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VJP des Deutsch Drahthaar in Italien


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Deutsch Drahthaar VJP in Italien
Von Marco Prandini und Sabine Middelhaufe

Am Wochenende 28./30. März 2008 unternahmen neun deutsche Richter und eine kleine Organisa-tionsgruppe die lange Reise von Deutschland nach Mirandola in der italienischen Provinz Modena, um 15 Deutsch Drahthaar, alle um die 12 Monate alt, und bis auf eine Ausnahme allesamt in Italien ge-züchtet und ausgebildet, im Rahmen einer Verbandsjugendprüfung unter die Lupe zu nehmen.
Tatsächlich besteht zwischen der Gruppe Nord-Bayern des Vereins Deutsch Drahthaar und dem Club Italiano Drahthaar seit Jahren eine freundschaftliche Beziehung und ein reger Austausch, und man kann nur hoffen, dass dieses Beispiel beim italienischen Deutsch Kurzhaar Verein ebenso Schule mach-en wird, wie bei den deutschen Bracco Italiano und Spinone Führern, denn zu wissen, wie eine Hunde-rasse im Ursprungsland eingesetzt und gerichtet wird, ist für Verständnis und Zucht dieser Rasse wohl unumgänglich.
Aber zurück zum DD und zu Marco Prandini, dem leidenschaftlichen Drahthaar Fan, der als Seele des italienischen Rasseklubs und Organisator der Prüfung auch bei der 3. VJP in Italien von Anfang an dabei war.

Marco, dass es in Italien eine VJP nach deutschen Regeln und mit deutschen Richtern gibt, ist fast ausschliesslich dir zu verdanken. Wie kam es dazu?

Ich bin seit 4 Jahren im Vorstand des Club Italiano Drahthaar und als Delegierter für die Organisa-tion der übrigens einzigen VJP auf italienischem Boden verantwortlich. Am 1. April 2006 gelang es mir zum ersten Mal, diese Jugendprüfung auf die Beine zu stellen; nicht ohne Hindernisse, kann ich dir sagen, und nicht ohne Zweifel seitens unserer Vereinsmitglieder und der Jäger in meinem Städtchen Mirandola, die eine übermäßige Beunruhigung des Wildes im Gebiet fürchteten. Wir hatten vorher schon jahrelang über diese Art der Prüfung debattiert, aber wie das eben so geht wollte sich niemand die Verantwortung aufhalsen, etwas zu organisieren. 2006 hatte ich die Sache dann so weit gebracht, dass nur noch ein geeignetes Prüfungsgebiet fehlte und natürlich die Anerkennung unserer Prüfung durch das Ursprungsland der Rasse, Deutschland. Ich nahm also Kontakt zu den deutschen Richtern auf, die uns schon zu anderen Gelegenheiten mit ihrer Präsenz geehrt hatten, zum Beispiel beim Na-tionalen DD Treffen in Nonantola, und wir kamen überein, dass unsere VJP anerkannt würde, sofern die erforderlichen Mindestvoraussetzungen erfüllt würden. Das gelang uns, und inzwischen gehört die jährliche VJP von Mirandola fest zum Prüfungskalender der Landesgruppe Nord-Bayern. Ich möchte aber auch daran erinnern, dass der gesamte Vorstand unseres Klubs mehr oder weniger konkret an der Organisation dieser Prüfungen teilgenommen hat.

Teilnehmer warten auf den Start bei der VJP in Mirandola 2008. Startfoto: DD Hündin Mira. Fotos: Paolo Andrea Sangiorgi

Die Prüfungen beim DD sind in Deutschland sehr streng. Gab es bei den italienischen Organisatoren und Teilnehmern vielleicht ein bisschen Unsicherheit, sich gleich vor neun deutschen Richtern bewähren zu müssen?

