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Zweithund Bracco Italiano (2)


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Zweithund Bracco Italiano (2)
Von Regina Brand

Der zweite Lebensmonat Primos hier in Wien hat begonnen … und ist dank Rodin manchmal ein bisschen turbulenter. Letzterer scheint nämlich vergessen zu haben, dass er in einem Monat schon 4 Jahre jung wird, und führt sich momentan ein bisschen „dämlich“ auf, so als hätte er vieles verschwitzt, was wir immer wieder durchgeübt, trainiert, oder auch was er zu „unterlassen“ gelernt hatte. In puncto "fast unerschöpfliche Fantasie beim Unfug Machen" sind sich die beiden jetzt auch beinahe ebenbürtig.
Rodin zeigt mir sehr deutlich, wenn ich seine Übungen, sein Training vernachlässige, verschludere, zu faul bin und animiert mich wieder zum konsequenter Sein..! Dass Primo auch nicht gerade dumm ist, hab ich ja schon erwähnt. Der Kleine hatte also sehr schnell heraus, dass er nur irgendeinen „Mist“ ins Mäulchen nehmen muss, den er wieder fallen lässt, noch bevor das Kommando „spuck´s aus!“ überhaupt ertönt, und dafür trotzdem pronto ein Leckerli bekommt. Rodin wiederum kehrt, sobald er aus dem Augenwinkel mitbekommt, dass ich in meine rechte Hosentasche greife, auch pronto um (so schnell ist er sonst nicht, wenn's wirklich darauf ankäme!) und rast heran, um ebenfalls ein Leckerli zu ergattern. Schließlich ist er ja sofort gekommen - auch wenn ich ihn gar nicht gepfiffen oder gerufen hatte... Rufe oder pfeife ich allerdings, weil ich beim Erscheinen mancher, bestimmter größerer Rüden wie z. B. schwarzer Labradors, Rottweiler oder diverser Listenhunde möchte, dass Rodin ohne „stille, mentale Dominanz-Starre-Machtspielchen“ mit diesen sofort umdreht und zurückkommt, muss er als g'standenes Mannsbild natürlich erst mal wie angenagelt stehenbleiben, mindestens 10 Sekunden guuuuucken - und dabei vermutlich überlegen, ob er nicht doch sämtliche schon gehörten Warnungen und Androhungen der Alten hinter ihm in den Wind schlagen, und dem vierbeinigen Typen da vor ihm nicht doch mal ordentlich Bescheid sagen sollte. Ich erkenne bei Rodin an seinem Gesichtsausdruck und der Ohrenhaltung sehr gut, wie er da gerade „aufgelegt“ ist. Ein paar Typen hätten hier wirklich nix zu lachen, wenn der Große Schwarze nicht auch ganz genau wüßte, dass er danach von meiner Seite auch nichts mehr zu lachen hätte, und sich deshalb vernünftiger Weise doch an unsere „Absprachen“ hält. Wenn auch immer wieder mal mit Verzögerung.


