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Labrador Yukon - oder: Abenteuer Welpenerziehung (3)


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Labrador Yukon - oder: Abenteuer Welpenerziehung (3)
Von Ingo Wechsung

Yukons Verhältnis zu anderen Hunden und Menschen
Yukon ist bei Hunden, die er nicht kennt, nach wie vor zurückhaltend. Das heißt nicht, daß er desinteressiert wäre, er nähert sich aber vorsichtig bis unterwürfig, je nach Größe des anderen. Selbst in seiner Welpengruppe war er zuletzt nicht mehr der ganz Hemmungslose.
Stattdessen zog er es eine Zeit lang vor, sich unter einen Gartenstuhl zu legen, das Treiben zu beobachten und seinen Spielkameraden Cap daran zu hindern, ebenfalls unter den Stuhl zu kommen.
Nachdem ich gerade das Buch "Wölfisch für Hundehalter" gelesen habe, halte ich es für möglich, daß letzteres eine Variante des Spiels "king of the castle" ist, das Bloch erwähnt.
Dieses "aus der Deckung heraus agieren" scheint ihm generell zu liegen, wir haben es schon mehrfach beobachtet.


Farbvergleich: brauner Labrador, graue Dogge und Yukon, der hellbraune (silver) Labrador.
Der Umgang mit Bonny ist nach wie vor rabiat, vorwitzig und völlig unbekümmert darum, daß sie, die 10kg mehr wiegt und schon richtige Zähne hat, ihm körperlich haushoch überlegen ist.
Als Bonny neulich einen Tag in unserer Pflege verbrachte, war mir sogar so, als ob Yukon sie zweckgerichtet angreift, um sie vom Hundeplatz, von der Wasserschüssel und vor allem von Frauchen und mir zu vertreiben.
Ansonsten wird natürlich viel gespielt und herumgetollt, jedoch ist es draußen deutlich entspannter als im Haus.
Trotzdem, was haben wir uns für Sorgen gemacht, ob sich die beiden vertragen würden und wie wir ihnen beibringen könnten, daß sie sich gegenseitig als Familienmitglieder sehen sollen! Im nachhinein läßt sich sagen, daß die Hunde es von Anfang an begriffen hatten.

Yukon lässt sich von schnöden 10 kg mehr an Gewicht nicht beeindrucken.
Was nun Menschen angeht, so scheint Yukon zu glauben, daß die alle seine Freunde sind, die man unbedingt persönlich kennenlernen und mindestens anspringen muß. Wegen seines Aussehens kriegt er leider auch zu oft Bestätigung bzw. Interesse seitens fremder Leute signalisiert.
Ein Teufelskreis, der auch leicht zu Problemen führen kann, wie vor einer Weile deutlich wurde.
Da hatten wir ihn im Wald ohne Leine vor uns laufen und mußten feststellen, daß sich sein Aktionsradius schon deutlich erweitert hatte. Er lief ca. 20m vor uns, als uns ein jüngeres Pärchen entgegenkam. Prompt beschleunigte Yukon seinen Schritt und der Schwanz wedelte heftiger.
Ich rief ihn beim Namen - ohne erkennbare Reaktion.
Nun hatte ich gerade in einem Buch von Patricia McConnell gelesen, daß wir Primaten dazu neigen, bei Aufregung schneller und mehr zu sprechen, und zum Beispiel Kommandos immer schneller zu wiederholen, dies jedoch unseren Hunden höchstens signalisiert, daß wir nicht ganz richtig ticken.

Begegnung der dritten Art??
Wie auch immer, jedenfalls war ich völlig beseelt von dem Gedanken: Geben Sie ein Kommando nur einmal und möglichst auch nur dann, wenn Sie sicher sind, daß der Hund es befolgt.
Das war wieder einmal eine der Situationen, in der man schmerzlich erkennt, daß alle Buchweisheit nichts nützt. Der Hund lief begeistert und geradewegs auf die Leute zu, hörte nicht  - und nun?
In meiner Not rief ich ihnen zu, sie sollten den Hund bitte wegschicken. Na, da waren wir an die richtigen gekommen! So ähnlich muß die erste Begegnung zwischen Primaten und Caniden ausgesehen haben. Das Ergebnis waren jedenfalls einerseits zwei erboste und andererseits zwei

