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Aus der Geschichte des Bracco Italiano (2)

 

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Aus der Geschichte des Bracco Italiano (Teil 2)
Von Antonio Casamassima

All dies gibt zum Nachdenken Anlass: der Bracco ist ein Traber und folglich muss sein Knochenbau im richtigen Verhältnis zur Größe des Hundes stehen; er darf nicht zu schwach sein, den mächtigen Körper, der dem Traber eigen ist, zu tragen. Leichte Knochen führen zu langen Muskeln und zu Geschwindigkeit, und wenn sie auch hohes Tempo ermöglichen, begünstigen sie doch nicht die grosse Ausdauer. Schwache Knochen bringen eine schmale Brust mit sich, einen flachen Brustkorb und geringe Ausdauer.
Der Traber hat kürzere Muskeln als der Galoppierer. Lange Muskeln sind für sehr weit ausholende Bewegungen geeignet, kürzere Muskeln fördern die Entwicklung von mehr Kraft.
Der Bracco hat nach unten hin abgerundete Rippenbögen und folglich eine breite Brust (die für Schnelligkeit nicht günstig ist) und einen Brustkorb der im tiefsten Bereich weit ist; beim Pointer zum Beispiel sieht man einen Thorax, der in der Mitte breit und im tiefsten Bereich eng ist.
Wenn man heute Richtung Zukunft schaut, ganz konkret und als aktiv an der Schaffung dieser Zukunft Beteiligter, muss man mit dem "wahren Bracco" denjenigen meinen, der dem Konzept der morphologisch-funktionellen Schönheit entspricht, also den Rassevertreter, der, was den Typ angeht, mit dem morphologischen Standard übereinstimmt und hinsichtlich seiner Jagdweise- und methode mit dem Arbeitsstandard, d.h. dem Stil der Rasse.

Scilla di Casamassima gut konstruierte Vertreterin des Farbschlags weiss-braun.
Startfoto: Zora di Casamassima

Was die zeitgenössische Geschichte des Bracco angeht, - Vereinigung, Erhaltung, Evolution des Typs - meine ich, dass das hauptsächliche Verdienst bei der Familie Ciceri und Dr. Amaldi liegt.
Der Cavaliere Luigi Ciceri Besitzer des Zwingers Dell'Adda - und Gründungsmitglied der S.A.B.I. - widmete sich der Selektion und Zucht des weiss-orangenen Farbschlags mit dem "Stammvater" Tregolo, dessen berühmteste Nachkommen die Champions Adda, Lea, Dik und Bill dell'Adda wurden.
Der Cavaliere Paolo Ciceri hingegen, Inhaber des Zwingers Dei Ronchi, nahm sich insbesondere der Braunschimmel an. Seine ersten Zuchthündinnen waren Portalupa, Trebbia, Olona, und unter den frühen selbst gezüchteten Exemplaren befand sich Bice dei Ronchi, die 1934 in Frankfurt vor Meno und Zara dei Ronchi den Titel World Champion errang.
Ich hatte das Glück, den auf den ersten Blick mürrischen, wortkragen "Vater des Bracco", der seine Urteile kurz und knapp abgab, persönlich kennen zu lernen und mich mehrfach mit ihm unterhalten zu können. Er bewertete die Hunde bereits mit einem Blick wenn sie in den Ring geführt wurden, und zeigte in seinen letzten Jahren (den 90ern) wohlwollend mit dem Krückstock, den er benutzte, auf die verschiedenen Körperteile des Hundes, den er gerade beurteilte.

Bracco in Pose - der Autor mit Champion Morfeo di Casamassima.