Oh oh, nix wie weg hier!!
Primo hat – wie mir scheint – doch ein recht gutes Gespür für andere Hunde; bei den meisten nimmt er nach anfänglichem „Gucken“ doch Reißaus, bei manchen ist er sich nicht ganz schlüssig, und hopst mit vielen Spielaufforderungssequenzen hin und her, kommt aber dann trotzdem schnell zu mir, wenn ich kurz und leise pfeife. Kleinere Artgenossen à la französische Bulldoggen, Möpse oder Spaniels und Dackel findet er hingegen klasse zum Spielen und zeigt auch keine Scheu, wohingegen er langhaarige Kleinhunde schlichtweg ignoriert - oder sekkiert.
Das stubenrein Werden war bei meinem kleinen Italiener, dem man übrigens beim Wachsen zusehen kann, ein eigenes Ding. Es gab viele Tage, da klappte es vorzüglich, in der Wohnung und im Haus passierten keine Pfützchen mehr, und dann hatten wir Tage, an denen er offensichtlich des öfteren vergaß, dass er erst kurz zuvor ausreichend draussen war.
Die Nächte waren gottseidank schneller ruhig und ungestört, aber morgens, nach ungefähr 11 Std Schlaf, zumeist ruhig an meiner Seite, springe ich auch weiterhin schnell in Hose, Jacke und Schuhe, nehme den immer schwerer werdende Schimmelstrumpf hoch, renne mit ihm zum Lift und setze den italienischen Junker erst im Freien in einer Parklücke ab. Das Risiko großer Pfützen im Haus ist dadurch nicht mehr zu groß.
Wasser von unten ist klasse…Schimmelstrumpfi hopst, rast mit seinen so herrlich ungelenken Galoppaden hin und her, jumpt im Wasser herum, veranstaltet mit Rodin Rennspielchen an seichten Stellen, verliert dabei auch des öfteren mal den Boden unter den Füßen, aber das macht nix ausser Spaß. Aber wehe, es regnet..!
Mit Rodin hab ich mich in den letzten Tagen wieder intensiv beschäftigt, und weil Primo da so schön mittut, und es ihm sicherlich nicht schaden kann, haben wir auf den (U-Bahn) Fußgänger-Brücken das Zurückkommen auf Sicht- und auch auf Hörzeichen geübt. Eigentlich müsste es bei Rodin jetzt wieder für Monate sitzen. Mitgemacht hat er gut, (also doch nichts "vergessen"), verlässlich, schön, sogar als uns wider Erwarten andere Rüden entgegen kamen.
Zwischendurch gabs dann auch für Primo mal „Bleib Sitz“ neben Rodin. Damit hab ich beim Großen keine Probleme, aber ich wollte wissen, wie schnell der Kleine akzeptiert, dass ich einige Meter weiter weggehe und er trotzdem an Rodins Seite bleiben soll

Sitzen und bleiben klappt schon ganz gut.
Jeder Hund ist anders: Axel, mein alter Roter, war perfekt, er hatte es in seinen jungen Jahren blitzschnell heraus; Leon, Rodins Vorgänger, spielte gern mit mir das Spiel "Wenn sie geht, sieht sie ja nicht, dass ich ihr nachschleiche", und er hat sein ganzes Leben lang nicht verstanden, dass er dort, wo ich ihn absetzte, oder ablegte, auch bleiben sollte. Wenn ich mich dann umdrehte und zurücksah, erstarrte er in der gleichen Sekunde zu einer bewegungslosen Statue, und ich musste mir sehr oft das Lachen verkneifen.
Primolino bleibt sitzen wenn ich ein paar Meter rückwärts weg gehe und ihn dabei ansehe. Hocke oder kniee ich mich aber hin, um z. B. Fotos zu machen, kommt er sofort angesaust und ich bekomme viele freudige Bussis, „weil ich Dich ja sooo lange schon nicht mehr gesehen habe!“ Klar, er hat das „Hereinkommen“ ja auch so gelernt, und es sind schon gute Ansätze fürs Sitz sichtbar!
Bei der letzten Wanderung am Hubertusdamm konnte ich aber zu meinem Leidwesen auch erkennen, dass er ein großes Faible für „Pfui“-Dinge, wie Aas und fremde Häufchen, hat. Das wird wohl ein langer beschwerlicher Weg werden, ihm diese Vorliebe abzugewöhnen!
Die Nase des Kleinen funktioniert superb, und er fand beim Spaziergang sofort die drei toten und schon sehr verwesten Jungkrähen, die wohl der letzte Sturm vom Baum gerüttelt hatte, und obwohl ich mich, ein Stück vor ihm gehend, prompt abwendete und eine andere Richtung einschlug, musste er sie erst mal untersuchen. Ein Festmahl für den kleine Italiener - iiiigiiittt!
Ich luchste ihm die Kadaver also ab, und warf sie ins Wasser, denn so ein Schwimmer ist er noch nicht, dass er da begeistert nachgehüpft wäre. Sollen sich die Fische darum kümmern.
Doch Stunden später, am Rückweg, fand Primo, kurz vor mir laufend und eigentlich ohnehin von Rodin und Ball abgelenkt, sofort wieder die Stelle, wo die toten Vögel gelegen hatten...

