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Jagen mit Russischen Bracken
in der Ukraine
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Ein Interview mit Mykhailo Basii

 


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Jagen mit Russischen Bracken in der Ukraine – Ein Interview mit Mykhailo Basii
Von Sabine Middelhaufe

Die Russische Bracke oder Kostroma Bracke gehört zu diesen etwas geheimnisvollen Rassen, der man auf keiner internationalen Hundeausstellung begegnet, weil die FCI sie merkwürdigerweise noch immer nicht anerkannt hat. Auch in westeuropäischen Jagdrevieren trifft man sie nicht an, denn in denen tummeln sich seit gut 2000 Jahren die langohrigen, sanftäugigen und farbenfrohen Nachkommen der antiken Keltenbracke.
    Googles superbrain bietet, wenn nach  “Russian Hound” gefragt, zumindest in der englischen Version möglicherweise zuerst  Informationen und Photos zum “Russian Wolfhound”, besser bekannt als Barsoi, der freilich ein Windhund ist, keine Bracke.
   Für den unwahrscheinlichen Fall, dass man ahnungslos einer echten Russischen Bracke begegnet, wäre es verzeihlich, wenn man sie mental in die völlig falsche Kategorie einordnen würde, denn sie ähnelt keiner der Bracken, die man vielleicht schon mal gesehen hat.
    Sofern man nicht extra nach Russland, Finnland oder die Ukraine fliegen will, wo die Rasse äußerst beliebt und verbreitet ist, gibt es nur eine Lösung: den ukrainischen Züchter, Gründer des “U polazi” Zwingers und Prüfungsexperten Mykhailo Basii zu bitten, uns etwas über diese faszinierenden Hunde und ihre Arbeit zu erzählen.

- Mit Bracken in der Ukraine zu jagen, ist sicher etwas anders als die Jagd in Deutschland oder Italien. Fangen wir einmal mit der Landschaft an: wie sieht Ihr Jagdgebiet aus?

Wie Sie auf der Karte erkennen können, besteht die Ukraine, abgesehen von den Karpaten und Gebirgen der Krim, aus drei Landschafttypen: Wald, Steppe, also einer fast baumlosen Graslandebene und der Waldsteppe als Übergangszone von Mischwald zu Grasland.
Für die meiste Zeit des Jahres leben wir zwischen Kiew und unserer Jagdhütte südlich der Stadt. Allerdings gehen wir auch recht häufig im Norden jagen, in der Gegend um Chernigiv. Beide Gebiete bestehen aus Mischwald, aber die nördlichen Zonen haben ausgedehntere Wälder, üblicherweise von 500 ha und mehr sowie Heideland. Die südlichen Zonen, die bereits zur Waldsteppe zählen, sind etwas anders. Oft sind die bis zu 300 ha großen Wälder mit dem Netzwerk aus landwirtschaftlichen Anbauflächen verbunden, die zwischen 50 und 1000 ha groß sein können. 
Um die Bodenerosion zu verringern, stehen als Windschutz zwischen den Feldern Baumreihen, die auch manchen Wildtieren als Schutz dienen.

- Wie ist das Jagdwesen organisiert?

Etwa 80% des ukrainischen Territoriums ist Jagdgebiet.*) Das sind über 46 von 60 Millionen ha. Ungefähr 32 Millionen ha gehören den zahlreichen Organisationen des UTMR (Ukrajinske Tovarystvo Myslyvtsiv i Rybalok oder Ukrainischer Jäger und Fischer Verein). Das heisst, die meisten Jagdgebiete in unserem Land sind öffentlich, der Rest ist privat (in Langzeitpacht) oder Staatseigentum. Man muss UTMR Mitglied sein und ein Saison Ticket kaufen, um in den Jagdgebieten der verschiedenen Organisationen jagen zu können. Mit rund 20 Euro ist ein Ticket sehr billig. In privaten Revieren dagegen bezahlt man 10 Euro pro Tag.
    Am 1. Juli 2021 wird der Grundstücksmarkt in der Ukraine öffnen und Leute können Land kaufen und verkaufen. Diese Reform dürfte auch das Management der Jagdgebiete berühren und mehr Freiheiten bringen. Wir hoffen das Beste, denn es wird mehr Investitionsmöglichkeiten geben.

