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Schweizer Lauf- und Niederlaufhunde in Italien Von Sabine Middelhaufe Die Schweiz hat acht eigene Laufhunderassen hervorgebracht, als da sind: der Schweizer, Berner, Luzerner und Jura Laufhund, sowie all diese auch in der niederläufigen Variante. Freilich unterscheiden sich die hoch- bzw. niederläufigen Rassen jeweils nur in der Farbe und haben deshalb einen gemeinsamen Standard. Im Nachbarland Italien ist die Jagd mit dem „Segugio“, das heisst dem Laufhund, seit der Antike Tradition, und im 15. Jahrhundert führte man begeistert ob ihrer superlativen Fähigkeiten bei der Hasenjagd schweizerische Laufhunde ein. Ganz anders ist die Situation heute. Eingedenk der vielen Qualitäten des einheimischen italienischen Segugio, der zu den am meisten verbreiteten Jagdhunderassen auf dem Stiefel gehört, bestand und besteht recht wenig Interesse, schweizerische Laufhunde oder gar Niederlaufhunde zu importieren, so dass ihre zahlenmässige Verbreitung stets sehr gering geblieben ist. |
Schwyzer Laufhunde mit erbeuteter Sau. Foto: Sergio Leonardi. |
Zucht in Italien Im Jahr 2006 etwa waren ganze 191 Tiere im Zuchtbuch der ENCI (Verband für das italienische Hundewesen) eingetragen, 2007 waren es 199, die allermeisten von ihnen Jura Laufhunde. Freilich, die Statistiken des Schweizer Rasseklubs zeigen, dass Laufhunde auch in der Heimat eine eher bescheidene Verbreitung geniessen: 2007 wurden dort 28 Berner geboren, 57 Jura, 29 Luzerner und 25 Schweizer, insgesamt also 139 Welpen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Italiener ihre Hunde vorzugsweise in der Meute arbeiten lassen, während die Schweizer meistens Einzelhunde führen. Bei Prüfungen in der Schweiz ist es sogar Pflicht, dass der Hund solo jagt. Ich fragte Dr. med. vet. Gian Carlo Bosio, Laufhundexperte, Mitglied der Wissenschaftlichen Kommission des betreuenden Vereins SIPS (Società Italiana Pro Segugio) und lange Jahre dessen Präsident sowie den renommierten Jura Züchter Alberto Bagnatica, ob die Selektion in Italien also andere Wege geht als im Ursprungsland, um die Hunde an die abweichenden jagdlichen Bedingungen anzupassen. |
Jura Laufhunde Meuten vor der Jagd. Foto: Sergio Leonardi. |
„Ganz allgemein“, sagt Alberto Bagnatica, „muss man feststellen, dass sich die schweizer Rassen in den letzten 20 – 30 Jahren morfologisch etwas verändert, aber in Bezug auf ihren Ausdruck und ihr Verhalten viele Merkmale beibehalten haben, so etwa den typischen, etwas melancholischen Gesichtsausdruck, die Sanftmütigkeit, die hohe soziale Verträglichkeit, die ihnen erlaubt, ganz selbstverständlich in der Familie gehalten zu werden und natürlich ihre Neugier, die Freude, Neues zu entdecken und zu lernen. Für uns, die wir versuchen die Tiere in Italien so weit wie irgend möglich entsprechend dem Standard des Heimatlandes zu züchten, ist es ungemein wichtig, aufmerksam die dort erzielten Verbesserungen der Rassen zu beobachten und das heisst auch, uns nicht von den in der Schweiz erzielten Resultaten zu entfernen.“ Tatsächlich greifen die italienischen Züchter immer wieder auf Importe aus der Schweiz und Frankreich zurück. |
Jura Laufhunde Typ Saint Hubert. Foto: Sergio Leonardi. |
