Loris Brunacci - Jura Laufhund
Interview von Sabine Middelhaufe
Seit wann interessierst Du dich für den Jura Laufhund, und warum hast Du gerade diese Rasse gewählt?
Das Abenteuer der Brackierjagd begann für mich mit Mischlingen aus Segugio Italiano und Jura Laufhunden und mit einigen Petit Bleu de Gascogne für die Saujagd. Mit diesen Hunden habe ich etliche Jahre gejagt, allerdings war das eine in ihrer Arbeit nicht sehr homogene Meute, da es sich bei den Erstgenannten um sog. Kurzjäger handelte, die auf der Fährte stumm blieben und ihr eigentliches Talent erst zeigten, wenn sie das Schwarzwild mutig und entschlossen stellten, während die Petit Bleu wesentlich geeignter für die Suche und Verfolgung der Fährte waren.
Diese sehr gemischte Meute erfüllte ihre Aufgabe zwar alles in allem ganz anständig, aber im Laufe der Zeit wurden mir auch ihre Schwächen bewusst, und so hab ich mich schliesslich entschieden, es mit einer Rasse zu versuchen, die meiner Ansicht nach geeigneter für meine jagdlichen Notwendigkeiten war, weil sie Methodik, Stimme und Mut der französischen Hunde mit Instinktivität und Spürsinn der italienischen verbindet. Der Jura Laufhund vereint ja all diese Eigenschaften in sich, und ist für mich ausserdem ein echter Augenöffner aus morfologischer Perspektive gewesen.
Ich hatte das grosse Glück, echte Anhänger des Jura Laufhundes kennen zu lernen, die es mit ihren Hunden geschafft haben, dass ich mich wirklich in die Rasse verliebte, und vor allem deren Fähigkeiten, denn es waren "vollständige" Hunde in jeder Arbeitsphase, die ebenso gut in der Meute wie als Einzeltiere jagten. An dieser Stelle möchte ich deshalb den Herren
Giannetti, Frasconi, Picchianti, Palassi, Bartolini und Scanu noch einmal dafür danken, dass sie mich so viel über diese Rasse gelehrt haben.
Würdest Du uns erläutern, wegen welcher Eigenschaften, die die Rasse besitzt (oder besitzen sollte), ein potenzieller Führer sie anderen Rassen gegenüber bevorzugen könnte?
Rassen mit optimalen Eigenschaften gibt es viele; der Jura ist eine davon, immer vorausgesetzt natürlich er kommt aus einer Blutlinie, die alle Vorzüge der Rasse einschliesst.
Der Jura ist also ein vollständiger Hund in allen Phasen; er sucht hervorragend, ist sehr spurtreu, clever wenn er das Wild in seinem Versteck entdeckt, äusserst zäh und ausdauernd bei der anschliessenden Verfolgung, ferner hat er die richtige Grösse bei kraftvoller Struktur, ein Haarkleid, das ihn auch im dichten Bewuchs und bei jedem Wetter schützt, so dass er Kälte und Wärme gleichermaßen verträgt. Sofern er nur richtig erzogen wird, verhält er sich im Zwinger sehr gut, ist anhänglich gegenüber den vertrauten Menschen, hingegen eher zurückhaltend zu Fremden. In der Tat lässt er sich während der Jagd nicht gerade leicht von Leuten aufsammeln, die er nicht gut kennt. Was die Fütterung angeht macht diese Rasse auch keine Schwierigkeiten und zeigt sehr gute Gesundheit, was heutzutage, wirtschaftlich gesprochen, sicher auch kein Nachteil ist!
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Loris Brunacci mit Diana, und im Titelfoto mit Uranio, einem fast schwarzen Rüden, "Vorzüglich" bei Schau und Prüfung.
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Gibt es Deiner Ansicht nach bei der Rasse eine Anlage, die bei ihren Führern heute nicht mehr die angemessene Beachtung findet?
Hier kommen wir zum unerquicklichen Teil! Der Spurlaut, die Suche und vor allem die Anlage für die Hartnäckigkeit auf der Spur nimmt bei diesen Hunden immer mehr ab, und zwar auf Grund falscher Paarungen, die von einer Manie diktiert werden, die in den letzten Jahren ein bisschen alle Saujäger betrifft: die Bevorzugung des "Kurzjägers" nämlich! Mit diesen Hunden aber kommt man schnell vom Wege ab und nur mühsam wieder auf ihn zurück. Eine Verpaarung von, nennen wir sie: italianisierten Blutlinien führt zu einem sicheren Verlust der Typhaftigkeit bei den allermeisten Welpen, verringert die angeborene Leistungsfähigkeit auf der Fährte und schafft ausserdem morfologische Fehler und Schwächen, z.B. in Textur und Konsistenz von Fell und Rute, einen schmaleren, schlankeren Körperbau und untypische Stimme.
Eine Rasse muss dir gefallen so wie sie ist und darf nicht verbogen und entstellt werden, aber das ist eben nur meine Überlegung; letztlich steht es jedem frei, seine Hunde so zu arbeiten wie es ihm angemessen erscheint.
Welche Anlagen muss ein „guter“ Rassevertreter unbedingt besitzen, um als solcher bezeichnet werden zu können?
