Jagen mit Russischen Bracken
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Jagen mit Russischen Bracken in der Ukraine – Ein Interview mit Mykhailo Basii Die Russische Bracke oder Kostroma Bracke gehört zu diesen etwas geheimnisvollen Rassen, der man auf keiner internationalen Hundeausstellung begegnet, weil die FCI sie merkwürdigerweise noch immer nicht anerkannt hat. Auch in westeuropäischen Jagdrevieren trifft man sie nicht an, denn in denen tummeln sich seit gut 2000 Jahren die langohrigen, sanftäugigen und farbenfrohen Nachkommen der antiken Keltenbracke. - Mit Bracken in der Ukraine zu jagen, ist sicher etwas anders als die Jagd in Deutschland oder Italien. Fangen wir einmal mit der Landschaft an: wie sieht Ihr Jagdgebiet aus? |
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Wie Sie auf der Karte erkennen können, besteht die Ukraine, abgesehen von den Karpaten und Gebirgen der Krim, aus drei Landschafttypen: Wald, Steppe, also einer fast baumlosen Graslandebene und der Waldsteppe als Übergangszone von Mischwald zu Grasland. |
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- Wie ist das Jagdwesen organisiert? Etwa 80% des ukrainischen Territoriums ist Jagdgebiet.*) Das sind über 46 von 60 Millionen ha. Ungefähr 32 Millionen ha gehören den zahlreichen Organisationen des UTMR (Ukrajinske Tovarystvo Myslyvtsiv i Rybalok oder Ukrainischer Jäger und Fischer Verein). Das heisst, die meisten Jagdgebiete in unserem Land sind öffentlich, der Rest ist privat (in Langzeitpacht) oder Staatseigentum. Man muss UTMR Mitglied sein und ein Saison Ticket kaufen, um in den Jagdgebieten der verschiedenen Organisationen jagen zu können. Mit rund 20 Euro ist ein Ticket sehr billig. In privaten Revieren dagegen bezahlt man 10 Euro pro Tag. |
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Oben: Kornfelder, Region Kiew, 2020. |
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- Welche Wildarten jagen Sie mit der Russischen Bracke? Russische Bracken sind eigentlich als “Waldhunde” angelegt, mit dem Schneehasen als ihr hauptsächliches Wild. Bekanntlich versucht dieser Hase, stets im Wald zu bleiben. Allerdings ist die Spezies in der Ukraine selten und ihre Jagd verboten. Wo wir leben gibt es stattdessen Feldhasen und obwohl die Russische Bracke sehr vielseitig ist, züchten wir unsere Hunde speziell für die Hasenjagd und setzen sie in Wald und Waldsteppe genauso ein wie in trockenem Schilf. |
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Mykhailo Basii mit dem Paar Dar & Vzlata. Skvyra, 2018 |
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- Könnte die Rasse auch für andere Wildarten eingesetzt werden, die in Ihren Jagdgebieten vielleicht nicht vorhanden sind? Wie gesagt sind Russische Bracken äußerst vielseitig. Man kann eine Menge Wildtiere mit ihnen jagen: Hasen, Füchse, Wildschweine, Rehe... Mit der Meute kann man auch auf Wolfsjagd gehen. |
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Vzlata (18 Monate), 2016, Region Kiew |
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- Wie lang ist Ihre Jagdsaison? Die Saison für Haar- und Schalenwild ist in der Ukraine sehr kurz: kollektives Jagen ist von November bis Januar erlaubt, die Einzeljagd bis Februar. - Das ergibt gerade mal um die 20 Jagdtage in einem ganzen Jahr… Das stimmt und obendrein darf jeder Jäger nur einen Hasen pro Jagdtag erlegen. Es gibt im Laufe des Jahres also nicht viele Gelegenheiten für die Hunde, die Arbeit für die sie bestimmt sind, zu tun... Immerhin dürfen wir während der Jagdsaison aber jeden Tag und ohne Begrenzung Füchse, Wölfe und Goldschakale jagen. Diese Regeln entstanden aufgrund von Faktoren der Natürlichen Ökonomie: Füchse, Wölfe und Goldschakale gelten in der Landwirtschaft als Schädlinge. Außerdem gefährden sie die traditionellen ländlichen Gemeinden in der Ukraine. Die Jagd mit Russischen Bracken hilft also auch den betroffenen Menschen und hat einen umweltschützenden Zweck. |
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Dar (1 Jahr), 2017, Region Kiew |