*) In der Sowjetunion gab es kein Privateigentum und alles gehörte dem Staat. Die Jagdgebiete in der Ukraine waren zwischen drei Organisationen unter der Kontrolle von Ministerien aufgeteilt: Dynamo (Innenministerium), Voenohota (Verteidigungsministerium), und UTMR (Forstministerium).

Oben: Kornfelder, Region Kiew, 2020.
Titelbild: Dar (18 Monate), 2017, nahe Kiew.

- Welche Wildarten jagen Sie mit der Russischen Bracke?

Russische Bracken sind eigentlich als “Waldhunde” angelegt, mit dem Schneehasen als ihr hauptsächliches Wild. Bekanntlich versucht dieser Hase, stets im Wald zu bleiben. Allerdings ist die Spezies in der Ukraine selten und ihre Jagd verboten. Wo wir leben gibt es stattdessen Feldhasen und obwohl die Russische Bracke sehr vielseitig ist, züchten wir unsere Hunde speziell für die Hasenjagd und setzen sie in Wald und Waldsteppe genauso ein wie in trockenem Schilf.
Ramazi Matiashvili, Züchter und Experte der Georgischen Jagdhunde Vereinigung, jagt mit Hunden von uns begeistert die Hasen in den Georgischen Bergen.
Man muss auch sagen, dass die Hasenjagd sehr komplex und kompliziert ist und deshalb viel höher geschätzt wird.
     Ich habe die Russische Bracke aufgrund der Biotope in unserer Gegend gewählt. Zuvor hatte ich verschiedene andere Rassen ausprobiert: Englisch-Russische Bracke, Estonische Bracke, Deutsch Kurzhaar... Aber die Russische Bracke erwies sich als die beste Wahl.
    Was mir an der Rasse auch gefällt, ist, dass sie trotz ihrer Vielseitigkeit kein Hund für große Gesellschaftjagden ist. Ich ziehe vor, am Freitagnachmittag in meine Jagdhütte zu kommen und mich ganz meinem Jagderleben hinzugeben. Ich muss mein Handeln und meine Zeiteinteilung nicht mit anderen abstimmen. Ich kann ganz allein mit meinen Hunden oder in einer kleinen Gruppe jagen. Es gibt keinen Wettbewerb. Ich muss niemandem von meinen Fehlern erzählen oder mit meinen Erfolgen prahlen. Ich komme an, jage, verschwinde wieder. Das liebe ich und meine Hunde lieben es auch. Die Jagd mit Russischen Bracken ist eine recht individualistische Angelegenheit und das ist die Art von Jagd, die mir am besten gefällt.

Mykhailo Basii mit dem Paar Dar & Vzlata. Skvyra, 2018

- Könnte die Rasse auch für andere Wildarten eingesetzt werden, die in Ihren Jagdgebieten vielleicht nicht vorhanden sind?

Wie gesagt sind Russische Bracken äußerst vielseitig. Man kann eine Menge Wildtiere mit ihnen jagen: Hasen, Füchse, Wildschweine, Rehe... Mit der Meute kann man auch auf Wolfsjagd gehen.
Als Züchter ziehen wir es jedoch vor, kein Schalenwild mit ihnen zu jagen. Die Überlegung dahinter ist, dass die Witterung von Reh- oder Schwarzwild sehr viel stärker ist als die vom Hasen. Daraus folgt offensichtlich, dass Schalenwild für den Hund viel einfacher zu finden ist und das kann die Bracke verderben: die Qualität ihrer Arbeit auf der Hasenspur wird abnehmen. Deshalb jagen wir Schalenwild selbst dann nicht, wenn der Hund dessen Witterung aufnimmt.
    Es gibt aber noch einen weiteren Grund: die Wildschweinbestände in der Ukraine haben sich nach Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest 2012 ganz empfindlich reduziert. 2015 beispielsweise wurde die Krankheit auf einem Bauernhof in unserer Gegend entdeckt und führte zur fast vollständigen Auslöschung des Schwarzwilds. Obwohl in der Ukraine seit 2016 keine Fälle von Schweinepest mehr gemeldet wurden ist die Schwarzwildpopulation nach wie vor sehr gering. In diesem Jahr, 2020, haben wir nur eine erwachsene Sau und sechs Frischlinge in einem Jagdgebiet von fast hunderttausend Hektar...
Da wir umweltbewusst sind, werben wir für die Idee, die Schwarzwildjagd erst einmal ruhen zu lassen. In unserer Gegend überwachen wir die Tiere sogar und versuchen ihren Bestand zu schützen.

