Jagdhund ohne Jagdschein? •• Jagdhunderassen •• Laufhunde/Meutehunde/Bracken •• Jagd und Jäger •• Erziehung & Ausbildung
Die AutorInnen Fotogallerie Bücher & DVD Links Kontakt Copyright/Haftungsausschluss

Erfahrungen mit dem


Bracco Italiano (2)

 

Menü Erfahrungen mit dem...


> Züchterinterviews
> Portraits
> Wissenswertes



home

Interview mit Gian Carlo Perani
Von Gian Carlo Perani und Sabine Middelhaufe

Mein Interviewpartner ist Gian Carlo Perani, Goldschmied von Beruf, Jäger aus Leidenschaft, für den ein Leben ohne seine Bracchi (Plural von Bracco) überhaupt nicht mehr vorstellbar ist.

Gian Carlo, wie bist du eigentlich auf den Bracco und auf die Jagd gekommen?

Ich wurde in der Lomellina, Provinz Pavia geboren, in einem Landstrich, den Plinius d.Ä. als „terra Al-liana“ definierte, begleitete meinen Vater bei seinen zahlreichen Jagdausflügen und erlernte dadurch schon als Junge das Jagdhandwerk, den Respekt für die Natur und ihre Gesetze. Bracco und Spinone gehörten bei uns einfach zur Familie; ich konnte als Kind hartes, raues oder weiches, geschmeidiges Fell streicheln und verlor mich oft genug in den tiefen, verliebten Augen zahlreicher „Dollis“ und vieler „Toms“, wie wir unsere Hunde nannten.

Dann war dein Weg zum Bracco also imgrunde keine Wahl, sondern Familientradition?

Oh, nicht unbedingt. Denn als ich schließlich erwachsen war leistete ich mir für die ersten Jagdzüge mit dem eigenen Jagdschein Irish Setter, Epagneul Breton, Deutsch Kurzhaar und sogar einige Braque Francais von dem Typ, der jetzt hier in Italien Mode wird, nämlich leicht und schnell. Nach ein paar Jahren kehrte ich allerdings vollständig bekehrt zum Vorstehhund par exellence zurück, dem italien-ischen nämlich.


Gian Carlo Perani

Und welches Wild jagst du mit dem Bracco?

Angesichts der Landschaft der Paveser Ebene wurde ich als logische Konsequenz zunächst einmal Bekassinenjäger, aber auch Stammgast der vielen Wälder, die es früher in meiner wunderschönen Heimat noch gab und ging dort folglich auf Fasanen- und Schnepfenjagd. Seit ungefähr drei Jahren wohne ich nun in Puglia, Süditalien, in der Gegend bei Brindisi und jage Schnepfen, die hier sehr zahlreich überwintern und Wachteln, den anderen Zugvogel, der in manchen Jahren in unserem Gebiet eine regelrechte Invasion veranstaltet.

Nun bist du nicht nur Jäger, sondern auch Züchter...

Stimmt. Ich begann schließlich auch Bracchi zu züchten, die ersten Erfolge stellten sich ein, dann, 1994 trug die ENCI meinen Zwinger „delle terre Alliane“ ein, die ersten Champions aus meiner Zucht wurden nominiert und das hat sich bis heute nicht geändert. In den Bracchi, die
gegenwärtig in Ringen auf der ganzen Welt gewinnen,
fließt auch das Blut meiner Hunde; tatsächlich ist der Vater dieser Berühmtheiten eines meiner Tiere. Dasselbe gilt für viele Hunde, die sich auf Prüfungen profilieren. Wenn Gesundheit und finanzielle Situation es mir erlauben, möchte ich die Rasse weiterhin verbessern, nicht nur, weil es die Statuten so verlangen, sondern weil ich den Bracco Italiano wirklich liebe.

Du hast hier bei uns ja auch einen Beitrag zum Thema Gangart geschrieben. Für den Uneingeweihten ist es ziemlich verwirrend, dass beim Bracco dieser starke Akzent auf den Trab als geforderte Gangart gelegt wird. Sagst du dazu noch einmal ein paar Worte?

Zunächst einmal eine wichtige Klärung zum Konzept des Trabs: fast alle kontinentalen Vorstehhunde zeigen während der Suche Trabphasen, der Bracco Italiano ein bisschen öfter. Ein gesunder Rassevertreter mit Jagdpassion vollzieht seine Suche normalerweise in einer Mischung aus Galopp und Trab mit eindeutiger Neigung zum letzteren. Wenn an unserem Jagdtag die Stunden dahin ziehen, werden wir feststellen, dass der Hund nach ungefähr zehn Minuten ununterbrochener Suche immer häufiger von Galopp in Trab fällt, bis er diese Gangart schließlich als Jagdtempo annimmt. Er löst außerdem Geruchsprobleme immer, in dem er den Kopf in den Wind hebt und dabei langsamer wird, nun also trabt, sofern die vorherige Gangart noch der Galopp war, oder er fällt in Trab weil die Geländebedingungen es erfordern, oder bei der Rückkehr nach einer Suche oder in Gegenwart interessanter Wittrung. Stets wählt unser Bracco den Trab einzig und allein deshalb – und hier liegt des Rätsels Lösung – weil seine Bewegung viel mehr Ausdruck seiner Mentalität als Ergebnis seiner morphologischen Konstruktion ist.