Gibt es also keinen Unterschied zwischen den in Italien und der Schweiz selektierten Hunden? Alberto Bagnatica:„Was die Morfologie der Tiere betrifft folgen wir, wie ich eben sagte, den Vorgaben unserer schweizer Kollegen. Im Hinblick auf den jagdlichen Einsatz hingegen bilden wir die schweizer Rassen so wie unseren Segugio Italiano dazu aus, in der Meute zu arbeiten und sich auf eine bestimmte Wildart zu spezialisieren, nämlich den Hasen oder das Wildschwein. Der Arbeitsstil bleibt davon allerdings weitestgehend unberührt; der typische, sehr stark ausgeprägte Jagdeifer dieser Rassen, ihre Ernsthaftigkeit und unermüdliche Bemühung, ihre Aufgabe zu erfüllen sowie die starke Bindung an den menschlichen Führer, Eigenschaften, die sich bei der Meutejagd noch verstärken, all dies sind Merkmale, die wir unbedingt erhalten wollen und müssen.“ Nun ist es ja mitunter so, dass Jäger, die nicht unbedingt versierte Züchter sind, sich durch scheinbar viel versprechende Kreuzungen den „Superhund“ schaffen wollen. Gerade bei kaum verbreiteten, ausländischen Rassen besteht vielleicht diese Gefahr der „Bastardisierung“ noch mehr. Was halten Sie von solchen Experimenten? „Bei der Zucht muss es Priorität sein, sich mit grösster Genauigkeit an den Standard zu halten, und nicht zu meinen, sich die eigene, persönliche Rasse schaffen zu können, denn damit riskiert man unter anderem die züchterische Arbeit vieler Jahrzehnte zu gefährden oder sogar zu zerstören.“ |
Berner Laufhunde. Foto: Torsten Keller |
Expo und Prüfungen Ernsthafte Züchter, so bemerkt Dr. Bosio zufrieden, besuchen Ausstellungen und vor allem die Prüfungen regelmässig, um die rassespezifischen Qualitäten ihrer schweizer Laufhunde zu verifizieren. Insbesondere die Meuten, derer es gegenwärtig über das ganze Land verteilt etwa zwanzig gibt, schneiden meist mit optimalen Ergebnissen bei den Leistungsprüfungen ab. Ein bisschen Kopfzerbrechen bereiten dem Rasseklub in diesem Zusammenhang die Meuten für die Saujagd, denn es besteht seitens der Wildschweinjäger viel weniger Interesse an der „offiziellen Kynologie“ teilzunehmen als bei den „Hasen-Leuten“. Der Verein Pro Segugio bemüht sich deshalb, zögerliche Züchter zumindest für Liebhaberveranstaltungen zu gewinnen, um dort das Leistungsniveau der schweizer Laufhunde zu überprüfen und ihre Besitzer an zuchttechnische Themen heranzuführen. (Anmerkung: die Betreuung aller Laufhunderassen in Italien lag seit Gründung der Pro Segugio in deren Händen. Dieses Recht wurde dem Klub in jüngster Zeit von der ENCI ohne Nennung von Motiven aberkannt. Gegenwärtig unterliegen die schweizer Rassen dem Club Bleu de Gascogne. Diese Entscheidung ist jedoch keineswegs unumstritten, weshalb Vertreter der Pro Segugio und ENCI weiterhin nach einer befriedigenden Regelung suchen.) Ein Problem das es in Italien praktisch nicht gibt, ist die Aufteilung in Schönheits- und Arbeitszucht. Schweizer Laufhunde werden für den praktischen Jagdeinsatz gezüchtet und sollen, wie im Ursprungsland, schön und leistungsstark sind. Viel Training Wenn Neulinge sich den schweizer Laufhunden nähern, welche Ratschläge geben Sie, Signor Bagnatica, als Züchter, Jäger und Vertreter der Pro Segugio ihnen mit auf den Weg? „Vor allem die, dass nur gute Ernährung und kontinuierliches Training bewirken, dass die Hunde gesund und immer in Form sind, in jedem Terrain jagen können und auch bei schlechtem Wetter keine Probleme haben. Und natürlich spielt die angemessene Unterbringung eine wichtige Rolle.“ |
Luzerner Laufhund. Foto: Torsten Keller |