Unter all den wichtigen und Geschichte machenden Hunden seines Zwingers Dei Ronchi hat mich der Absolute Italienische und Weltchampion Birt dei Ronchi, im Besitz von Dr. Paolo Cioli aus Visso und bei Prüfungen meisterhaft vom unvergesslichen Luigino Bottani geführt, immer am meisten fasziniert. Und so kam es, dass ich im Juni 1988, anlässlich der Prüfungen in Castelluccio di Norcia eine meiner Zuchthündinnen von ihm decken liess, nämlich Nana’ della Corva, Tochter des Reserve-Champions Ercole (M: Juna di Primarosa, V; Ch. Asso dell’Asolano) und Uana della Corva (M: Miss dei Sanchi, V: Noe’ della Corva). Ihre Nachkommen wurden zum Anlass, meinen eigenen Zwinger, Di Casamassima, zu gründen und eintragen zu lassen, und das Blut der beiden, heute natürlich sehr verdünnt, fliesst noch in meinen aktuellen Braccos.
Birt Dei Ronchi genannt “Baldo” war ein Sohn des berühmten Champions Fer (M: Dama, V: Umago) und Buccia dei Ronchi (M: Pila dei Ronchi, V: Ch. Baltico di Valgrisanche), ein schöner weiss-orangener Bracco mit richtiger Grösse und ohne übermäßig viel Haut, der im Gelände bei den Prüfungen den Vergleich mit seinen ausländischen Vorsteher Kollegen nicht fürchten musste.
Wie viele grossartige Hunde starb Birt dei Ronchi sehr jung; wenn ich mich recht entsinne war er 1989 sieben Jahre alt und hinterliess eine wertvolle, wenngleich zahlenmäßg geringe Nachkommenschaft.
Dr. Edmondo Amaldi, Besitzer des Zwingers Delle Forre in Volta Mantovana, schuf in zwanzig Jahren seriöser, kompetenter und leidenschaftlicher Aktivität zahlreiche schöne und tüchtige Braccos, die im Ring ebenso wie im Prüfungsgelände hervorragende Leistungen erbrachten.
Stellvertretend für seine vielen grossartigen Hunde seien hier genannt Violinista delle Forre, Napoleone delle Forre, Vittoria delle Forre, Nardo delle Forre, Catina delle Forre, Cecca delle Forre, Deus delle Forre.
Leider habe ich ihn nie persönlich kennen gelernt, sondern nur durch seine Artikel, die ich, schon als Junge vom Bracco begeistert, in der Zeitschrift Diana las.
Dr. Amaldis züchterische Tätigkeit endete in den 70er Jahren durch seinen frühzeitigen Tod. Das kostbare Blut der Braccos Delle Forre ist aber zum Glück bis heute erhalten geblieben; unter den wichtigen Trägern sei an Dr. Giovanni Grecchis Champion Dover di Valgrisanche erinnert und an dessen Söhne, die Champions Duccio, Dozzo, Diana, Dea, Dora, allesamt Geschwister aus einem Wurf von Dr. Ficarelli.

Der Autor mit Champion Maggy dei Sanchi, Hündin mit schönem Fell Farbschlag "Mönchskutte".

Es wären noch andere wichtige Zwinger zu nennen, einige noch heute aktiv, und neue Zwinger werden entstehen.
Aufgrund meines eigenen Erlebens und Alters habe ich mich bei meiner Zucht an die folgenden Blutlinien als "sicherem braccophilem Bezugspunkt" gehalten:

Die Linie des Champions Asso dell’Asolano (V: Paco, M: Major Superba) und seiner Nachkommen:
- Ch. Ciac (V: Asso dell’Asolano, M: Arpia delle Forre),
- Ch. Lumbo und Ch. Lando (V: Asso dell’ Asolano, M: Lila delle Forre) sowie
- Reserve Champion Ercole (V: Asso dell’ Asolano, M: Juna di Primarosa), ein bemerkenswerter Hund was Körperbau, Temperament und rassetypische Jagdmethode betrifft. Ich sah ihn 1985 beim Besuch im Zwinger “Della Corva” meines Freundes Paolo Rutigliano, als ich dort eine seiner Töchter erwarb, Nana' della Corva.
Ein weiterer wichtiger Sohn von Ercole war der Arbeitschampion Brontolo (V: Ch. Ercole, M: Alma di Montepetrano.

Vento di Casamassima im Trab.

Die Linie des Champions Umago (V: Ch. Lord, M: Ch. Catina delle Forre) und seiner Nachkommen:
- Ch. Fer (V: Umago, M: Dama),
- Ch. Zago di Valgrisanche (V: Umago, M: Tua dei Ronchi).
Fer und Buccia dei Ronchi brachten den Absoluten Ital. und Intern. Champion Birt Dei Ronchi hervor; Zago di Valgrisanche und Ch. Rina den Ch. Siro di Valgrisanche, der seinerseits mit Piero Segafredos Alice den Ch. Marcus zeugte, und dieser wiederum mit Ch. Galatea Delle Crode den Ch. Augusto.