Vzlata (18 Monate), 2016, Region Kiew

- Wie lang ist Ihre Jagdsaison?

Die Saison für Haar- und Schalenwild ist in der Ukraine sehr kurz: kollektives Jagen ist von November bis Januar erlaubt, die Einzeljagd bis Februar.
Ferner gilt, dass man Schalenwild als Solojäger jeden Tag, in der Gruppe jedoch nur am Wochenende jagen darf. Haarwildjagd hingegen ist grundsätzlich nur am Wochenende gestattet.

- Das ergibt gerade mal um die 20 Jagdtage in einem ganzen Jahr…

Das stimmt und obendrein darf jeder Jäger nur einen Hasen pro Jagdtag erlegen. Es gibt im Laufe des Jahres also nicht viele Gelegenheiten für die Hunde, die Arbeit für die sie bestimmt sind, zu tun... Immerhin dürfen wir während der Jagdsaison aber jeden Tag und ohne Begrenzung Füchse, Wölfe und Goldschakale jagen. Diese Regeln entstanden aufgrund von Faktoren der Natürlichen Ökonomie: Füchse, Wölfe und Goldschakale gelten in der Landwirtschaft als Schädlinge. Außerdem gefährden sie die traditionellen ländlichen Gemeinden in der Ukraine. Die Jagd mit Russischen Bracken hilft also auch den betroffenen Menschen und hat einen umweltschützenden Zweck.
   Es gibt jedenfalls immer eine Option – wer einfach dem Drang, hinaus jagen zu gehen, nicht widerstehen kann, jagt Füchse oder Schakale. Aber wer sich ein exquisites Jagderlebnis wünscht, der geht auf Hasenjagd. Und natürlich kann man jederzeit sein Glück mit Wölfen versuchen.

Dar (1 Jahr), 2017, Region Kiew

- Was tun Sie, um Ihre Hunde bei so wenigen Jagdtagen trotzdem glücklich, gesund und fit zu halten?

Die Jagdsaison an sich ist sehr kurz, aber es ist nicht verboten, die Bracken auch außerhalb dieser Zeit Hasenspuren arbeiten zu lassen, ihre Fähigkeiten zu überprüfen, mit den Welpen und Junghunden hinaus zu gehen, um sie einzuarbeiten, solange man dabei kein Wild erlegt.
Es ist einfach schön so viel Zeit wie möglich mit den Hunden zu verbringen. Wenn Welt und Wetter in Ordnung sind, ist es herrlich mit den Hunden alle 3-4 Tage einzeln oder paarweise für drei Stunden draußen zu sein. Bei solchen Ausgängen ist die Umgebung nicht so wichtig; wir bringen unsere Bracken in Felder, Wälder oder Wiesen. Dadurch lernen sie ihren Geruchssinn unter ganz  verschiedenen Bedingungen einzusetzen und zu entwickeln.
    Wir widmen aber auch der richtigen Ernährung der Hunde viel Zeit. Damit sie gesund bleiben sollte das Futter eine perfekte Mischung aus Proteinen, Fetten, Vitaminen und Kohlehydraten sein und enthält diverse Arten von rohem und gekochtem Fleisch, Getreide und Fertigfutter. 

In der Meute: Vzlata, Zateyka, Dar, Alt, Dobych, 2016

- Bracken sind üblicherweise sehr autonom bei ihrer Arbeit und können sich auf ihre Instinkte verlassen. Dennoch brauchen sie ein gewisses Basistraining. Wie bereiten Sie Ihre Welpen und Junghunde also vor?