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- Was tun Sie, um Ihre Hunde bei so wenigen Jagdtagen trotzdem glücklich, gesund und fit zu halten? Die Jagdsaison an sich ist sehr kurz, aber es ist nicht verboten, die Bracken auch außerhalb dieser Zeit Hasenspuren arbeiten zu lassen, ihre Fähigkeiten zu überprüfen, mit den Welpen und Junghunden hinaus zu gehen, um sie einzuarbeiten, solange man dabei kein Wild erlegt. |
In der Meute: Vzlata, Zateyka, Dar, Alt, Dobych, 2016 |
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- Bracken sind üblicherweise sehr autonom bei ihrer Arbeit und können sich auf ihre Instinkte verlassen. Dennoch brauchen sie ein gewisses Basistraining. Wie bereiten Sie Ihre Welpen und Junghunde also vor? Russische Bracken sind sehr schlau und unabhängig. Natürlich muss man ihnen trotzdem gutes Benehmen beibringen, damit das Zusammenleben mit anderen Tieren und Menschen im Haus problemlos funktioniert. Wir bringen unseren Hunden zunächst einmal vollkommene Gleichgültigkeit gegenüber Haustieren bei. Ob Katze, Ratte, Kuh, Huhn, Kaninchen... der Hund soll nicht auf sie reagieren. Auch eine gewisse Indifferenz gegenüber Menschen muss er lernen. Ihm wird beigebracht, Leute zu ignorieren, auch wenn er an sich sehr freundlich ist, dies um zu vermeiden, dass er sich von Fremden stehlen lässt! |
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Oben: Junghund Nalyot’ (9 Monate), 2020, Kiew. |
Ein Hund sollte sich nicht beunruhigen oder es zu wichtig nehmen, welcher (vertraute) Mensch ihn zum Jagen mitnimmt, vorausgesetzt sein Besitzer hat es erlaubt. Während der Jagd werden die Hunde mit dem Jagdhorn kontrolliert und geleitet. Deshalb bringen wir ihnen ab dem 3-4 Lebensmonat bei, den Signalen zu gehorchen, die aus bestimmten zwei- oder dreinotige Melodien bestehen können. Wichtig ist natürlich auch, dass jeder Hund den genauen Ton des Horns seines Besitzers kennt, da auch viele andere Brackenführer ein Horn verwenden! Dem Hund ist nicht erlaubt, die Verfolgung des Wildes vor Ertönen des entsprechenden Signals zu beginnen. Auch um die Verfolgung anzuhalten benutzt man ein Hornsignal. Wir halten unsere Hunde so viel wie möglich unangeleint; sie sollten ihren Besitzer “fühlen”, nicht ihm gehorchen. Mit 5-6 Monaten fangen wir allmählich an, die Junghunde mit ins Jagdgebiet zu nehmen. Sie werden mit dem Wald vertraut und lernen, stets auf ihren Führer und die von ihm gewählte Richtung fokussiert zu bleiben. Klar, es sind Tiere und oft hängt es von der individuellen Gemütsverfassung und den Umständen ab, aber alles in allem bringen wir unseren Bracken bei, diese Regeln zu beherzigen. |
Alt (1 Jahr), Dobych (13 Jahre), Vzlata (3 Jahre), 2017 |
Wenn die Junghunde ungefähr 10 Monate alt sind, fangen wir an, sie zu testen. Es sind 7 Disziplinen und 10 Eigenschaften die wir bewerten: 1) Anlage für die Suche. Wie sucht der Hund das Wild? Wir beurteilen die Weite der Suche, dann ihre “Aussagekraft”, das heisst, der Hund soll nicht nur in dem weiten Suchkorridor von beispielsweise 800 Metern bleiben, sondern ganz bewusst auch Zonen inspizieren, in denen sich theoretisch Orte befinden, wo er Wild finden könnten. Er schaut also genau unter umgestürzte Baumstämme oder verlässt den Wald, um in angrenzenden Feldern zu suchen, insbesondere solchen, die etwas höher liegen und so weiter. Abschließend bewerten wir noch, welche Verbindung der Hund mit seinem Führer hält. Russische Bracken werden nur unter realen Bedingungen und an natürlichem Wild geprüft. |
Vzlata (1 Jahr) und Hase, 2015 |