Tatsächlich sollte ein typischer Traber doch rechteckig aufgebaut sein...

Genau. Die Regel sagt, dass ein guter Traber im Rechteck stehen sollte, wäh-rend unser Bracco im Quadrat steht (obwohl man bei aufmerksamer Lektüre des morphologischen Standards feststellt, dass auch leicht rechteckige Rassevertreter akzeptiert werden!) Das scheint nicht zusammen zu passen, ist in Wahrheit jedoch Ergebnis einer gezielten Zuchtbestrebung. Zum einen haben nämlich quadratische Hunde eine gesündere, kräftigere Konstruktion. Zum anderen erfordert der besondere Trab des Bracco diese Art der Konstruktion, ist es doch ein schneller, raumgreifender, verlängerter Trab mit langen Schwebephasen.

Okay, der Bracco ist aber von der Konstruktion wie auch vom Charakter her zum Trab und Galopp geeignet und benutzt, wie du eben sagtest, diese Gangarten in Anpassung an seine jeweilige Situation. Nichts könnte natürlicher sein. Wieso ist der Galopp trotzdem ein Problem?

Weil er bei den Leistungsprüfungen sofort verlangt wird; man toleriert den Galopp zwar in den allerersten Minuten und bei der Rückkehr des Hundes. Die Prüfung dauert für den Einzelnen jedoch im Normalfalle nur bescheidenen 15 Minuten, und diese Zeit reicht einfach nicht aus, um einen gesunden, passionierten, Energie geladenen und dazu vielleicht noch jungen Bracco in Trab fallen zu lassen. Derselbe Hund würde nach zwanzig oder dreißig Minuten Galoppsuche ganz von selbst auf Trab um-schalten, nur ist sein Auftritt dann leider längst vorbei und die schlechte Bewertung bereits gemacht.

Und nur weil die Prüfungen zu kurz sind, muss, wer dabei mit einem entsprechend feurigen, jungen Bracco nicht durchfallen will, ihn irgendwie dazu zwingen, ausschließlich zu traben..?! Obwohl das im praktischen Jagdeinsatz völlig irrelevant ist?

Ja, denn bei der Jagd wählt der erfahrene Hund selbstverständlich allein das richtige Tempo.

Kaum ein deutscher Jäger dürfte den Bracco Italiano in natura kennen. Dennoch kann man ihn bis-weilen auch in Deutschland sehen...

Ja, denn in den letzten Jahrzehnten haben viele Bracchi auch sehr gut bei den schwierigen Prüfungen in Deutschland abgeschnitten. In den 80er Jahren etwa fuhr der leider verstorbene Luigino Bottani mit seinen Italienischen Vorstehern öfter mal nach Deutschland, um an den dortigen Leistungsprüfungen teilzunehmen, bei denen der Hund am Haar- und Federwild arbeiten musste, zu Lande wie zu Wasser, und geschossenes und verletztes Wild zu apportieren hatte. Luigino und seine Bracchi erzielten schmeichelhafte Ergebnisse, nur wurden sie leider kaum bekannt gemacht und deshalb von der einschlägigen Presse selten erwähnt.
Man mag sich vielleicht fragen, wie ein derart sanfter Hund wie unser Bracco diese schwierigen Prüf-ungen besteht, zumal sie ja auch große Wesensfestigkeit und ausreichende Härte erfordern. Aber hier zählt eine gute Ausbildung sehr viel, und dann darf man sich den Bracco, trotz all seiner Beson-derheiten, eben nicht als einen vierbeinigen E.T. vorstellen. Er ist nicht mehr und nicht weniger als ein Jagdhund mit guten Anlagen und gutem Wesen.

Du hast auch andere Vorstehrassen geführt. Was ist im Vergleich zu ihnen das Besondere am Bracco?

Der Bracco ist grundsätzlich kein Heißsporn, sondern ein Denker. Das erkennt man schon an seinem Kopf, vor allem dem Gesichtsausdruck mit diesen fast menschlich erscheinenden Augen. Deshalb meine ich auch, dass die Zucht sich intensiv um die "intellektuellen" Qualitäten der Rasse kümmern muß; der Bracco sollte einen schönen und klugen Kopf vorweisen können.