Er muss morfologisch und anlagenmäßig so genau wie möglich dem Standard entsprechen und alle vier Jagdphasen beherrschen, denn die Rasse besitzt ja alle Voraussetzung hierfür.
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Nike und Diana.
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Wie schätzt Du die aktuelle Situation der Rasse ein, und wenn es in Deiner Macht läge, gibt es etwas in der heutigen Zucht der Rasse das Du ändern würdest?
In Italien war der Jura Laufhund, zusammen mit dem Griffon Vendéen und dem Petit Bleu de Gascogne, eine der ersten Rassen für die Hasen- und Schwarzwildjagd, die aus Frankreich und ihrer Heimat, der Schweiz, importiert wurden. Zwischen 1970 und 1980 war er vor allem bei den Saujägern ein grosser Erfolg; es gab ja noch nicht die Einteilung der Jagdgebiete in Sektoren, das Schwarzwild war zahlenmäßig wesentlich weniger vertreten als heute, und gezwungen von der Notwendigkeit, mit Hunden zu arbeiten, die für jeder Phase der Jagd das vollständige Rüstzeug mitbrachten und vor allem fähig waren, lange Fährten zu verfolgen, zu halten, wiederzufinden, wurde diese Rasse so beliebt.
Leider wissen wir alle, wie sich die Dinge dann in kurzer Zeit entwickelt haben: die Wildschweinjägergruppen wurden immer mehr, die Jagdgebiete immer kleiner, und dem Jura Laufhund wurden schlechte Eigenschaften nachgesagt, sie wurden Hunde, die zu weit jagten und die schlechte Gewohnheit hatten, nach beendeter Jagd nur mühsam und viel zu spät zurück zu kommen.
Heutzutage geniesst die Rasse nicht sehr viel Interesse und es gibt nur wenige Führer und Züchter.
Überdies sind in Italien die zwei Varietäten zu einer Rasse vereinigt, während etwa in Frankreich weiterhin der Jura Laufhund Typ Bruno und Typ St. Hubert Francais existieren, jeder mit genau definierten Eigenschaften. Ich habe selbst Vertreter beider Typen, was die Planung der Würfe und die Erhaltung der grundlegenden Eigenschaften der beiden nicht so einfach macht. Das Beste wäre, wenn man auch bei uns die Aufteilung in zwei Varietäten vornähme.
Sind die Rasse und ihre Eigenschaften Deiner Meinung nach bei den potenziellen Führern gut genug bekannt oder braucht es mehr Aufklärung?
Nun, ich denke schon, dass derjenige, der sich ernstlich für diese Hunde begeistert auch ausreichend informiert ist, da es sich ja um eine alte Rasse handelt, mit hervorstechenden und gut fixierten Eigenheiten. Aber es ist auch klar, dass man sich, um alle Nuancen einer Rasse, all ihre körperbaulichen und anlagenmößigen Besonderheiten kennen zu lernen, mit der Literatur, dem Standard beschäftigen und sich vor allem denjenigen anvertrauen muss, die einen Grossteil ihres Lebens damit zugebracht haben, Jura Laufhunde zu züchten. Ich kenne etliche alte Jura Führer, die diese Hunde zwar inzwischen nicht mehr halten, aber immer noch eine unglaubliche Leidenschaft für sie besitzen. Ich würde gern einmal eine hübsche Untersuchung machen, um das, auch mit Fotos aus der Vergangenheit, zu dokumentieren, was ganz nützlich sein könnte, um die Rasse bekannter zu machen.
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Navarro und Argo.
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Hältst Du persönlich es für notwendig, an Vereinstreffen, Prüfungen und Ausstellungen teilzunehmen?
Meiner Meinung nach ist es sehr wichtig daran teilzunehmen, weil ich überzeugt bin, dass gesunde Konkurrenz die Rasse verbessern und immer mehr Fans für das Jagdhundewesen interessieren kann.
Für welche Form der Jagd und für welches Wild ist die Rasse besonders geeignet?
Ich jage mit meinen Hunden Sauen und denke, dass sie an diesem Wild all ihre Qualitäten entfalten und zeigen, aber unter den vielen Rassefans die ich kenne, benutzen auch etliche den Jura für die Hasenjagd. In seinem Ursprungsland wird er ja genau darauf selektiert.
Um ehrlich zu sein muss ich allerdings sagen: wenn man schon Hunde hat, in deren DNA exzellente Eigenschaften und Mut vorhanden sind, ist es fast Sünde, sie nicht Schwarzwild jagen zu lassen!
Und schliesslich als letzte Frage: welche Ratschläge würdest Du jemandem geben, der sich entschieden hat, erstmals mit dieser Rasse jagen zu gehen?
Er sollte ein Paar Welpen oder Junghunde von einem echten Anhänger dieser Rasse erwerben, von einem Jäger, der die Rasse wirklich kultiviert, ihnen dann sehr viel Zeit widmen, eine schöne Beziehung zu ihnen aufbauen, ein Team werden und die erste Begegnung mit dem Wild nicht überstürzen, sondern warten, bis die Hunde körperlich und im Wesen ausgereift sind. Wenn sie aus einer guten Linie stammen werden sie in kurzer Zeit zeigen, dass man die richtige Wahl getroffen hat - dies sind Hunde, die wirklich alles geben.
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Tebro und Gringo ( 4 Mon.).
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