Problem Mensch....

in Demutshaltung sich wortreich entschuldigende Spaziergänger sowie ein frohgemuter Hund, der gerade gelernt hatte, daß man durch Anspringen seine zweibeinigen Freunde zu komischen Armbewegungen animieren und ihnen seltsame Laute wie "Huch! Aus!" entlocken kann.
So lustig das klingt war es natürlich  bei Lichte betrachtet keineswegs.
Ich hatte fremde Menschen gegen ihren Willen zu Werkzeugen meiner Erziehungsarbeit zu machen gesucht.
Es war zum Glück nichts passiert, außer daß eine Jeans außerplanmäßig gewaschen werden mußte. Aber wäre ein Kind dabei gewesen, hätte Yukon es umreißen und verletzen können.
Und natürlich wird so eine Situation auch ohne Kinder jeden Tag gefährlicher in dem Maße, wie Yukon wächst und zunimmt. Es dauert nicht lange, und er reißt jeden um, hundeunerfahrene Menschen allzumal. Erstmals hatte ich ein flaues Gefühl im Magen bei dem Gedanken, wie groß und stark Yukon eines Tages sein wird.
Jedenfalls finden wir uns gegenwärtig in der absurden Situation, daß wir weniger auf Wild zu achten haben denn auf Menschen...

Frühlingserwachen
Trotz immer heftiger werdenden Regens haben  wir es uns auch diese Woche nicht verdrießen lassen, den herrlichen sich begrünenden Wald zu besuchen.
Yukon hatte heute seine Signalweste als provisorischen Regenschutz an. Man sieht aber seinen Hund so auch viel besser, habe ich festgestellt. Seine Fellfarbe ist vielfach die perfekte Tarnung und oft vermisse ich Baldwins weiße Schwanzspitze, auf deren Vorhandensein der Beagle-

Rassestandard mit gutem Grund besteht: einen seinen Schwanz immer aufrecht tragenden Hund mit weißer Schwanzspitze sieht man selbst noch bei fortgeschrittener Dämmerung, im Gegensatz zu Yukon.

Yukon im Regenwald.

Bei Ausflügen, die keine Straßen tangieren, braucht man die Leine derzeit nur noch pro Forma und für alle Fälle dabeizuhaben. Mustergültig lief unser Schätzchen unaufgefordert stets so gut wie bei Fuß, jedenfalls aber so, daß der Blickkontakt aufrechterhalten werden konnte.
Lag es an dem für ihn ungewohnten Regen, der gut gefüllten Leckerchenbüchse in der wohlbekannten Jackentasche oder hat er das Voranlaufen schon so schnell aufgegeben? Ich werde es weiter beobachten.
Mangel an Sehens- und Riechenswertem gab es jedenfalls nicht. Nachdem Yukon es ja schon früher fertiggebracht hatte, eine Schnecke samt Haus zu fressen, gelang es mir gestern, ihn zu überzeugen, daß er diese Wesen in Ruhe lassen soll. Auf die erste stürzte er noch los, ich verwies es ihm aber und löste ihr Leben mit einem Leckerchen aus. Dann brachte ich die Schnecke an seine Nase und ließ ihn daran riechen, sobald er aber den Fang öffnete, nahm ich sie weg. Die nächsten 3 oder 4 Schnecken fand ich und zeigte sie ihm, verhinderte jedoch weiterhin, daß er mehr als nur daran schnuppern konnte. Danach war anscheinend der Groschen gefallen, ganz so köstlich hatte wohl auch die erste nicht geschmeckt.