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- In Ländern wie Italien, Frankreich oder Spanien werden Bracken meist in der Meute verwendet, während man zum Beispiel in Skandinavien oft mit dem einzelnen Hund jagen geht. Welche Methode bevorzugen Sie? Wir jagen Hasen normalerweise nur mit dem Einzelhund. Wenn die Effizienz der Jagd sehr wichtig ist, setzen wir auch ein Paar ein. Für die Wolfsjagd jedoch benutzen wir die Meute, obwohl es oft etwas schwierig ist, das zu organisieren. Außerdem gibt es in unserer regulären Jagdzone nicht so sehr viele Wölfe. - Fellfarbe und Behänge der Russischen Bracke sind recht verschieden von den langohrigen, häufig mehrfarbigen Nachfahren der antiken Keltenbracke. Können Sie uns etwas über Geschichte und Evolution der russischen Rasse erzählen? Das ist eine gute Frage. Aber – es ist nicht allzu viel darüber bekannt. Der Vater der Russischen Bracke im Zarenreich war Nikolay Kishenskiy (1850-1927). Er schrieb das Buch “Notizen eines Jägers im Gouvernement Twer über die Brackierjagd mit Gewehren” (1879) und schuf 1895 den ersten Rassestandard. Man kann sagen, dass mit diesem Zeitpunkt die Zucht der heutigen Rasse begann. Kishenskiy hielt die Kostroma Bracke für eine reinrassige Russische Bracke, deren Vorfahre wiederum die alte Russische Bracke war, ihrerseits Nachkomme der mythischen Bracke des Ostens. Diese Hunde kamen etwa im 10. Jh. ins Kiewer Rus, ein prä-russisches, mittelalterliches Reich. In der 1011 gegründeten Sophienkathedrale in Kiew sind Freskos mit brackenähnlichen Hunden zu sehen. Wer brachte sie in unser Land? Am wahrscheinlichsten kamen sie aus dem Osten. |
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Oben: Hunde vom Alekseev-Typ . |
Zu Beginn des 20. Jhs. gab es in der Tat etliche bekannte Züchter. Einer von ihnen war Mikhail Ivanovich Alekseev aus dem Zvenigorod Distrikt der Provinz Moskau. Seine Hunde waren für ihr äußeres Erscheinungsbild berühmt und bildeten die Grundlage für die Weiterentwicklung der Rasse. Laut einer Anekdote waren Alekseevs Bracken großartige Arbeitshunde, hatten aber nie Wölfe zu Gesicht bekommen, sodass sie nicht fähig waren, sie zu jagen. Aber das ist nur ein Gerücht und die meisten der heutigen Russischen Bracken haben irgendeine Verbindung zu Alekseevs Meute. Aleksandr Aleksandrovich Lebedev war ein Tierarzt aus Vyaz’ma in der Provinz Smolensk. Er wurde für seine wissenschaftlich begründete selektive Zucht bekannt. Seine Hunde waren vor allem für ihre Hartnäckigkeit bei der Verfolgung des Wildes geschätzt, aber bis ungefähr 1911 oder 1913 war ihr Äußeres sehr untypisch: manche Hunde waren sogar grau, bis er Alekseevs Budilo IV 2563 in die Zucht aufnahm. Und natürlich trug auch Kishenskiy sehr dazu bei, die Rasse zu etablieren. Da die Ukraine zum Zarenreich gehörte, kamen Russische Bracken mit den Grundbesitzern zu uns. Mit Gewissheit brachten Afanasiev und Prokopenko ihre Hunde mit. S.F. Afanasiev war ein Arzt aus Kharkiv und sein Hund Plakun würde bei der berühmten Moskauer Ausstellung von 1925, bei der auch der Rassestandard für die Sowjetunion festgelegt wurde, eine Silbermedaille gewinnen. 1917 brach die Oktoberrevolution aus; 1922 wurde die Sowjetunion gegründet. Hundezucht geschah zunächst sehr chaotisch. Erst 1923 wurde sie mit Hilfe von Zharych, Zinevych und Trostyanskyy in der Ukraine sinnvoll organisiert. Der erste offizielle Rassestandard, 1925 in Moskau verfasst, blieb bis zum 2. Weltkrieg gültig. Aber der Krieg zerstörte die Zucht erneut vollkommen. Die ukrainischen Wälder wurden von Wölfen regelrecht überschwemmt und dies führte nach Kriegsende zur Schaffung von fünf Zuchtzentren für Jagdhunde. Berühmte Hündinnen wie Rozluka und Provorka gebaren dort Nachwuchs nach Rüden wie Boyok-57, Hul-175 und anderen. Hornist-533, im Besitz von M. Yegorov gilt als der Rüde mit den meisten Nachkommen in der Zuchtgeschichte der Russischen Bracke. Auch einige unserer Hunde sind seine Nachkommen. Im Moment sind wir bei etwa 10 Generationen reinrassiger Russischer Bracken angelangt. Um die Rasse in der Ukraine zu stärken, habe ich von A. Ustyuzhaninov den Rüden Dobych gekauft, einen rein Russischen Champion des Jahres 2008. Auf der Basis seiner Nachkommen versuchen wir, die Zucht zu fördern. Dobych hat übrigens auch fünfzehn Prüfungsurkunden 1. Klasse bekommen. Wenn Bracken geprüft werden, bewertet man sie in 10 Kategorien und vergibt dafür Punkte, maximal 100 insgesamt. Für ein Ergebnis I. Klasse muss der Hund mehr als 80 Punkte erhalten, ohne aber den Championtitel gewonnen zu haben. Die II. Klasse bedeutet 70 Punkte, die III. Klasse 60. |