Im Hinblick auf seine jagdliche Arbeit ist es ganz wichtig zu erinnern, dass der Bracco Italiano, anders als die britischen Rassen, eine Witterung nicht sofort vorsteht, sondern ihr bis zu dem Punkt folgt, wo er der unmittelbaren Präsenz des Wildes sicher ist. Diese Aktion nennen wir „filata“. Sie wird normalerweise mit hoch erhobenem Kopf und selbstverständlich nie im Galopp durchgeführt, und das Vorstehen erfolgt wie gesagt, außer in ganz seltenen Ausnahmen, direkt vorm Wild. Das erklärt auch, wieso der Bracco fast nie irrt; er zeigt nicht ins Leere oder auf eine Stelle, wo zwar Geruch ist, aber kein Wild mehr.
Bei der Jagd ist er außerdem tendentiell eher ein Einzelgänger, der die Gegenwart anderer vierbeiniger Gehilfen möglicherweise ungern toleriert, und letztlich ist er dafür auch nicht gezüchtet worden, anders als die britischen Hunde, die gezielt auch für die Arbeit im Paar selektiert wurden.
In Italien sind die Jagdgebiete sehr unterschiedlich; es geht vom Meer über die Hügel bis hinauf ins Gebirge. Dort allein mit dem Jäger zu arbeiten, dafür wurde der Bracco ursprünglich geschaffen. Andere Artgenossen lenken ihn ab, es entsteht unter Umständen eine Konkurrenzsituation und es kann gut sein, dass der Bracco am Ende mehr seine Beine als seine Nase einsetzt.
Damit will ich nicht sagen, dass er grundsätzlich nicht im Paar jagen kann. Aber man muss das Sekundieren und den Apport in der Gruppe vorher gezielt einüben,
zumal das paarweise Suchen und Vorstehen nicht genetisch verankert ist. Ich selbst gehe auch immer mit zwei Hunden zur Jagd. Die beiden kennen sich mittlerweile gut und habensich einer an die Präsenz des anderen gewöhnt.

Um noch einmal auf den Kopf des Bracco zurückzukommen: im Profil erinnert er sehr viel mehr an einen Spürhund als etwa einen anderen großen Vorsteher, den Pointer. Woran liegt das?

Ja, man fragt sich in der Tat, woher dieser Kopf, der dem des Segugio oder Bloodhound so ähnelt? Ein Vermächtnis aus der Frühzeit? Eine atavistische Reminiszenz? Vielleicht ist es kein Zufall, dass Rassen mit langer Geschichte etwas gemeinsam haben, in unserem Falle die Ausformung des Kopfes, wenn auch rein gar nichts im Hinblick auf ihr Wesen. Die einen sind Laufhunde, die anderen Vorsteher. Die morphologischen Analogien zwischen Bracco Italiano und Spürhund sind jedenfalls aller Wahrscheinlichkeit nach im gemeinsamen antiken Ursprung der frühen Vielzweckhunde für die Jagd, die Bewachung usw. zu suchen, deren Selektion erst allmählich die Vorstehanlage hier, die Fähigkeit zur ausdauernden, selbständigen Verfolgung des Wildes dort festigte.

Zum Vergleich: Bracco Italiano Hündin Pimpa, Tochter von Gian Carlo Peranis "Harmony delle terre Alliane".
Segugio Italiano Hündin Diva di Pontenizza. (Foto: Mario Villa)
Bracco und Segugio teilen die divergente Schädel-Schnauzen Linie.
Pointer haben eine konvergente Schädel-Schnauzen Linie
Pointer Paar Nando und Nele. (Foto: M. Kruse)

Der Bracco Italiano ist selbst in seiner Heimat vergleichsweise selten. Woran liegt das?

Sicherlich nicht am Mangel sehr tief verwurzelter Qualitäten; man bedenke nur, dass er an der Schaffung eines Großteils der heutigen kontinentalen Vorstehhunde beteiligt war oder früher zeitweise zur Verbesserung der Vorstehanlagen all jener Rassen herangezogen wurde, die durch unkontrollierte Verpaarungen „vom rechten Wege“ abgekommen waren.
Dass nur relativ wenige Würfe fallen - es werden ziemlich konstant 600 Welpen jährlich im Zuchtbuch eingetragen - und der Bracco in Italien nicht sehr verbreitet ist, liegt vielleicht an dem schlechten Ruf, den die Rasse sich im Laufe der Zeit eingehandelt hat. Im Klartext heißt das: für den durchschnittlichen italienischen Jäger gilt dieser Hund immer noch als zu langsam, wenig gesund und wegen seiner Größe als unbequem! Wenn Skeptiker dann den wirklichen Bracco aus Fleisch und Blut kennen lernen, verliebt sich so mancher in ihn und bleibt ihm zeitlebens treu.

