Das ist Jagd Vor einer Weile stellte ich in einer Buchhandlung den neuesten Roman eines befreundeten Schriftstellers vor, und als es Zeit für die Diskussionsbeiträge aus dem Publikum war, Beiträge übrigens, die ich ermutigt hatte, stellte eine nicht mehr ganz junge Dame eine Frage, die provokant sein sollte, über die ich indes froh war, da sie mir die Möglichkeit gab, die Debatte über ein Thema zu eröffnen, das mit dem eigentlichen Event rein gar nichts zu tun hatte. |
Was ist die Jagd? Ist sie noch immer ein Sport, ein Hobby, eine Freizeitbeschäftigung? Ist sie eine kulturelle Antwort auf den Instinkt der Aggressivität? Ist sie der rationale Gebrauch einer Wirtschafts- und Ernährungsquelle, der nicht im Gegensatz zur Erhaltung und Gesundheit von Tierpopulationen steht? Ist sie Management und Bewahrung der Fauna? Ist sie eine Arbeit, die im Interesse aller für den Erhalt der Sozialstrukturen bestimmter Arten in harmonischer Beziehung mit den anderen Wildarten, dem Territorium und der Agrar- und Forstwirtschaft unternommen wird? Ist die Jagd etwas, das uns wieder mit unseren ältesten Urinstinkten verbindet, von denen sich jede Station der menschlichen Fortentwicklung herleiten lässt, vom Aufbau der Sprache, über die Sozialgemeinschaften bis hin zur Identifizierung der Rollen und der Hierarchie innerhalb einer Gruppe? Ist sie eine Art, sich als Beteiligter an Naturereignissen, auch den dramatischsten, zu fühlen? Stellt die Jagd also die conditio humana, die Natur des Menschen dar? Kann sie auch eine poetische Metapher für das Leben sein? In Wahrheit ist die Jagd all dies zusammen. Jeder von uns kann sich, in unterschiedlichem Maße, die Antworten auswählen, die seinem Gefühl am nächsten kommen. Natürlich werden einige dieser Begründungen in Publikationen benutzt, um die Einstellungen des Jagdwesens zu modernisieren, aber auch, um den Sinn dieser, unserer geliebten, heftig kritisierten Aktivität, die häufig als grundloser Akt der Gewalt gegen Tiere wahrgenommen wird, nach aussen hin akzeptabler zu machen. |
In der Welt des Umweltschutzes ist man dabei,
- auf den verantwortungsvolleren Ebenen - viele Missverständnisse aus frührerer Zeit zu überwinden; dies auch im Lichte der weitreichenden Veränderungen, die in den letzten Jahren eingetreten sind und fast überall in Italien dazu geführt haben, dass der Jäger im Auftrag der Provinzverwaltungen eine nicht zu ersetzende Rolle bei der Kontrolle des Schalenwildes spielt, das mittlerweile so stark verbreitet ist, dass es ein ernstes Problem für die Umwelt, die Anbauflächen und andere, weniger anpassungsfähige Tierarten darstellt. Und durch eben diese neue Ausrichtung der jagdlichen Aktivität, die mehr und mehr als Wildmanagement aufgefasst wird, löst sich das gegenseitige Nichtverstehen auf, das in der Vergangenheit zwischen Umweltschützern, Jägern und Landwirten bestand. Es gibt immer noch häufige und anhaltende Plänkeleien, aber oft nur an der Oberfläche. Was hingegen unmöglich ist und unmöglich bleiben wird ist jeglicher Kontakt zur Tierschutzbewegung, in derem Inneren die extremen Randgruppen mit oft auch gewaltbereiten Hardlinern immer mehr anwachsen. Diese Art Tierschutz ist eine Form unmenschlicher, moderner Religion, praktiziert von Personen, die in der Stadt leben und seit langem jeden Bezug zu den Tatsachen der Natur verloren haben. Sie beruht auf einem falschen, idyllischen Bild der Natur, einer Natur, in der in Wahrheit alles Konflikt ist, wo das Leben aus dem Tod geboren wird, kontinuierlich, in einem ewigen Kreislauf der Erneuerung. |
Von allen sonstigen Erwägungen einmal ganz abgesehen ist die Jagd ethisch, wenn sie natürlich ist, nicht Verschwendung, nicht sinnloses Verbrauchen, nicht grundlose Grausamkeit. Interessant ist hier die Einstellung der verschiedenen Weltreligionen zur Jagd. Keine von ihnen verbietet sie, vorausgesetzt, die Jagd wird auf natürlich Weise praktiziert. Der bekannte italienische Fussballer Baggio ist überzeugter Buddhist und gleichzeitig passionierter Jäger. Der Zen Mönch Gigi Mario, dem die Verantwortung für ein buddhistisches Kloster in der Nähe von Orvieto obliegt, fragte mich vor einer Weile, ob es möglich sei, einige der Wildschweine zu erlegen, die den Gemüsegarten des Klosters zerstörten. Der Abstand, den man zu den Tierrechtlern hält ist hingegen erheblich größer. Die angesehene Zeitschrift der Jesuiten, Civiltà Cattolica, hat vor geraumer Zeit den extremen Randgruppen des Grünen Utopia den Krieg erklärt, indem sie die Gefahren einer Philosophie unterstrich, die, um die Tierrechte zu erhöhen, die Rechte des Menschen reduziert. In Bezug auf die von der Bewegung geforderten Rechte der Tiere fragte der Verfasser des Editorials von Civiltà Cattolica ironisch: "Um das Leben der Tiere auch gegenüber anderen Tieren zu schützen, müssen wir also ein Leben lang Katzen und Mäuse voneinander trennen? Und wie kann man die Tatsache rechtfertigen, dass Schafe getötet werden um Bruder Wolf zu ernähren?" |