Und wo sind die Krähenkadaver geblieben? Ich weiss genau, die waren hier...
Rodin hat mitunter schon eine etwas sehr raue Art, Primo „zurück“ zu holen, oder zurechtzuweisen. Auch im Spiel - er überrollt ihn einfach, springt fast auf ihn drauf, wirft ihn um oder rennt ihn nieder, und ich hab immer ein bisschen Angst, dass er dem Kleinen, wenn auch nicht beabsichtigt, mal sehr weh tun könnte. Und der Kleine quietscht natürlich schon im Voraus, obwohl er, wie ich auch beobachten konnte, durchaus nicht wehleidig ist, sondern auch vorkommende kleine Cuts  ohne irgendeinen Mucks einsteckt.
So auch heute: der Kleine saß mit trotzigem Gesicht auf der Hangseite der Wiese und ich ging mit dem Gedanken in die Gegenrichtung los, dass er schon nachkäme, wenn ich aus seiner Sicht verschwinden würde. Ich pfiff  noch einmal, und wartete dann hinter den Büschen auf der Uferseite. Rodin hingegen schien zu meinen, der Kleine hätte prompter zu folgen, raste auf ihn zu, und stauchte ihn grollend in meine Richtung. Der Schwarze ist schon ein ziemlicher Rüpel, und ich bin froh, dass Primo, auch wenn er kurzzeitig erschrickt, nicht wirklich Angst vor Rodin bekommt.
Das ist etwas, was die Beiden massiv voneinander unterscheidet: bei Rodin gibt’s des öfteren nur Extreme, keine Mittelwege im Verhalten. Primo ist weicher, softer, dezenter. Noch, - ob das so bleibt?

Primo scheint Rodins gelegentliche Grobheit nicht ernsthaft übel zu nehmen.
Seit einigen Tagen ist Luna bei uns zu Besuch, für eine gute Woche. Luna ist ebenfalls eine Gordon Setter Hündin, die einige Jahre in Wien gelebt hat, und jetzt, seit etwa rund zwei Jahren, auf dem Lande im Burgenland wohnt. Prinzipiell eine sehr brave Hündin, liebenswert, dezent, bescheiden. Aber mit einer Eigenheit, mit der ich überhaupt nicht gut zu Rande komme. Beim Freilaufen läuft sie maximal 10 m voraus und dreht dann sofort um, oder sie wuselt ständig um mich herum. Sie wirkt wie ein ständig eng kreisender Trabant.
Dieses Verhalten macht mich hypernervös. Beim Sitzen am Straßenrand versäumt sie regelmäßig, aufzustehen, wenn wir losgehen, um die Straßen zu überqueren; sie erscheint dann wie weggetreten, träumend vor sich hinsitzend, bis ich sie ausdrücklich zum Aufstehen und Mitgehen auffordere.
Ich bräuchte im Moment mindestens drei Augenpaare, um nicht über Luna, die mir immer wieder direkt vor die Füße läuft, zu stolpern, Primo erfolgreich daran zu hindern, irgend etwas aufzuklauben, das seinem kleinen Magen und Darm ganz, ganz sicher nicht wohl bekommt, und last but not least, um Rodin im Auge zu behalten, der wiederum die Spezialität hat, bei unseren „innerstädtischen“ Runden um die nächste Hausecke zu verschwinden, auch wenn diese 100 m entfernt sind. Anfangs hab ich da ziemliche Nervenstrapazen erlebt, wenn ich allerdings um die Ecke biege, sitzt er stets brav mitten am Gehsteig und wartet - grinsend über beide Ohren, wie mir des öfteren scheinen will.
Seit ich diese Eigenart an ihm wirklich gut kenne und einschätzen kann, und dank der sehr konsequenten und tatsächlich erfolgreich verlaufenden Erziehung, entgegenkommenden Rüden zu 99% aus dem Wege zu gehen, sie auch selbst in Ruhe zu lassen, und nicht selbstständig über die Straße zu laufen, mach ich mir wesentlich weniger „Sorgen“ um ihn, wenn er wieder einmal „verschwunden“ ist.


Auf der Suche nach toten Fischen??