Russische Bracken sind sehr schlau und unabhängig. Natürlich muss man ihnen trotzdem gutes Benehmen beibringen, damit das Zusammenleben mit anderen Tieren und Menschen im Haus problemlos funktioniert. Wir bringen unseren Hunden zunächst einmal vollkommene Gleichgültigkeit gegenüber Haustieren bei. Ob Katze, Ratte, Kuh, Huhn, Kaninchen... der Hund soll nicht auf sie reagieren. Auch eine gewisse Indifferenz gegenüber Menschen muss er lernen. Ihm wird beigebracht, Leute zu ignorieren, auch wenn er an sich sehr freundlich ist, dies um zu vermeiden, dass er sich von Fremden stehlen lässt!
Manchmal bellen unsere Bracken andere Hunde an, aber niemals Menschen. Übrigens heulen sie mitunter auch.
Unsere aktuellen Junghunde können von der Aufmerksamkeit ihrer Besitzer gar nicht genug bekommen, verhalten sich aber trotzdem distanziert zu Fremden. Einmal erwachsen, zeigen Bracken sogar gegenüber den Familienmitgliedern emotionale Unaufgeregtheit. Aus menschlicher Perspektive würde ich es so beschreiben: sie sind völlig in ihre eigenen Empfindungen und Wahrnehmungen versunken. Sie haben diesen inneren Schalter: zuhause sind sie passiv und phlegmatisch und wenn man mit ihnen spielt, scheint man damit ihre Geduld auf die Probe zu stellen, aber sobald sie im Wald abgeleint werden, sind sie das totale Gegenteil. Wohlgemerkt, sie sind zuhause nicht “deprimiert”. Man hat eher den Eindruck, dass sie uns entweder völlig vertrauen oder es ihnen einfach egal ist.
Russische Bracken verteidigen weder Heim noch Herrn. Sie sind geliebte Haustiere, aber für die Jagd bestimmt und erfüllen keine andere Funktion.

Oben: Junghund Nalyot’ (9 Monate), 2020, Kiew.
 Rechts: Mutter & Sohn: Vzlata (3 Jahre) und Alt (1 Jahr), Region Kiew, 2017

Ein Hund sollte sich nicht beunruhigen oder es zu wichtig nehmen, welcher (vertraute) Mensch ihn zum Jagen mitnimmt, vorausgesetzt sein Besitzer hat es erlaubt.
Während der Jagd werden die Hunde mit dem Jagdhorn kontrolliert und geleitet. Deshalb bringen wir ihnen ab dem 3-4 Lebensmonat bei, den Signalen zu gehorchen, die aus bestimmten zwei- oder dreinotige Melodien bestehen können. Wichtig ist natürlich auch, dass jeder Hund den genauen Ton des Horns seines Besitzers kennt, da auch viele andere Brackenführer ein Horn verwenden!
    Dem Hund ist nicht erlaubt, die Verfolgung des Wildes vor Ertönen des entsprechenden Signals zu beginnen. Auch um die Verfolgung anzuhalten benutzt man ein Hornsignal.
    Wir halten unsere Hunde so viel wie möglich unangeleint; sie sollten ihren Besitzer “fühlen”, nicht ihm gehorchen. Mit 5-6 Monaten fangen wir allmählich an, die Junghunde mit ins Jagdgebiet zu nehmen. Sie werden mit dem Wald vertraut und lernen, stets auf ihren Führer und die von ihm gewählte Richtung fokussiert zu bleiben. Klar, es sind Tiere und oft hängt es von der individuellen Gemütsverfassung und den Umständen ab, aber alles in allem bringen wir unseren Bracken bei, diese Regeln zu beherzigen.