Na schön, nun zeig uns mal die Skelette im Kleiderschrank der Rasse...

Es stimmt völlig, dass unser Bracco früher aufgrund mangelnder Zuchtauslese eine viel zu fette und dicke Haut besaß, die schlecht durchblutet wurde und es folglich zu Hautkrankheiten, Schwielen und Geschwüren kam. Wegen zu enger Verwandtschaft zwischen den Zuchthunden traten lymphatische Tiere auf, und unzureichende Fütterung führte zu rachitischen Exemplaren. Allerdings reden wir hier von der Nachkriegszeit, in der jede Rasse dieselben Probleme hatte. Damals gab es nicht mal für die Menschen genug zu essen, umso weniger für ihre Hunde und erst recht den Bracco, der einen wirklich gesegneten Appetit hat!
All diese gesundheitlichen Probleme, die den guten Ruf des Bracco mit ruiniert haben, sind heute aber fast vollständig verschwunden; wir haben es längst mit einer normal gesunden Rasse zu tun, auch wenn wir der Haut weiterhin ein bisschen Aufmerksamkeit schenken. Sehr selten treten noch zu massige, unelegante Hunde auf, doch insgesamt kann man wirklich sagen, dass der Bracco heute ganz entschieden eine gesunde Rasse ist.


Du bist Jäger und Züchter. Welche Erfahrungen hast du mit dem Bracco als häuslichem Mitbewohner gesammelt?

Der Bracco eignet sich bestens fürs Leben in der menschlichen Familie! Viele meiner Hunde, die von begeisterten Jägern erworben wurden, lebten und leben im Haus, und zwar zur größten Genugtuung aller Familienmitglieder. Manche Rassevertreter verhalten sich sogar sehr territorial, verteidigen also entschlossen ihr Heim, aber auch Objekte, etwa den Rucksack ihres Menschen, Wild und vieles mehr. Tatsächlich ist die Haltung dieser Rasse im Haus nie ein Problem gewesen, wenn man nur die Grundregeln der Rudelgesetze beherzigt und richtig anwendet. Die beruhen nicht auf starrer und strengster Forderung nach vollständiger Unterwerfung, sondern auf einer vernünftigen, möglichst sanften Erziehung, stets unter Berücksichtigung der Reaktionen des Hundes und seines individuellen Charakters.

Du bemerkst auch in deinem Rasseportrait, dass der Bracco kein Hund für Choleriker und Hektiker ist...

Das stimmt. Und es gilt auch bei der Ausbildung für die Jagd. Man sollte dem Bracco begreiflich machen, was man von ihm wünscht, ohne Gewalt und Kasernenhofdrill, zwei "Hilfsmittel", die von ihm im übrigen fast nie akzeptiert werden, weil er auf brüske Art und Schikane nun mal nicht steht. Viel besser fährt man bei ihm mit positiver Verstärkung.

Sollte man den Bracco deiner Ansicht nach ausschließlich für die Jagd einsetzen? Oder umgekehrt: kannst du ihn dir auch als glücklichen Familienhund mit alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten vor-stellen?

Da kann ich guten Gewissens sagen: ihm sagt jede Arbeit zu, auch wenn es offensichtlich eine Präferenz für alle Aktivitäten gibt, die mit dem Jagdgeschehen zusammenhängen. Imgrunde reicht es ihm aber, sich nützlich und dazugehörig zu fühlen und auf diese Weise seinem Herrn und Meister zu gefallen. Denn der Bracco Italiano hat seinen zweibeinigen Freund nicht nur gern, er liebt ihn ohne wenn und aber. Man muss nur einmal einem Bracco in die Augen schauen, der seinen Menschen ansieht..! Wie ich eben schon andeutete kann man den Bracco vielfältig ausbilden. Der erste seiner Rasse, der z.B. bei der Zivilschutzgruppe „Sansone“ in Genua im aktiven Dienst steht und von seiner Besitzerin, Frau Rossella, ausgebildet wurde, ist „Nord delle Terre Alliane“, für seine Freunde „Bimbo“. Bimbo und Rossella haben gemeinsam diverse „Berufsdiplome“ erlangt, und ob der Rüde nebenher bei großen Ausstellungen oder reinen Vereinsschauen startete, er erhielt immer ein „Vorzüglich“ in seiner Klasse.

Herzlichen Dank Gian Carlo Perani für dieses interessante Gespräch, das dem deutschen Leser sicherlich einen umfassenden ersten Eindruck von dieser faszinierenden italienischen Jagdhunderasse vermittelt hat.

Alle Fotos, wenn nicht anders angegeben, Gian Carlo Perani

Weitere Informationen finden Sie hier:
> Kurzportrait
> Fotoalbum Bracco Italiano und
> Bracco Italiano Special

 

home Seitenanfang Menü Fotoalbum