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Aus der Geschichte des Bracco Italiano (1)

 

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Aus der Geschichte des Bracco Italiano (Teil 1)
Von Antonio Casamassima

Unter all den Sternen, die zur "Konstellation der Hunderassen" beitragen, hat mich eine Rasse seit den 70er Jahren ganz besonders fasziniert und meine Aufmerksamkeit seither immer mehr angezogen: der Bracco Italiano nämlich.
Ich werde hier nun aber nichts Neues oder Aussergewöhnliches über den Bracco schreiben, denn die Väter der Rasse haben sich schon in der Vergangenheit maßgeblich, vollständig und mit Sachkenntnis geäußert, und heute tun dies meine befähigten Zeitgenossen, Pfleger, Richter und Züchter der Rasse. Ihnen allen gebührt Dank und Anerkennung dafür, dass sie diese grossartige italienische Hunderasse geschützt, gestärkt, gezüchtet und an uns weiter gereicht haben, und die morphologischen und funktionellen Besonderheiten des Bracco dabei nicht etwa verloren, sondern sie positiv und in Übereinstimmung mit dem Wandel der Zeit und der Jagd weiter entwickelt haben. So kommt es, dass heute, im 3. Jahrtausend, bei nationalen, internationalen und Weltausstellungen oft ein Bracco Italiano den Titel "Best In Show" gewinnt. Analog dazu sind auch die Erfolge bei den Arbeitsprüfungen zu sehen.

Raul di Casamassima zeigt einen schönen Trab mit viel Schub.
Startfoto: Tosca di Casamassima: Trabphase bei der alle vier Läufe vom Boden abgehoben sind.

Das aktuelle morphologisch-funktionelle Modell des Bracco wurde freilich nicht durch Magie und Wunder geschaffen, sondern zunächst durch die Wiederherstellung der Rasse und dann durch ihre bewusste, achtsame züchterische Selektion.
Wenn wir die Augen schliessen und uns die Braccos auf den Fotos und Zeichnungen vom Ende des 19. und Anfang des 20. Jh. als belebt und bewegt vorstellen, wird uns klar was für ein hartes Stück Arbeit es doch ist, an einer Hunderasse Zucht und Selektion auszuüben.
Dem Cavaliere Paolo Ciceri, den ich das Glück hatte persönlich und durch seine Schriften kennen zu lernen, ist das Verdienst zuzuerkennen, die Rasse erneuert und vereint zu haben, und sie im Ausstellungsring ebenso wie im Jagdgebiet durch die Präsentation typischer, kraftvoller, jagdfreudiger Hunde wieder aktuell und attraktiv zu machen, so dass der "alte, lymphatische, langsame und sabbernde Vorkriegs-Bracco" und der "leichte Mini-Bracco" in Vergessenheit gerieten.

Silvan: bemerkenswerte Kruppe und korrekte Schulter.

Schon im weit zurück liegenden 1949, Jahr der Vereinigung des leichten und schweren Bracco Typs, (und Gründung des Bracco Klubs, S.A.B.I.) schrieb Ciceri, der "Vater des Bracco Italiano" apropos dieser Zusammenführung der beiden früheren Bracco Varianten:

"dass sie zusammenzufassen ja nicht bedeutet, sie miteinander zu verwechseln (55 cm und 25 kg = leichter Schlag, 67 cm und 40 kg = schwerer Schlag). Der Bracco Italiano, ob vom grossen oder kleinen Typ, ist morphologisch immer gleich und hat stets die selben äusseren Linien, lediglich Höhe und Gewicht sind verschieden; wäre das nicht so, würde es sich in der Tat um zwei Rassen handeln.
So aber ist es eine Rasse mit ihren Vertretern, seien die 67 oder 55 cm hoch, 40 oder 25 kg schwer. Dieser Spielraum wurde einerseits gelassen, um den Züchtern zu ermöglichen, sich jeweils an der von ihnen bevorzugten Grösse des Hundes und seinem Einsatz in unterschiedlichen Terrains zu orientieren, und andererseits, um Probleme beim Eintrag ins Stammbuch zu vermeiden, denn hier stellte sich die Frage, ob die Welpen zum leichten oder schweren Schlag gehörten...und wenn sie beim Heranwachsen dann nicht die Grössen und Gewichte beibehalten hätten, die zu der Klasse gehörten, in der sie registriert worden waren..? Man fragte sich also, wenn die äusseren Linien, die Formen, die Verhältnisse identisch sind, warum die beiden Schläge nicht vereinen?"

Tosca di Casamassima: Trab mit guter Streckung der Vorderhand und schönem Ausholen der Hinterhand.

Heutzutage gibt es keine so grossen Unterschiede mehr in Gewicht und Grösse; die festgestellten Standardmaße liegen bei Mittelwerten von 60 - 63 cm und 30 - 35 kg bei Rüden sowie 55 - 60 cm und 24 - 30 kg bei Hündinnen. Wichtig hingegen ist, dass wenn man diese Braccos anschaut, sofort die Köpfe, Linien, Profile, Durchmesser, Gliedmaßen, Haarkleid, Psyche und Art und Methode der Jagd die "Marke Bracco" bestätigen.
Schon in den 80er Jahren (und hier sprechen wir von zeitgenössischer Geschichte, nicht Prähistorie des Bracco) begann mitDr. Ciolis Birt dei Ronchi, Dr. Manfronis Augusto, Bir dei Ronchi von Herrn Carolo, Piombo dei Sanchi der Brüder Sanchi, Lupo von Herrn Fabbri usw. die Modernisierung hin zum Bracco Italiano des 3. Jahrtausends. Braccos allesamt - in Körper und Seele!