Die Linie des Champions Galantom Del Boscaccio (V: Ch. Athos delle Forre, M: Ch. Dama) und seiner Nachkommen:
- Ch. Tabar di Cascina Merigo (V: Galantom del Boscaccio, M: Bianca di Cascina Merigo);
- Ch. Leroy di Cascina Merigo (V: Galantom del Boscaccio, M: Bianca di Cascina Merigo);
- Ch. Vagabund (V: Galantom del Boscaccio, M: Diana).
Der Absolute Champion Tabar di Cascina Merigo und die Hündin Giubba (V: Tano dell’Asolano, M: Doris) wurden die Eltern eines Bracco Italiano, der die Rasse sowohl bei Ausstellungen als auch bei Leistungsprüfungen auf grandiose Weise repräsentierte, nämlich der vielfache Champion Titano Del Trovese, der das Image des Bracco des 21. Jahrhunderts ganz entscheidend beeinflussen sollte, übrigens auch in seiner Funktion als Vererber.
Ich habe über die Titano Söhne Ch. Lord della Foresta di Vallombrosa und Ch. Serleo del Trovese aus dieser Blutlinie geschöpft.

Zir di Casamassima (V: Mose' di Casamassima, M: Onda di Casamassima). Typisches, ausdrucksvolles Vorstehen.

Zum Ende meines braccophilen Diskurses sei mir erlaubt, vier Braccos, denen ich besonders dankbar bin, hier noch speziell zu erwähnen:
- Gheri dei Sanchi (V: Ch. Tommaso del Simeto, M: Granada dei Sanchi), mein allererster Bracco (1977), weiss-orange meliert, ein grossartiger Jagdhund und unübertroffener Schnepfen Jäger, unvergesslich und unvergessen, einzigartig und unersetzlich.
- Ch. Birt dei Ronchi (V: Ch. Fer, M: Buccia dei Ronchi) ein schöner weiss-orangener Rüde ohne übermäßig viel Haut, der im Gelände eine schöne, kontinuierliche Aktion zeigte und den Wettbewerb mit seinen ausländischen Cousins nicht scheute.
Birt deckte 1988 meine Nana’ dell Corva, und mit ihren gemeinsamen Nachkommen schlug ich in den 90er Jahren den Weg des offiziellen Züchtens in dem von ENCI und FCI anerkannten Zwinger "Di Casamassima" ein.
- Ch. Piombo dei Sanchi (V: Ch. Mister dei Sanchi, M: Poma dei Sanchi) ein hübscher Braunschimmel an der unteren Grössengrenze, aber in jeder Hinsicht ein wahrer Bracco Italiano. Er präsentierte draussen im Gelände einen kraftvollen natürlichen Trab und eine wunderschöne, sehr elegante Haltung des Kopfes. Ich liess 1995 meine Assia di Casamassima von ihm decken, und das Blut ihrer Nachkommen ist noch heute in den Linien präsent, die meinen Zwingernamen tragen.
- Ch. Camillo di Cascina Croce (V: Ch. Aiace di Cascina Croce, M: Ch. Altea) ein weiss-orangener Rüde, der mich wegen seiner Bewegung und Haltung, seines Jagdtriebs und Vorstehens begeisterte. Camillo deckte 2003 meine vielfache Meisterin Zara, und der bedeutendste Sohn der beiden ist der mehrfache Champion Quasimodo di Casamassima im Besitz von Herrn Massimo Scevi.

Raul di Casamassima Apport im Trab.