Primo ist übrigens der geborene „Leichen“-Spürhund, Kadaver sind seine Spezialität.
Heute aus seinem Mäulchen gefischt, bzw. ihn grad noch rechtzeitig am Schlaffittchen erwischt, bevor er sich daran gütlich tun oder wälzen konnte: zwei tote, stinkende Rotfeder-Fische plus eine total verweste, vergammelte Maus...
Zusätzlich hat er  die Gabe, menschliche Hinterlassenschaften in den Ufergebüschen schnell aufzuspüren. Es wird, wie ich schon vor ein paar Wochen erkannt hatte, ein ziemlich harter Weg werden, ihm das abzugewöhnen oder auch sanft, aber erfolgreich zu vergällen. (Und einmal mehr meine bittere Erkenntnis, dass nicht Schweine Säue sind, sondern viele Menschen. Ich bin immer wieder und immer mehr darüber entsetzt, was man so alles findet.)
Faszinierend für Primo ist auch Papier, Taschentücher voran, Klopapier, Küchenpapier, Zeitungen, meine Rätselhefte, an meine Bücher kommt er ja gottseidank noch nicht.
Ein Fiasko-Tag: den ersten Morgenausgang, der sich Primo-gemäß sehr kurz hält, denn offensichtlich ist der kleine Mann kein Gern-Frühaufsteher, haben wir beide allein absolviert. Primo, immer noch auf meinem Arm, (denn die Pfützchen am Morgen sind die größten) Leine und Halsband in der Hand, schnell zum Lift hetzen und hoffen, dass dieser Schleicher möglichst schnell in den 7. Stock und wieder hinunter ins Erdgeschoß schleichen möge, und  den kleinen Italiener erst draussen in einer Parklücke absetzen. Zur nahen Wiese zwecks Häufchen-Produktion strebt er alleine (an der Leine). Danach noch ungefähr 50 Menschenschritte laufen und dann setzt er sich vor mich, nimmt ein Stückchen Leine ins Maul, was heißt: bitte, bitte, schnell wieder zurück in unsere Wohnung, damit er sich noch mal für 2 oder 3 Std. in meine Kissen kuscheln kann. (Rodin hat relativ bald entschieden, dass wir diese kürzeste, früheste Morgenrunde getrost alleine gehen dürfen.)


Alle Geschäfte erledigt, darf ich jetzt bitte wieder ins Bett?!

Am späten Vormittag fiel dem Großen Schwarzen dann bei seinem ersten Rausgehen ein, dass es eigentlich blöde und öde ist, auf den langsamen Lift zu warten, und sauste schon mal die Stiegen runter… Als wir, Luna, Primo und ich, mit dem Lift 7 Stockwerke weiter unten ankamen, war von Rodin keine Spur zu entdecken. Also hängte ich die beiden kurz im Erdgeschoß an, und machte mich auf die Suche nach Rodin, der im dritten Stock auf dem Stiegenabsatz saß und fröhlich wedelte, als ich ihn fand. Am frühen Nachmittag das gleiche Spiel noch mal.
Der Tag ging damit weiter, dass Rodin auf dem Treppelweg am Donau Ufer entdeckte, dass weiter vorne in der seichten Kiesbucht ein paar Schwäne auf dem Trockenen saßen und sich füttern ließen. Und so lieferte er mir einen Parade Rückfall in Sachen: „Schwäne ins Wasser hetzen!“
Mehr ist es zwar wirklich nicht, aber es reicht, es ist peinlich, gefährlich, und saublöd! Und die bösen Schimpfereien der unfreiwilligen Zuseher bezüglich freilaufender Hunde, noch dazu vermeintlicher Rottweiler, die angeblich „hetzen“ und wildern, und die armen, hungernden Schwäne auch noch killen, die brauchte ich  auch nicht wirklich.
Kurz darauf entdeckte Primo die ersten organischen Hinterlassenschaften eines Homo sapiens und erwischte einen kräftigen Happen. Ich kochte innerlich vor Wut über mich selbst und animierte Primo zum Weiterlaufen, um die verlockenden Haufen zu vergessen.
Zwischendurch hinderte ich Luna daran, sich in ebenso ungustiösen Dingen in der Wiese zu wälzen, und gestand mir immer mehr ein, dass ich momentan ziemlich überfordert war. Und dass es eine sehr dumme Idee gewesen war, zu einem Welpen noch einen recht speziellen Gasthund aufzunehmen, wenn auch nur für anderthalb Wochen...