"Damals gab es unter den Jägern viel zu viele Vorurteile gegen den Bracco; die Rasse musste aufgefrischt werden." (Und noch heute gibt es zu viele Vorurteile.) Zu diesem Punkt zitiert Ciceri Spencer: "Züchtet man ein und dieselbe Rasse in einer Umgebung, an die sie nicht gewöhnt ist, findet sie also andere Lebensbedingungen vor und nimmt deutlich neue zoologische und zuchttechnische Charakteristika an und bringt neue Formen und Eigenschaften hervor."
Und er zitiert Darwin: "Verändert man die Umwelt, endet die Übertragung einiger periodischer Anlagen." Deswegen begann man, den Bracco Italiano an Orten zu züchten, die eine ständige Gymnastik der Läufe und Lungen erforderten - das bergauf Gehen kräftigt die ersteren und vergrössert die zweitgenannten - sowie ihn vernünftig und ohne Geiz zu ernähren und nach wenigen Generationen würden die so gezüchteten und aufgezogenen Hunde kräftig und körperbaulich "kompakt" sein."

Zoran di Casamassima (V: Balzan 3 dell'Angelo del Summano, M: Scilla di Casamassima) zeigt Bau, Typ und Vornehmheit

Gegenwärtig wird der Bracco vom äussersten Norden bis zum tiefsten Süden Italiens gezüchtet, einschliesslich der Inseln Sardinien und Sizilien, und die Zuchtarbeit war kontinuierlich und gewissenhaft. Ein in Sachen Ernährung und Umwelt vernünftig gezogener Bracco ist nicht mehr lymphatisch und schwer, sondern trocken und kraftvoll.
Um noch einmal mit Ciceri zu sprechen: "Zu behaupten, dass der Bracco Italiano so wie er ist kein Vergnügen mehr bei der jagdlichen Arbeit sei und auch nicht mehr passend für sie, entbehrt jeder ernst zu nehmenden Grundlage; es gibt Leute, die fordern die strukturelle Veränderung unseres Bracco! Aber was nötig war, ist längst getan: nämlich ihn zu morphologischer Trockenheit und unentbehrlicher Tonizität zu bringen, ohne im mindesten sein Wesen und seinen Typ zu berühren! Diejenigen, die meinen, alles sei möglich und einfach zu erreichen bei der Zucht möchte ich daran erinnern, dass etwas zu schreiben leicht von der Hand geht, aber es in die Tat umzusetzen sehr viel schwerer ist und weit mehr Einsatz verlangt."


Die Arbeit des Züchters besteht darin, Zucht, Selektion zu betreiben und heute etwas für morgen zu schaffen. Die Rassezucht hat als Modell den Standard, und der ist nicht etwa optional.
Wer züchtet hat genaue Vorstellungen davon, wie er selektieren will, um die Rasse zu verbessern, positive evolutive Eigenschaften zu festigen. Züchten heisst nicht, eine Rasse, die ja bereits existiert, zu basteln oder zu entstellen, bloss um daran zu verdienen oder die individuellen Wünsche eines bestimmten Klientels zu befriedigen. Nein, Ziel ist ein anderes; dass nämlich die Art und Methode wie sich ein Hund im Jagdgebiet präsentiert und ebenso seine äussere Erscheinung, mit allen Besonderheiten und Voraussetzungen einer Rasse auf den ersten Blick erlaubt, ihn als Vertreter eben dieser Rasse zu identifizieren - ohne dabei die Fantasie und irgendwelche Vorstellungen bemühen zu müssen. Wer züchtet, beginnend bei der Paarung bis hin zur Betreuung des erwachsenen Hundes, und dabei nicht aufmerksam selektiert, bereit und fähig, die speziellen Rasseeigenschaften zu erkennen und zu festigen,  weiss, was er aufs Spiel setzt. Es ist ach so einfach mit dem Schreiber auf Papier oder nur gedanklich im Kopf zu züchten, zu selektieren, zu verändern oder gar andere Rassen einzukreuzen, oder es mit der Philosophie des "Es war einmal..." zu halten...!

Almandino di Casamassima im Alter von 6 Monaten.

"Diese Selektion basierte auf der Verpaarung von Braccos und nicht auf Einkreuzung fremder Rassen, denn sonst hätte man auch das wenige Gute ruiniert, das noch vorhanden war und unweigerlich die Substanz, das Wesen und die unverwechselbaren Qualitäten des Bracco gefährdet."

Ja, man hätte die Rasse verzerrt, und all die Eigenschaften für immer verloren, die den Bracco Italiano einzigartig und unverwechselbar machen, beginnend bei dem gutmütigen Ausdruck und den Augen die so viel sagen, über das unvergleichliche Brummeln, wenn er apportiert, bis hin zur Eleganz seines Trabs.

"Die Körperformen spiegeln die Funktionalität und die Eignung für eine Aufgabe wieder und bestimmen die Klassezugehörigkeit des Hundes; lächerliche Brustkörbe, windhundartige Linien usw. usf. würden nur die augenblickliche Schnelligkeit fördern, nicht die Ausdauer. Bei unseren Überlegungen wollen wir den Bracco also gemäss des Standards gebaut sehen, der u.a. Maße, Verhältnisse und Formen festlegt, die auf der Beobachtung vieler, wirklich existierender und geeigneter Rassevertreter beruhen. Die typischen Merkmale sind die "atavistische Aussteuer" einer Rasse; gibt man diese Merkmale auf, geht die Rasse unvermeidlich zugrunde."

> weiter zu Teil II

Fotos: Antonio Casamassima
Text (c) 2015

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