Alt (1 Jahr), Dobych (13 Jahre), Vzlata (3 Jahre), 2017

Wenn die Junghunde ungefähr 10 Monate alt sind, fangen wir an, sie zu testen. Es sind 7 Disziplinen und 10 Eigenschaften die wir bewerten:

    1) Anlage für die Suche. Wie sucht der Hund das Wild? Wir beurteilen die Weite der Suche, dann ihre “Aussagekraft”, das heisst, der Hund soll nicht nur in dem weiten Suchkorridor von beispielsweise 800 Metern bleiben, sondern ganz bewusst auch Zonen inspizieren, in denen sich theoretisch Orte befinden, wo er Wild finden könnten. Er schaut also genau unter umgestürzte Baumstämme oder verlässt den Wald, um in angrenzenden Feldern zu suchen, insbesondere solchen, die etwas höher liegen und so weiter. Abschließend bewerten wir noch, welche Verbindung der Hund mit seinem Führer hält.
Innerhalb einer Stunde soll er Wild finden, heben und die spurlaute Verfolgung beginnen.
    2) Machbarkeit. Auf Ukrainisch sagt man “Zdobutlyvist’”, auf Russisch “Dobychlivost’”, auf Englisch “achievability”. Gemeint ist in unserem Zusammenhang die Möglichkeit, die Größe der theoretisch erzielbaren Strecke vorherzusehen. Wir prüfen also, wie schnell der Hund sein Wild gefunden und hochgemacht hat.
    3) Meisterschaft. Die Art und Weise, wie der Hund selbst die Jagd bestimmt. Wenn er etwa die Witterung verliert, wie lange braucht er, um sie wiederzufinden?
    4) Ausdauer. Wie entschlossen verfolgt der Hund das Wild? Wir bewerten auch die korrekte Reaktion des Hundes auf unsere Anweisungen, während er die Spur verfolgt, aber insgesamt kann man sagen: je länger er beharrlich auf der Spur bleibt, desto besser.
    5) Qualität der Stimme.
    5.1) Stimmumfang und Klangfülle. Je lauter desto besser. Das Geläut der Bracke muss klar, laut und genau zu hören sein.
    5.2) Variationsbreite und Melodiösität. Die Stimme des Hundes sollte alle Töne umfassen und ein  musikalisches Geläut hervorbringen.
    5.3) Zuverlässigkeit. Die Hinweise, die der Hund seinem Führer mittels der Stimme gibt, sollten präzise und dem jeweiligen Stadium der Jagd angemessen sein.
   6) Verzögerung. Normalerweise soll der Hund nicht mehr als 90 – 120 Sekunden hinter dem Hasen zurück sein.
   7) Gehorsam. Inwieweit beherzigt der unangeleinte Hund die Befehle seines Führers in Alltagssituatioen? Sofern er nicht einer Spur folgt, sollte der Hund nach Ertönen des Horns in weniger als 5 Minuten zu seinem Führer zurückkehren.

Russische Bracken werden nur unter realen Bedingungen und an natürlichem Wild geprüft.
Ihre durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei 12 Jahren; 10 davon werden sie bei der Jagd eingesetzt.

Vzlata (1 Jahr) und Hase, 2015

- In Ländern wie Italien, Frankreich oder Spanien werden Bracken meist in der Meute verwendet, während man zum Beispiel in Skandinavien oft mit dem einzelnen Hund jagen geht. Welche Methode bevorzugen Sie?

Wir jagen Hasen normalerweise nur mit dem Einzelhund. Wenn die Effizienz der Jagd sehr wichtig ist, setzen wir auch ein Paar ein. Für die Wolfsjagd jedoch benutzen wir die Meute, obwohl es oft etwas schwierig ist, das zu organisieren. Außerdem gibt es in unserer regulären Jagdzone nicht so sehr viele Wölfe.

- Fellfarbe und Behänge der Russischen Bracke sind recht verschieden von den langohrigen, häufig mehrfarbigen Nachfahren der antiken Keltenbracke. Können Sie uns etwas über Geschichte und Evolution der russischen Rasse erzählen?