Primo mit seinem Baby-Dummy.
Der Rest des Badeausflugs verlief gottseidank gut. Auch Luna ließ sich zum „Apportieren“ aus dem Wasser animieren, Primo überraschte mich damit, dass er mir vertrauensvoll wieder relativ weit ins tiefere Wasser folgte und auf meine Spielchen mit dem Welpendummy einging.
Rodin begeisterte mich, weil er sich mit bravem, erfolgreichem Dummy-Apport nicht nur aus dem Wasser an Land, sondern auch umgekehrt, von der weiteren Wiese wieder zurück zu mir ans Ufer, wohl für sein schlechtes Benehmen den Schwänen gegenüber „entschuldigen“ wollte.
Beim Rückweg musste ich Primo allerdings noch zwei tote Fische vermiesen, eine vergammelte Maus entreissen, und einem stinkenden Windelhaufen auszuweichen beibringen. Und er stellte fest, dass die beiden, aus seiner Perspektive nun schon um einiges kleineren, alten Spanieldamen einer Bekannten, keine Spielgefährten abgeben, sondern ihm recht zickig ganz schön die Ohren langzogen, als er ungestüm und frech auf sie zupreschte.
Für den Rest der Wanderung bis zur U-Bahn-Brücke blieb das Schimmelstrumpfzwergi vorsichtshalber an der verlängerten Leine.
Die Lernspielchen mit den beiden Schwarzen auf der U-Bahn-Fahrrad-Brücke, bezüglich „Sitz“ => „Bleib“ und „Platz“ => „Bleib“, wie auch kleine Übungsansätze für Primo zum „Down“ und ebenfalls „Bleib“ danach waren gut, nett, lustig, vor allem für Primo, der Rodins konsequent eingehaltenes „Down“ und „Bleib“ sehr motivierend zur Nachahmung fand, es aber auch teilweise ausnutzte, um dem Großen Schwarzen wieder einmal herzhaft um den Hals zu fallen und ein bisschen an ihm zu knabbern. Die Radfahrer, die uns begegneten oder „überholten“, fanden die Situation nett, amüsant, bedankten sich für die Rücksichtnahme.

Rodin geht (meistens) mit gutem Beispiel voran.
Die Rangeleien sind von Primos Seite stumm, Rodin singt, raunzt und grummelt dabei spielerisch. Manchmal schaukeln sich diese von Rodins Seite noch recht sanften Spielereien aber doch so auf, dass wieder mal das Zornbinkerl quietschend und richtig berserkerisch knurrend in Primo erwacht. Nämlich dann, wenn er im Schwitzkasten steckt, und aufgrund von Rodins 40 kg Lebendgewicht sich ordentlich rauswinden muss.
Die dritte Impfung wurde wieder erfolgreich und recht gelassen absolviert, der Schimmelstrumpf-Zwerg hat nun, in seiner 14. Lebenswoche, 15 kg Gewicht und ungefähr 44 cm Schulterhöhe.
Er frißt alles, was man ihm vorsetzt, und auch hier ist eine heimliche Rechnung von mir voll aufgegangen. Rodin war sehr heikel und es war oft sehr mühsam, weil er sich zu einem „Gourmet“ entwickelt hatte, aber selbst qualitativ hochwertiges und teures Biofutter, auch wenn es noch so abwechslungsreich war, schnell leid wurde. Meine Hoffnung war, dass er sich, wenn der kleine Italiener ein unkomplizierter Fresser sein sollte, anstecken ließ, vielleicht dann auch wieder für Frischfleisch-Fütterung zu haben wäre. Und so ist es auch.
Zur Zeit üben wir auch das Stehen und Zähnchen-ansehen-lassen, da Primo eine, wenn auch ruhige und dezente Ausstellungskarriere machen soll. Das Stehen-Üben funktioniert am besten am Straßenrand, weil er dann von den Ereignissen rundherum so abgelenkt ist, dass es ihn auch nicht stört, wenn ich die Stellung seiner Beinchen leicht und sanft korrigiere. Zuhause hat der kleine Hummelpopo keine Zeit für solche Unsinnigkeiten. Mit dem Zähnchen-anschauen-lassen haben wir noch so unsere leichten Probleme, da wird sich aus meinem Griff gewunden, mitunter wütend geknurrt und manchmal auch nach meinen Fingern geschnappt. Ich muss mir also irgendwelche anderen Tricks einfallen lassen.

