam gut, und er geniesst Freilauf. Seine feine Nase spürt dabei allerlei auf, die Fundstücke bringt er mir jeweils: diverse tote Mäuse, ein mumifizierter Frischling, eine kopflose Taube, eine abgenagte Wirbelsäule vom Reh... Üblicherweise machen wir aber Freiverlorensuche mit Pocketdummies und seinem Futterbeutel.
In wildreichen Gebieten muss er an die Leine, da wäre die Versuchung zu gross für seine Jagdlust. Ihn unter hoher Ablenkung kooperativ und gehorsam zu halten ist ein Projekt, an dem wir schrittweise noch einige Zeit arbeiten werden. Er gibt sich aber soviel Mühe dabei, dass ich zuversichtlich bin.

Mein Zweitwelshie ist ein toller Hund, aber Splash ist anspruchsvoller als Rhian, was seine Führung betrifft. Das liegt sowohl an seinem impulsiven Temperament, als auch an seiner hohen Jagdpassion, weniger an seinem Geschlecht. Wenn ich mich unter den mir bekannten Welshies umschaue, ist er sicher kein Durchschnitts-WSS. Er hat aber den wunderbaren Charakter, den ich an der Rasse so schätze: fröhlich und offen den Menschen zugewandt, ohne jede Aggressivität gegen Mensch und Hund, unerschrocken und unendlich neugierig auf seine Umwelt, reaktionsschnell, sensibel und eigenständig. Auch er ist ein ausdauernder, geländesicherer Begleiter auf Bergwanderungen geworden, der das Vieh auf Alpweiden nicht behelligt, und auch abenteuerliche Brückenkonstruktionen nicht scheut.
Es ist anstrengend, unterwegs zwei Welshies im Blick zu behalten, aber auch lohnend, und Splash und Rhian sind zum Dreamteam geworden. Doch ohne unendlich viel Geduld und eine ordentliche Portion Humor sollte man sich keinen WSS ins Haus holen, weder als Erst- noch als Zweithund. Für mich wird es immer wieder ein Welshie sein!

Fotos (c) Susanna Müller

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