Das ist eine gute Frage. Aber – es ist nicht allzu viel darüber bekannt. Der Vater der Russischen Bracke im Zarenreich war Nikolay Kishenskiy (1850-1927). Er schrieb das Buch “Notizen eines Jägers im Gouvernement Twer über die Brackierjagd mit Gewehren” (1879) und schuf 1895 den ersten Rassestandard. Man kann sagen, dass mit diesem Zeitpunkt die Zucht der heutigen Rasse begann. Kishenskiy hielt die Kostroma Bracke für eine reinrassige Russische Bracke, deren Vorfahre wiederum die alte Russische Bracke war, ihrerseits Nachkomme der mythischen Bracke des Ostens.  Diese Hunde kamen etwa im 10. Jh. ins Kiewer Rus, ein prä-russisches, mittelalterliches Reich. In der 1011 gegründeten Sophienkathedrale in Kiew sind Freskos mit brackenähnlichen Hunden zu sehen. Wer brachte sie in unser Land? Am wahrscheinlichsten kamen sie aus dem Osten.
Gemäß einer Version nahmen die zentralasiatischen Mongolen ihre Hunde zu den Überfällen auf das Kiewer Reich mit, aber diese Geschichte ist unwahrscheinlich, denn die Belagerung Kiews fand 1240 statt und da gab es bereits die genannte Freskos. Außerdem kamen die Mongolen aus der Steppe, wo es offensichtlich nicht viel Wald gibt.
Eine andere Theorie ist, dass die Hunde mit Händlern, die über den Kaukasus und via Wolga und Don reisten, aus dem Mittleren Osten kamen. Das klingt schon realistischer, denn so weit wir wissen, stammen alle Bracken ursprünglich aus Nordafrika und dem Mittleren Osten. Im übrigen ist bekannt, dass schon die antiken Griechen mit Bracken jagten. Xenophon schrieb seine berühmte “Abhandlung über die Jagd” 354 v. Chr. In Kapitel 10 erwähnt er vier Brackentypen: Indische, kretische, lokrische and lakonische. Vielleicht gelangten einige dieser Typen mit den Kelten nach Westen und andere nach Osten und in unser Land.
Über die Entwicklung der ursprünglichen Russischen Bracke im Zeitraum von der Belagerung Kiews durch die Mongolen bis zum 19. Jh. wissen wir wenig. Es war unser finsteres Mittelalter.
Vor der Sowjet Ära wurden Brackenmeuten hauptsächlich von Grundbesitzern gehalten. Deshalb haben wir zum Beispiel Russische Bracken vom Alekseev und Lebedev Typ, so benannt nach ihren Züchtern.

Oben: Hunde vom Alekseev-Typ .
Rechts: Mihail
Ivanovich Alekseev.