Doch zurück zu den Umweltschützern oder auch all jenen, die, obschon sie nicht als "ehrenamtliche Kritiker" aktiv sind, sich einfach von der Jagd gestört fühlen, zumal sie von der seit mindestens zwanzig Jahren währenden Antijagd Propaganda beeinflusst sind, oder die Jagd auch nur auf Grund all der evokativen Implikationen von Gewalt missbilligen, die selbst bei der besten und "ethischsten" Jagdausübung vorhanden ist. Üblicherweise gibt man darauf Antworten aus dem Bereich der Biologie und Wirtschaft: 1) Der Jäger übt die Funktion der großen, heute verschwundenen Raubtiere aus. 2) Der Jäger stellt die Ordnung innerhalb der Sozialstruktur der Wildpopulationen wieder her. 3) Der Jäger arbeitet das ganze Jahr über daran mit, die Umwelt zu erhalten und zu verbessern und greift dafür auch in den eigenen Geldbeutel. 4) Dort, wo die Jagd verboten wurde, sind Epidemien ausgebrochen (wie etwa in den wichtigsten italienischen Naturparks), anderswo haben einige Arten zu Ungunsten anderer, weniger vielseitiger Arten zugenommen und sich dann als wahre Geißel für die Anbauflächen entpuppt. Im Kanton Genf, wo die Jagd per Volksentscheid verboten wurde, setzt man häufig Angehörige der Streitkräfte ein, um überzähliges Wild in Grenzen zu halten. 5) Die Fauna ist ein Gut der Erde, wie das Getreide oder besser noch, wie das Vieh. Aber wenn ich 10 Hektar Wiese habe und 10 Schafe, muss ich rechtzeitig eingreifen und den jährliche Zuwachs abernten, denn andernfalls werden binnen zwei oder drei Jahren alle Schafe Hunger sterben. |
Angesichts solcher Argumente könnte ein vernünftiger Gesprächspartner vielleicht anerkennen, dass Jagd nützlich ist, manchmal sogar notwendig, immer vorausgesetzt, dass sich alle Jäger verantwortsvoll benehmen. Die Reaktion "der anderen" hingegen ist oft in einem einzigen Satz zusammengefasst: "Ja, aber ihr tötet, ihr habt Freude am Töten." Das ist das wahre ethische Problem. Trifft es zu? Und was kann man darauf entgegnen? Erstens: es gibt auch gerechtfertige Kriege, nämlich zur Verteidigung. Die Jagd ist in gewisser Weise wie der Krieg: oft notwendig, unabhängig von der Tatsache, ob ein Berufssoldat dabei persönliche Befriedigung erfährt. Wenn Ihr Land bedroht ist, was tun Sie? Flüchten, zum Feind überlaufen, aus Gewissensgründen den Waffengebrauch verweigern? Oder setzen Sie, ehrlicher ausgedrückt, Ihr Leben aus Spiel, für die eigene Sicherheit und die Ihrer Landsleute, um Ihre Werte zu verteidigen, Ihren Lebensstil, Ihre Kultur, Religion und auch Ihren Wohlstand? Oder, anderes Beispiel: Wenn Ihnen ein Arm amputiert werden müsste, würden Sie sich lieber dem Skalpell eines Chirurgen anvertrauen, der seine Arbeit mit Befriedigung ausführt, mit einer gewissen beruflichen Freude, oder jemandem, der seine blutige Arbeit nicht mag? Es ist doch klar, dass die Jagd, obschon sie eine biologische, wirtschaftliche und auch soziale Funktion erfüllt, von jemandem praktiziert werden muss, der einem innigen und archaischen Impuls antwortet, den wir "Vergnügen" nennen können, auch wenn dieser Akt die Tötung von Lebewesen einbezieht. |
Aber noch einmal sei's gesagt, die Ethik kann Trost in der Biologie finden: in der Natur ernährt sich jede lebendige Art zum Schaden anderer Arten. Der Fuchs tötet und das ist nur natürlich. Vor 10.000 Jahren lernte der Mensch, um sich einfacher ernähren zu können, jene Tiere, die er bis dahin gejagt hatte, selbst zu züchten und jene Früchte zu säen, die er bis dahin gesammelt hatte, und das tut er noch heute, ohne auf übermäßige Einwände zu stoßen. Auch wenn sie aus Gründen der Ernährung gezüchtet oder angebaut werden, Hühner, Puten, Bohnen und Auberginen sind allesamt Lebewesen (denn es ist nicht erwiesen, dass Pflanzen nicht empfindsam sind, sei es auch noch so rudimentär). Wie jedes andere Geschöpf auf der Erde ernährt sich der Mensch von Lebendigem, nicht von Steinen. Die Jagd (wie auch das Schlachten) bedient sich eines blutigen Akts um Proteine in Energie umzuwandeln. Darin liegt nichts Empörendes, denn es ist natürlich. Aber alles hängt davon ab, wie man zum Punkt des Erlegens, des Tötens gelangt. Deshalb hat der Jäger sich Regeln gegeben, um das Tier nicht leiden zu lassen, und um einer Art nicht zu schaden. Ausserdem hat er im Laufe der Jahrhunderte Rituale geschaffen, die der Jagd etwas Edles geben, wie etwa die Zeremonie, die man durchführt, um das getötete Tier zu ehren und gleichzeitig das Schuldgefühl zu vertreiben. Und die Kunst (in Form von Musik, Malerei und Literatur) ist seit jeher eine treue Zeugin des Jadgakts. Das Thema Jagd führt sehr weit und kann schwerlich in die enge Hülle einer Formel gepresst werden. |
(c) Text: Bruno Modugno. Erstveröffentlichung in BigHunter.
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