Üben für die Ausstellung?
Ein Sonntag Ende Juni: da es immer wieder zwischendurch zünftige Regengüsse gibt, der Himmel nahezu permanent grau ist, die Sonnenzeiten dazwischen kann man an einer Hand abzählen, gibt’s sehr große Runden in der näheren Umgebung, die gottseidank auch von vielen zusammenhängenden, großen Grünflächen zwischen den Wohnanlagen durchzogen ist. Und die den Vorteil haben, dass man einen knapp 4 Monate jungen Bracco unter den wachsamen Augen Rodins (und meinen) auch ziemlich viel frei laufen lassen kann, ohne gleich Angst haben zu müssen, dass er schnell an eine größere Straße geraten könnte. Ausgerüstet mit genug Leckerlis, um ihm beim möglichen Gusto auf eventuelle Unappetitlichkeiten unterwegs interessante Tauschgeschäfte anbieten zu können, mit Ball und einem 500g-Dummy, wandern wir durch die Gegend und erleben so allerlei.
Primo begegnet etlichen fremden Hunden, lernt, dass man die „Bodenwischer“ unter ihnen, vornehmlich Pekingesen, Lhasa Apsos und Com, nicht ungestraft foppen und pflanzen darf, weil die da sehr grantig, keifig und zickig reagieren können. Und dabei lernt er ausserdem etwas, das auch Rodin sehr reizt, nämlich immer schön ausserhalb der Reichweite der diversen Flexileinen zu bleiben und trotzdem diese Kleinhunde ärgern zu können...
Auf einer großen Wiese gibt’s dann zuerst Zapfen-Fang- und dann Ballspielchen für Rodin und Dummy-Such- und Fang-Spielchen für Primo. Mit dem großen Dummy tut er sich noch ein bisschen schwer beim Ins-Mäulchen-nehmen und rackert sich ganz schön ab, diesen vor Rodin in Sicherheit zu bringen – bei mir. Ein schönes, kurioses und interessant zu beobachtendes Spiel, bei dem ich ihn mit den passenden „Kommandos“ wie „hols“-„brings zu mir“ anfordere, wenn der Kleine eh schon auf dem Weg zu mir ist. Rodin ist fair, es wäre ein sehr Leichtes für ihn, Primo diese begehrten Dinge einfach wegzunehmen, aber er tut nur so als ob und animiert ihn dabei sehr, in meine Richtung zu laufen. Wenn ich merke, dass Primo müde wird, gehen wir weiter, langsam, Zeit lassend für geistige Erholung.

Relax.
Eine offenbar zu früh aus dem Nest gefallene, noch ziemlich flugunfähige Jungkrähe erweckt Primos Aufmerksamkeit. Er sitzt in der Wiese und guckt, schaut der hopsenden, flügelschlagenden, kurz abhebenden und wieder zurückfallenden Krähe zu, geht ihr ein Stück nach, setzt sich wieder hin, beobachtet, bis die junge Krähe im amgrenzenden Gebüsch verschwindet. Aus den Augen, aus dem Sinn!? Er ist wohl schon zu müde, um ihr noch folgen zu wollen, was mir nur sehr Recht ist.
Und dann entdecke ich auf einer anderen Wiese, wie Rodin plötzlich in den Vorsteh-Schleich-Modus verfällt, immer flacher und langsamer wird. Ich sehe aber schräg hinter einer großen alten Buche nur zwei Menschen mit vermeintlichen Kleinhunden an den Flexileinen. Bei näherem Hinschauen entpuppen sich diese als vier agouti-farbene Frettchen! Auch für Rodin etwas völlig Unbekanntes, und ich beobachte erst einmal mit angehaltenem Atem, wie er reagieren wird. Da er nicht beschleunigt, sondern in seinem Anschleichen bleibt, - und da ich mittlerweile sicher weiß, dass ihm der „Killerinstinkt“ gegenüber Katzen, Mardern und Vögeln völlig fehlt, - vertraue ich ihm. Er darf die Frettchen beschnuppern, ist sehr interessiert an ihnen, so sehr, dass es schwer fällt, ihn nach der Schnupper-Session wieder loszueisen. Wogegen Primo nur kurz einen Blick auf die kleinen wildfarbenen Wusels wirft, sich absolut uninteressiert gibt und viel mehr sehr fasziniert einen großen Schwarm Tauben in der Nähe beobachtet und vorsteht.