Zu Beginn des 20. Jhs. gab es in der Tat etliche bekannte Züchter. Einer von ihnen war Mikhail Ivanovich Alekseev aus dem Zvenigorod Distrikt der Provinz Moskau. Seine Hunde waren für ihr äußeres Erscheinungsbild berühmt und bildeten die Grundlage für die Weiterentwicklung der Rasse. Laut einer Anekdote waren Alekseevs Bracken großartige Arbeitshunde, hatten aber nie Wölfe zu Gesicht bekommen, sodass sie nicht fähig waren, sie zu jagen. Aber das ist nur ein Gerücht und die meisten der heutigen Russischen Bracken haben irgendeine Verbindung zu  Alekseevs Meute.
Aleksandr Aleksandrovich Lebedev war ein Tierarzt aus Vyaz’ma in der Provinz Smolensk. Er wurde für seine wissenschaftlich begründete selektive Zucht bekannt. Seine Hunde waren vor allem für ihre Hartnäckigkeit bei der Verfolgung des Wildes geschätzt, aber bis ungefähr 1911 oder 1913 war ihr Äußeres sehr untypisch: manche Hunde waren sogar grau, bis er Alekseevs Budilo IV 2563 in die Zucht aufnahm. 
Und natürlich trug auch Kishenskiy sehr dazu bei, die Rasse zu etablieren.
Da die Ukraine zum Zarenreich gehörte, kamen Russische Bracken mit den Grundbesitzern zu uns. Mit Gewissheit brachten Afanasiev und Prokopenko ihre Hunde mit.
S.F. Afanasiev war ein Arzt aus Kharkiv und sein Hund Plakun würde bei der berühmten Moskauer Ausstellung von 1925, bei der auch der Rassestandard für die Sowjetunion festgelegt wurde, eine Silbermedaille gewinnen.
1917 brach die Oktoberrevolution aus; 1922 wurde die Sowjetunion gegründet. Hundezucht geschah zunächst sehr chaotisch. Erst 1923 wurde sie mit Hilfe von Zharych, Zinevych und Trostyanskyy in der Ukraine sinnvoll organisiert.
Der erste offizielle Rassestandard, 1925 in Moskau verfasst, blieb bis zum 2. Weltkrieg gültig.
Aber der Krieg zerstörte die Zucht erneut vollkommen. Die ukrainischen Wälder wurden von Wölfen regelrecht überschwemmt und dies führte nach Kriegsende zur Schaffung von fünf Zuchtzentren für Jagdhunde. Berühmte Hündinnen wie Rozluka und Provorka gebaren dort Nachwuchs nach Rüden wie Boyok-57, Hul-175 und anderen. Hornist-533, im Besitz von M. Yegorov gilt als der Rüde mit den meisten Nachkommen in der Zuchtgeschichte der Russischen Bracke. Auch einige unserer Hunde sind seine Nachkommen. Im Moment sind wir bei etwa 10 Generationen reinrassiger Russischer Bracken angelangt. Um die Rasse in der Ukraine zu stärken, habe ich von A. Ustyuzhaninov den Rüden Dobych gekauft, einen rein Russischen Champion des Jahres 2008. Auf der Basis seiner Nachkommen versuchen wir, die Zucht zu fördern.
Dobych hat übrigens auch fünfzehn Prüfungsurkunden 1. Klasse bekommen. Wenn Bracken geprüft werden, bewertet man sie in 10 Kategorien und vergibt dafür Punkte, maximal 100 insgesamt.  Für ein Ergebnis I. Klasse muss der Hund mehr als 80 Punkte erhalten, ohne aber den Championtitel gewonnen zu haben. Die II. Klasse bedeutet 70 Punkte, die III. Klasse 60.

Oben und rechts: Champion Veteran Dobych, (14 Jahre).

- Jede Rasse hat etwas das sie von anderen unterscheidet – welche Qualitäten definieren eine Russische Bracke?

Russische Bracken sind berühmt für den Gebrauch ihrer Stimme. Es ist schwer, eine andere Rasse mit derartigem Stimmumfang und einer solchen Auswahl an “Liedern” zu finden. Sie verfolgen ihr Wild mit einem aufregenden, leidenschaftlichen Geläut. Was wir besonders wertschätzen ist der dynamische Wechsel von hoher zu tiefer Stimme und vice versa, und wenn das Tempo von gleichmäßig zu schnell, fast hektisch übergeht. Es ist ein Genuss ihre Stimmen zu hören.
   Aus meiner professionellen Sicht ist die Hartnäckigkeit der Hunde ein ganz wichtiger Punkt. Sie sind unglaublich enthusiastische Verfolger. Andererseits, wie das so oft der Fall ist, ist unter Umständen gerade das auch ihr größter Nachteil: mangelnde Beharrlichkeit ist nicht gut, aber zu viel eben auch nicht, denn niemand möchte zwei Tage auf die Rückkehr seines Hundes warten...
   Was mir persönlich auch noch gefällt, ist ihr wolfsähnliches und im positiven Sinne “tierisches” Aussehen. Der niedrig gehaltene Hals, die widerstandsfähige Konstitution, das harsche Haarkleid. Man erkennt auf den ersten Blick, dass es robuste, hart arbeitende Hunde sind.
Russische Bracken sind im übrigen sehr schlau, sensibel und in jedem Sinne tiefgründig.

Dobych (6 Jahre), 2010, Region Kiew

- Brauchen Russische Bracken Ihrer Erfahrung nach riesige Jagdgebiete in denen sie dem Wild weit und lange folgen können, oder kann man ihnen auch beibringen, in kleineren Zonen und unter mehr direkter Einflussnahme des Hundeführers zu arbeiten?