Zuletzt noch ein paar Worte zum Bracco wie ich persönlich ihn bevorzuge.
Morphologie:
ein Gesamtkörperbau, der sofort den Eindruck von Distinktion, Eleganz, Proportioniertheit, Harmonie, Festigkeit und Robustheit vermittelt.
Dichtes, glänzendes Haarkleid in der Farbe von Vollmilchschokolade oder weiss-orange, wobei das Orange weder zu intensiv noch blass sein darf.
Der Kopf muss gut die Rasse des Bracco darstellen, der Nasenrücken ausreichend abfallen, aber ohne Übertreibung, der Schädel soll gut ziselliert sein und niemals flach, Hinterhaupt und Nackenansatz akzentuiert, schöne Lefzenlinie weder mit schlaff herunter hängenden Lefzen noch zu wenig Belefzung und deutlichem Mundwinkel.
Auge gut pigmentiert, ausdrucksvoll und mit offenem Blick, nie hart und nicht von heller Färbung.
Behang wie vom Standard gefordert angesetzt, dreieckig an den Backen anliegend, in sich gedreht und mit leicht abgerundeten Ohrrändern, dünn (nie dick wie eine Schuhsohle) und lang genug, um ohne Ziehen den Nasenschwamm zu erreichen.
Schöner Hals, der in eine gewinkelte, muskulöse Schulter eingesetzt ist.
Feste Rückenlinie, kurze Nierenpartie, lange, breite und gut gewinkelte Kruppe.
Bis zu den Ellbogen reichender, in den drei Durchmessern gut entwickelter Brustkorb, Bauchlinie nie aufgezogen, gut ausgeprägtes Knie.
Rute kräftig an der Wurzel und auf ca. 25 cm kupiert. Sie wird auf der Horizontalen getragen und bewegt sich im Rhythmus der entsprechenden Gangart des Hundes. (Heute, im Jahr 2010, steht leider das Kupierverbot zur Diskussion; sollte dieses Verbot tatsächlich Gesetz werden, glaube ich, dass die Zukunft des Bracco Italiano dadurch unvermeidlich gefährdet wird.)
Stabiles Gebäude und deshalb robuste, starke Knochen, um einen kraftvollen Motor bestehend aus leistungsfähigen Lungen und Herz tragen zu können.
Gut gewinkelte Gliedmaßen, Pfoten mit geschlossenen Zehen und genügend Haar zwischen den Zehenballen, gut gebogenen Krallen und harte, elastische Sohlen.

Raul di Casamassima bringt die Wachtel.

Arbeit:
Die züchterische Selektion einer Hunderasse wurde stets im Hinblick auf die Funktion durchgeführt, die die Rasse erfüllen soll, d.h. Funktionalität hatte den Vorrang vor der Ästhetik.
Unsere eigene Entscheidung für eine bestimmte Rasse wird aber wohl immer von Sympathie, Attraktivität, persönlichem Geschmack, Art und Weise der Jagd beeinflusst und davon, wie die Rasse sich in der Beziehung zwischen Mensch und Hund zeigt.
Deshalb muss man, bevor man sich der Zucht einer Rasse widmet, erst einmal wieder klar machen, warum sie auf eine bestimmte Weise konstruiert sein muss, denn das erlaubt einem, sich eben nicht vom Typ und von den grundlegenden Arbeitseigenschaften zu entfernen für die die Rasse geschaffen wurde.
Ein Hund in Bewegung verwendet unterschiedliche Gangarten in Abhängigkeit von den Bedingungen die er meistern muss, aber in Bezug auf die rassetypische Funktion an die sein Körperbau angepasst ist wird er eine spezifische Gangart haben, deshalb ist es die Anpassung an die Funktion die uns zum körperbaulichen Typ führt.
Der Bracco trabt weil diese Gangart seiner morphologischen Konstruktion entspricht, weil er ein nachdenkliches Wesen hat, weil er eine besondere Art hat, Hals und Kopf zu tragen, aber all dies bedeutet nicht, dass er nicht auch galoppiert.
Er wird seine Gangart, vom schnellen Galopp zum Trab und umgekehrt, vernünftig und gemäß dem Gelände und den Umständen, die ihn zur Begegnung mit dem Wild bringen anpassen, gemäß auch der Vegetation (wobei er als kurzhaariger Hund im Dorngestrüpp etwas im Nachteil ist, aber er gleicht das durch Jagdlust und Jagdinstinkte wieder aus), gemäß der Wildart, sei das Wachtel, Bekassine, Schnepfe, Rebhuhn usw.

Nun, ohne die Anmaßung, hier irgend jemanden etwas gelehrt zu haben, und willig, selbst etwas hinzu zu lernen und meine Wissenslücken in Sachen Bracco-Kultur zu schliessen, habe ich nur meine Gedanken über diese bemerkenswerte Hunderasse niederschreiben wollen, auf die die italienische Kynologie stolz sein kann!

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Fotos: Antonio Casamassima
Text (c) 2015

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