Kontinuierliches Training - das scheint mir ein wunder Punkt zu sein, denn oft beginnen Jäger erst kurz vor Beginn der Jagdsaison, ihre Hunde überhaupt hinaus ins Gelände zu bringen, so dass von Fitness und Widerstandsfähigkeit nicht die Rede sein kann... „Schauen Sie, wer es wirklich will, der hat in Italien viele Möglichkeiten, seinen Welpen und Junghund auszubilden, ganz unabhängig von der Rassezugehörigkeit. In der Provinz Brescia zum Beispiel können wir Hunde im Alter von bis zu 15 Monaten zum Üben einfach mit in die Felder nehmen, wo es fast das ganze Jahr über Wild gibt. Mein Bruder und ich bringen unsere jungen Jura Laufhunde dreimal pro Woche in solche Gebiete, damit sie ihre jagdlichen Anlagen entwickeln können. Allerdings immer allein, ohne die erwachsenen Tiere, denn so können wir durch aufmerksame Beobachtung sofort eingreifen, wenn die Junghunde Fehler machen, die zwangsläufig auftreten. Mit 18 Monaten ist der Jura Nachwuchs dann soweit, dass er in die Meute, meist bestehend aus acht Tieren, integriert werden kann. Bei den schweizerischen Laufhunden ist es nach meiner Erfahrung übrigens enorm wichtig, ihre hohe Intelligenz zu stimulieren und ihnen zu erlauben, diese wichtige Eigenschaft perfekt zu entwickeln.“ |
Züchter Fabio Romagnoli mit seiner Jura Laufhunde Meute vor der Jagd. Foto: Sergio Leonardi. |
Jura – der Favorit „Grundsätzlich sind die schweizerischen Laufhunde exzellent darin, das Wild aufzustöbern und es unermüdlich und entschlossen zu verfolgen,“ erklärt mein Jagdfreund Manuel. „Ihre Passion ist beispielhaft und sie geben wirklich alles bei der Arbeit. An der Jura-Meute mit der ich selbst gejagt habe bewundere ich darüber hinaus ihre enorme körperliche und psychische Widerstandsfähigkeit gegen all die tausend Schwierigkeiten, die das Wild, das Terrain und das Wetter den Hunden präsentieren können. Ich muss allerdings gestehen, dass meine Hunde ziemlich dickköpfig waren und sich in den weiträumigen Gebieten, die sie zum Jagen benötigen, mit dem Zurückkommen auch gern mal Zeit liessen.“ Bitter-süss eine andere Erinnerung: „Wir hatten in unserer Gruppe drei Jura Laufhunde, körperlich perfekt und im Einklang mit dem Standard, die, obwohl jeder mit einem anderen Besitzer lebte bei der Jagd als harmonische Meute arbeiteten. Das Trio stöberte die Sauen auf, zwang sie vorwärts, zeigte aber bisweilen zu viel Mut beim Stellen der Wildschweine – wegen ihres Ungestüms mussten wir ihnen mehr als einmal klaffende Wunden zusammennähen... Nach meiner Erfahrung kann der Nachteil dieser Rasse ihr Eigensinn sein; wenn sie einmal ihr Beutetier ausgemacht haben, geben sie nicht auf, was besonders problematisch ist, wenn sie Rehwild aufstöbern. Auch ihre Ausbildung ist nicht unbedingt einfach.“ |
Züchter Rino Riva mit einigen seiner Schwyzer Laufhunde. Foto: Sergio Leonardi. |
Kerngesund „Auch im Bereich der Fortpflanzung gibt es keine Schwierigkeiten,“ präzisiert Dr. Bosio. „Die Rüden sind deckfähig, die Hündinnen zeigen keine Verhaltensstörungen beim Decken, Werfen und Aufziehen ihrer Welpen und mangelnde Vitalität bei letzteren tritt auch nicht auf. Tatsächlich ist bei den schweizer Laufhunden der Kaiserschnitt völlig unbekannt. Genetisch bedingte Pathologien des Bewegungsapparates treten nur ausnahmsweise einmal auf, während erbliche Augenkrankheiten ganz fehlen. Das gleiche gilt für die idiopathische Epilepsie.“ |
Berner und rechts Schwyzer Laufhund. Foto: Torsten Keller |
Und die Niederlaufhunde?
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