Die Aufgabe des Hundes ist, zu suchen, Witterung aufzunehmen, der Spur des Wildes zu folgen. Entsprechend sollte er in dem Radius jagen, den auch sein Wild benutzt. Im Falle des Hasen etwa wird der Radius 2-3 Kilometer betragen. Geht es um einen Wolf, ist der Radius wesentlich größer. Der Job des Hundes bleibt aber immer der gleiche. Sofern der Hund tüchtig ist und eine innere Verbindung zwischen Bracke und Führer besteht, glaube ich nicht, dass die Größe des Jagdgebiets von Bedeutung ist. Wir jagen sowohl in relativ kleinen als auch in sehr ausgedehnten Wäldern und nach meiner Erfahrung macht das keinen Unterschied.

Oben: Dar (2 Jahre), 2018, Kiew.
Rechts: Zateyka (2 Jahre) bei den Championships Kiew 2018

- Die Russische Bracke wirkt sehr kraftvoll und selbstsicher, wie ein Hund, der sich im Bedarfsfalle behaupten kann. Was geschieht also, wenn er auf Bär, Wolf oder Luchs stößt?

Was ich mit Bestimmtheit sagen kann, ist, dass ich noch nie von Begegnungen zwischen Bär und Bracke in der Ukraine gehört habe. Meines Wissens macht sich der Bär nichts auf dem Bellen und würde den Hund wohl eher zerreißen. Vor Wolf oder Luchs haben Russische Bracken aber ganz gewiss keine Angst. Selbst ein einzelner Hund kann den Wolf verfolgen und mit ihm kämpfen, so viel ist sicher.

Valeriy Chernyy mit Ayka (Enkelin von Dobych) und Wolf. Energodar, November 2020

- Ich nehme an, jeder hat seine Lieblingsgeschichte über ein bestimmtes Jagderlebnis mit seinen Hunden. Würden Sie uns Ihre erzählen?

Wie ich schon sagte, ist eine der wertvollsten Qualitäten einer Russischen Bracke ihre Hartnäckigkeit, ihr Engagement und die Mühe, die sie sich gibt... Es war Ende November, ein normaler Morgen, draußen ungefähr +5°C. Ich war zwar schon ein bisschen spät dran, ging dann aber trotzdem noch mit einem 19 Monate alten Jungrüden namens Vihr’ in den Wald. Um 8 Uhr setzte ich den Timer und ließ den Hund von der Leine. Nach ungefähr 15-20 Minuten gab Vihr’ Laut: er folgte einer Spur, fast mit Gewissheit einer Fuchsspur. Ich schaute auf meine Uhr und begann zu warten. Und dann geschah plötzlich etwas das mich völlig aus meiner “jagdlichen Fassung” brachte. Es war die Musik seines Geläuts. Der Ton. Die Melodie. Wie er versuchte, mir alles was geschah durch seine Stimme zu vermitteln. Der Wettstreit zwischen der Hingabe einer jungen Bracke und der Schlauheit eines erfahrenen Fuchses. Eine reine, perfekte Verbindung. Es war so einfach, sich alles was da geschah vorzustellen. Ich genoss die Momente, wenn er seine Stimme modulierte und die Illusion entstand, zwei Hunde verfolgten das Wild. Ich schaute nicht mehr auf meine Uhr. Ich hörte einfach nur zu, wartete, atmete... und viel ging mir durch den Kopf, ehe ich diesen Fuchs erlegte. Es war bezaubernd und ich so stolz auf meinen Hund. 
Zwei Monate später wurde Vihr’ Ukrainischer Arbeitschampion und dieser wunderbare Morgen mit ihm im Wald ist mir noch immer im Gedächtnis.
     Ich wünschte wirklich, jeder könnte wenigstens einmal in seinem Leben diese tiefe, archaische Verbindung zwischen Mensch und Bracke spüren.

Übersetzt aus dem Ukrainischen ins Englische von Bogdan Basii.
Übersetzt aus dem Englischen ins Deutsche von Sabine Middelhaufe

 

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