Schnecken sind ein gutes Geschäft - für brave Welpen.
Jedenfalls versuchte er jetzt umgekehrt, Kompensationen für nichtgefressene Schnecken abzuholen. Durch das nasse Wetter waren aber so viele da, daß ich einen Rucksack voller Würste gebraucht hätte, und so gab es nur ab und zu etwas. Wie nebenbei scheine ich aber so - wenigstens vorläufig - auch etabliert zu haben: "Es lohnt sich, dem Alten Fundsachen zu zeigen."
Neben Kot von Hunden oder Füchsen (ich tippe auf Fuchs, weil ich ähnlichen Kot an Stellen gesehen habe, wo gewöhnlich keine Hunde hinkommen) fand sich ein aus dem Nest gefallenes Vöglein, ein etwa 20cm langer, dünner Knochen (von beiden existiert wegen starken Regens kein Foto) sowie etwas, das jedenfalls Reste eines Tieres sein müssen. Für all diese gefundenen und nicht gefressenen Sachen gab es natürlich überschwengliches Lob und fürstliche Wurst-Jackpots. Solch vorbildliches Verhalten kann gar nicht genug bestärkt werden.


"Tabu-Würstchen"...
...und andere Leckereien am Wegesrand.

Ohne Foto, aber berichtenswert: der erste Kontakt mit einem Elektrozaun.
Leider kommt wohl kein Hund, der in ländlichen Gegenden Deutschlands lebt, um diese Erfahrung herum. Bonny hat ja auch schon ihre Lehrstunde an der Pferdekoppel hinter sich.
Gestern nachmittag nun kamen wir mitten im Wald an einem Gehege mit wunderschönen Ziegen vorbei. Yukon näherte sich ihnen vorsichtig mit vorgereckter Nase, ich rief noch "Nein", aber da zuckte er schon zurück und quiekte. Das war es glücklicherweise für diesmal, der Strom muß schwach gewesen sein, oder er ist hart im Nehmen. Weder rannte er panisch davon, noch war ihm auf dem Rest des Weges sonst irgendetwas anzumerken. Ich fürchte daher, wenn der Dorfschäfer erst die Wiesen um unser Haus wieder in Beschlag nimmt, wird es noch den einen oder anderen Schlag geben. Aber letztendlich, was Schafe und Kühe lernen, lernt ein Hund erst recht, und das ist immer noch besser, als etwa sein Hundeleben in der Innenstadt von Stuttgart oder Köln zu verbringen.

Zu guter Letzt müssen noch zwei urologische Beobachtungen festgehalten werden. Zum einen ist es seit etwa 3 Wochen so, daß Yukon denjenigen von uns, den er tagsüber nicht gesehen hat, am Abend so freudig begrüßt, daß nicht unerhebliche Urinmengen verspritzt werden. Der Kommentar des Hundeschulleiters zu entsprechenden Fragen anderer Welpenbesitzer mit demselben Problem war: "Das gibt sich, Begrüßung so lange nach draußen verlegen und kein Aufhebens darum machen."
Mal sehen, ob und wie das hilft.
Zum anderen hat er allein heute während einer Stunde Spaziergang mindestens 5 mal uriniert, immer nur kurz und auf besondere Stellen, wie Kot anderer Tiere. Wenn er das Bein dabei gehoben hätte, wäre es das perfekte Markieren gewesen.
An solchen Sachen und auch an dem inzwischen stattfindenden Zahnwechsel zeigt sich: die schöne Welpenzeit ist nun auch rechnerisch vorbei, es geht jetzt voran in ein glorreiches Junghundeleben

Schwer zu widerstehen, aber Yukon hat's geschafft.

Apropos glorreich: heute morgen fand Yukon schon wieder etwas, ein totes Mäuschen. Natürlich machte er Anstalten, sich darin zu reiben, (wurde vereitelt), aber er hat keinen Versuch gemacht, es zu fressen. Lektion gelernt?!

Verregneter Mai
So einen Mai hab ich noch nicht erlebt! Seit dem 1. Mai ist es regnerisch und kalt, mal schüttet es, mal nieselt es, mal versinkt alles in den tief hängenden Wolken. Meist regnet es aber einfach so vor sich hin. Nach Pfingsten war es eine Woche lang etwas wärmer und trockener, aber heute, am Fronleichnamstag und immerhin schon im Juni zeigt sich das vertraute Bild: Dauerregen bei um die 10°C. Desungeachtet hat Yukon einige neue Tierarten kennen gelernt.
Am 4. Mai trafen wir erstmals auf eine Pferdekoppel.