Manchmal sticht den Grossen der Hafer...
Beim Heimweg, der für Rodin deutlich erkennbar ein Heimweg ist, obwohl wir ja auf einem ganz anderen Weg zum Ausgangspunkt „Wohnung“ zurückkehren, fängt mein großer schwarzer Wüstenprinz wieder einmal zu „spinnen“ an. Ein mir inzwischen sehr vertrautes Verhalten von ihm. Er bleibt dann, anders als sonst, ganz nahe neben mir, schleicht neben oder schräg hinter mir dahin, was ich überhaupt nicht mag, weil er damit Primo sehr animiert, an der Leine immer wieder blitzartig von rechts neben mir hinter mir nach links zu preschen, um Rodin an den „Kragen“ oder die Ohren zu springen. Das mag zwar auch Rodin nicht, aber dass er vorauslaufen – und damit Primo ausweichen - könnte, hat er entweder noch immer nicht verstanden, - oder er macht es absichtlich? Aus meiner Ermunterung „Lauf voran“ wird so irgendwann ein etwas entnervtes schärferes „Voran und Lauf“, weil man so ja nicht wirklich vom Fleck kommt. Klar macht er es absichtlich, ich sehe es ja auch an den Blicken, die er mir zuwirft! Und in der gleichen Zeit kommt Primo drauf, dass man ja hier aus einer Pfütze trinken könnte, da mal Kleinmist aufklauben und darauf herumkauen, dort ein bisschen von einem fremden K***haufen kosten, und vielleicht auch eine auf dem Weg liegende leere Chipstüte mitnehmen könnte. Gottseidank funktioniert das Tauschgeschäft mit mir und das Kommando „Spuck´s aus“ schon recht gut.
Auch kürzere Morgenrunden haben es manchmal in sich. Ich sehe zu, dass auch der Kleine, wenn keine größeren „Wanderungen“ am Wasser oder im Wienerwald anstehen, möglichst oft  möglichst ungefährliche Gelegenheiten zum Freilauf bekommt. Heute abseits des Straßenverkehrs in einer ruhigen, auf der einen Seite von Platanen bestandenen, an der anderen Seite von einem stark bewachsenen und abgesicherten Hang abgegrenzten Hundezone. Etliche Tauben auf der stets sehr ruhigen, daneben verlaufenden kleinen Straße. Primo im Vorsteh- und Nachschleich-Modus, fasziniert, aber nicht aufgeregt, geht immer mehr zur Straße, bis ein leiser Piff ihn bremst. Er bleibt stehen, und kommt nach 10 Sekunden Nachdenken wieder zu mir zurück. Viel Lob und Streicheln!
Dann kommt der große Schotte auch ganz freudig daher, buhlt ebenfalls um Leckerli und sieht ebenfalls die Tauben auf der kleinen Straße, und… rennt schnurstracks auf sie zu! Rodin, der bislang die Tauben „net amoal ignorierte“, sie noch nie beachtet hat, nie auch nur eines kleinen Seitenblickes würdigte. Und Primo natürlich hinterher. Ich köchle innerlich über diese sagenhafte Dummheit des Schwarzen, und frage mich, was zum Henker ihm da einfällt, was sich da in seinem Kopf abspielt?


Bird-watcher.

Zwischendurch, so im Alltag, lernt Primo, z. B. im Lift ganz hinten ruhig sitzen zu „bleib“en, an der Straße stehen zu „bleib“en, im nahen Einkaufszentrum sich neben Rodin ablegen zu lassen und ruhig zu „bleib“en, was dem kleinen italienischen Hummelpopo mitunter sehr schwer fällt. Manchmal kommt es zu kuriosen Verwicklungen (der relativ langen Leine und diverser Beine), denn er paßt immer noch unter dem Bauch des stehenden Rodin durch, und nützt es auch schamlos aus, wenn Rodin mal liegt und somit zur leichten Catch-Beute für Primo wird.
Pünktlich zum letzten Tag in seinem 4. Lebensmonat hat der mittlerweile schon gar nicht mehr so kleine Faltenzwerg Dei Sanchi seine ersten zwei Incisivi 1,1 oben verloren, seinen ersten Super-Wild-Kontakt erlebt, an einer Entenmutter mit 11 kleinen Federknäuelchen ganz nahe am Ufer und an einem ebenso nahe gelandeten Graureiher. Ein guter Zeitpunkt, bei Rodin das „Down“ zu aktivieren und ihn zum verlässlichen „Bleib“ keine 5 m von den Vögeln entfernt zu bewegen. Bei Primo war ich sehr gespannt, wie er „leinenlos“ wohl auf den Anblick reagieren würde. Im Beisein des sehr gehorsamen großen Schwarzen hat er sich souverän verhalten, ich bin freudig überrascht!
Mögen uns die nächsten Lebensmonate des italienischen Schimmelstrumpfi genau so glücklich gelingen.


Alle Fotos: Regina Brand
(c) Text
2011

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