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Oben und rechts: Champion Veteran Dobych, (14 Jahre). |
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- Jede Rasse hat etwas das sie von anderen unterscheidet – welche Qualitäten definieren eine Russische Bracke? Russische Bracken sind berühmt für den Gebrauch ihrer Stimme. Es ist schwer, eine andere Rasse mit derartigem Stimmumfang und einer solchen Auswahl an “Liedern” zu finden. Sie verfolgen ihr Wild mit einem aufregenden, leidenschaftlichen Geläut. Was wir besonders wertschätzen ist der dynamische Wechsel von hoher zu tiefer Stimme und vice versa, und wenn das Tempo von gleichmäßig zu schnell, fast hektisch übergeht. Es ist ein Genuss ihre Stimmen zu hören. |
Dobych (6 Jahre), 2010, Region Kiew |
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- Brauchen Russische Bracken Ihrer Erfahrung nach riesige Jagdgebiete in denen sie dem Wild weit und lange folgen können, oder kann man ihnen auch beibringen, in kleineren Zonen und unter mehr direkter Einflussnahme des Hundeführers zu arbeiten? Die Aufgabe des Hundes ist, zu suchen, Witterung aufzunehmen, der Spur des Wildes zu folgen. Entsprechend sollte er in dem Radius jagen, den auch sein Wild benutzt. Im Falle des Hasen etwa wird der Radius 2-3 Kilometer betragen. Geht es um einen Wolf, ist der Radius wesentlich größer. Der Job des Hundes bleibt aber immer der gleiche. Sofern der Hund tüchtig ist und eine innere Verbindung zwischen Bracke und Führer besteht, glaube ich nicht, dass die Größe des Jagdgebiets von Bedeutung ist. Wir jagen sowohl in relativ kleinen als auch in sehr ausgedehnten Wäldern und nach meiner Erfahrung macht das keinen Unterschied. |
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Oben: Dar (2 Jahre), 2018, Kiew. |
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- Die Russische Bracke wirkt sehr kraftvoll und selbstsicher, wie ein Hund, der sich im Bedarfsfalle behaupten kann. Was geschieht also, wenn er auf Bär, Wolf oder Luchs stößt? Was ich mit Bestimmtheit sagen kann, ist, dass ich noch nie von Begegnungen zwischen Bär und Bracke in der Ukraine gehört habe. Meines Wissens macht sich der Bär nichts auf dem Bellen und würde den Hund wohl eher zerreißen. Vor Wolf oder Luchs haben Russische Bracken aber ganz gewiss keine Angst. Selbst ein einzelner Hund kann den Wolf verfolgen und mit ihm kämpfen, so viel ist sicher. |
Valeriy Chernyy mit Ayka (Enkelin von Dobych) und Wolf. Energodar, November 2020 |
- Ich nehme an, jeder hat seine Lieblingsgeschichte über ein bestimmtes Jagderlebnis mit seinen Hunden. Würden Sie uns Ihre erzählen? Wie ich schon sagte, ist eine der wertvollsten Qualitäten einer Russischen Bracke ihre Hartnäckigkeit, ihr Engagement und die Mühe, die sie sich gibt... Es war Ende November, ein normaler Morgen, draußen ungefähr +5°C. Ich war zwar schon ein bisschen spät dran, ging dann aber trotzdem noch mit einem 19 Monate alten Jungrüden namens Vihr’ in den Wald. Um 8 Uhr setzte ich den Timer und ließ den Hund von der Leine. Nach ungefähr 15-20 Minuten gab Vihr’ Laut: er folgte einer Spur, fast mit Gewissheit einer Fuchsspur. Ich schaute auf meine Uhr und begann zu warten. Und dann geschah plötzlich etwas das mich völlig aus meiner “jagdlichen Fassung” brachte. Es war die Musik seines Geläuts. Der Ton. Die Melodie. Wie er versuchte, mir alles was geschah durch seine Stimme zu vermitteln. Der Wettstreit zwischen der Hingabe einer jungen Bracke und der Schlauheit eines erfahrenen Fuchses. Eine reine, perfekte Verbindung. Es war so einfach, sich alles was da geschah vorzustellen. Ich genoss die Momente, wenn er seine Stimme modulierte und die Illusion entstand, zwei Hunde verfolgten das Wild. Ich schaute nicht mehr auf meine Uhr. Ich hörte einfach nur zu, wartete, atmete... und viel ging mir durch den Kopf, ehe ich diesen Fuchs erlegte. Es war bezaubernd und ich so stolz auf meinen Hund. Übersetzt aus dem Ukrainischen ins Englische von Bogdan Basii. |
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