Better safe than sorry.....
Er zeigte mächtigen Respekt gegenüber den Pferden, was ihn nicht daran hinderte, sie kräftig zu verbellen. An der Leine kann man sich, so scheint es, einiges erlauben.
Einen Tag später fuhr ich mit ihm zu einer unserer Routen auf der Albhochfläche. Die Kamera hatte ich zwar dabei, aber, wie sich herausstellte, die Leine vergessen. Nicht so schlimm, dachte ich, hatten wir doch inzwischen einige Spaziergänge hinter uns, wo ich die Leine nur herumgetragen hatte, ohne sie einzusetzen. Aber Murphys Gesetz schlägt unerbittlich zu. Es dauerte nämlich nicht lange, da lief plötzlich ein Stück vor uns ein Hase über das Feld. Ehe ich irgendetwas sagen oder unternehmen konnte, saß Yukon auf seinem Hintern und schaute dem Flüchtenden hinterher.

Wohl nur Hundebesitzer, deren Hund schon einmal einem Hasen hinterher gehetzt ist, während sie verzweifelt rufend, aber völlig machtlos dastanden, können ermessen, was ich bei diesem Anblick fühlte, nämlich das genaue Gegenteil der verzweifelten Hilflosigkeit, gepaart mit unspezifischer Wut, die einen bei solchen Gelegenheiten überkommen  Eine heiße Woge der Liebe und Zärtlichkeit samt unbändiger, stolzer Freude stieg in mir auf, am liebsten hätte ich den guten Yukon an mich gedrückt und von oben bis unten abgeschleckt! 
Stattdessen näherte ich mich ihm vorsichtig so, daß ich ihn notfalls festhalten konnte, wenn er es sich noch anders überlegen würde, dies jedoch ohne ihn zu bedrängen. 
In diesem Moment ertönte ein Schuß. Der Schütze war nicht zu sehen, konnte sich aber nur wenige hundert Meter weit von unserem Standort hinter einem Hügel befinden.
Jäh fiel meine Freude in sich zusammen und machte nicht geringer Panik Platz. Ein Jäger, der jeden Moment in Sicht kommen konnte, während mein unangeleinter Hund gerade anfing sich zu fragen, was das wohl für ein nettes Tier gewesen war, und wo es wohl hergekommen sei. Und ich ohne Leine!
Ich griff nach Yukons Halsband, um Beherrschung bemüht. In der Not montierte ich den Tragegurt der Kamera ab und bastelte daraus eine Art Notleine. Halten würde sie nichts, aber einem entfernten Beobachter den Eindruck vermitteln, Yukon sei angeleint.
Danach ging es auf schnellstem Wege in Richtung Auto. Es ertönten vier weitere Schüsse, ohne daß ich sehen konnte, wer da schoß und auf was. Yukon zeigte sich übrigens von den Schüssen völlig unbeeindruckt.
Erst als ich die Hecklappe des Kombis zuschlug, in dem Yukon sicher ruhte, wich meine Anspannung einer großen Erleichterung.
Aber nie wieder werde ich die Leine vergessen!

Yukon bei seiner forsttechnischen Arbeit im Revier.
Seither waren wir zweimal im Revier des Hasen und jedesmal sah ich ihn.
Heute morgen gingen wir wieder an dieselbe Stelle, denn ich wollte nun unbedingt ein Bild von dem Burschen haben. Der Plan war, falls wir ihn aufstöberten, uns auf die Lauer zu legen und zu warten, bis er wiederkäme. Daraus wurde leider nichts. Es regnete so stark, daß ich die Kamera nur unter der Jacke tragen konnte. Der Hase ließ sich nicht blicken, nur ein ziemlich fettes Reh kam aus dem Wald und kreuzte 50m vor uns den Weg, um dann ohne sonderliche Eile ins Gebüsch zu verschwinden. Es muß geglaubt haben, ich sei Noah auf der Suche nach Bauholz für die Arche, die wir zweifellos in wenigen Tagen brauchen werden, wenn der Wetterbericht mit seinen ständigen Ankündigungen, es werde nun spätestens übermorgen ganz gewiss endlich Sommer, weiter so daneben liegt wie bisher.

Wo steckt er nur, der Sommer?


Alle Fotos: Ingo Wechsung
(c) Text 2010

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