Oh, ich kann dir gar nicht sagen, wie viel Angst ich vor der ersten VJP 2006 hatte! Auch dieses Jahr konnte ich am Abend bevor die Richter eintrafen nicht schlafen, hab mich im Bett nur hin und her ge-wälzt und meine Frau auch noch wach gehalten. Wenn du dann noch bedenkst, dass ich mich erst vor relativ kurzer Zeit in die Welt des VDD gewagt habe, kannst du dir vorstellen, wie unklar und nebulös die ganze Angelegenheit zunächst für mich war. Kommt hinzu, dass ich ja auch noch den Transport der Richter und zahlreichen anderen Personen auf die Reihe bekommen musste, die notwendigen Erlaubnis-schreiben der Provinzverwaltung besorgen, die ortskundigen Begleiter und Schützen finden, vor allem aber die für die Prüfung geeigneten Zonen in unserem Gebiet, das Abendprogramm für unsere Gäste und Prüfungsteilnehmer organisieren musste... Deshalb nahm ich an der ersten VJP 2006 selbst auch gar nicht aktiv mit meiner bestens vorbereiteten Hündin teil, denn ich dachte immer, wenn etwas schief geht, stehe ich wenigstens den Richtern und Teilnehmern sofort zur Verfügung... Ich glaube, fast alle Teilnehmer der ersten Prüfung wussten ziemlich genau, was sie erwartet, denn sie hatten schon an Prüfungen in der BRD teilgenommen und waren deshalb gut vorbereitet. Ich selbst bin dann übrigens Ende April 2006 zur VJP nach Gerolfingen gefahren und habe unter 40 DD mit 75 Punkten ein für einen Neuling sehr befriedigendes Ergebnis erzielt. Für mich war Gerolfingen eine ganz phantastische Erfahrung.

Welche Unterschiede bestehen eigentlich zwischen den Prüfungen nach deutschen Regeln und den üblichen italienischen Prüfungen?

Wie ich das sehe, sind die deutschen Prüfungen wirklich nützlich und lehrreich im Hinblick auf das, was anschließend die tägliche Jagdpraxis des Hundes sein wird. Es geht nicht, wie bei uns in Italien, ausschliesslich um Suche und Vorstehen, sondern es wird alles begutachtet und geprüft, was zum Erbe des Hundes als “echtem Jäger” dazugehört, indem man ihn mit den vielen Jagdsituationen konfrontiert, die im Revier eintreten können, und die er meistern muss, damit wir gemeinsam alle Früchte der Natur ernten können.
Die Ergebnisse der Prüfungen werden, auch im Hinblick auf künftige Zuchtpläne, allen Interessenten zugänglich gemacht und dienen nicht bloss dem guten Ruf eines Ausbilders oder Züch-ters. Wenn du einen Band des Zuchtbuchs aufschlägst, siehst du viele, viele Namen von Hunden, die die Prüfungen bestanden haben, findest Statistiken, Fotos einzelner Tiere, aber kaum Namen von Leuten, denn es sind die Hunde, die über alles zählen.
Die deutsche Zuchtmethode, von der die VJP ein Teil ist, hat den Deutsch Drahthaar geprägt, und jeder kann und soll die Vorzüge und Defekte der einzelnen Tiere kennen, zum Wohl der künftigen Zucht...und das ist sehr weit von unserem Zuchtkonzept entfernt.

Wie sieht das italienische Konzept denn aus?

Es gibt in Wahrheit keine “einzige” italienische Jagdmethode und deshalb ebenso wenig eine einzige Zuchtmethode. Denk nur an die vielen Jagdarten und die vielen Methoden mit denen jeder einzelne italienische Jäger sich ihnen nähert.


Mira
wird geschnallt
. Foto: Paolo Andrea Sangiorgi
Die Provinz Modena zum Beispiel, wo ich wohne, beinhaltet die tiefste Ebene des Landes, nämlich um Mirandola, 18 m unter dem Meeresspiegel, dann Hügelland und auch noch Berge (Monte Cimone, 2165 m).
Die drei wichtigen Variablen für die Jagdausübung sind Terrain, Art der Anbauflächen und Wildvorkommen. Nun wirst du aber kaum jemanden finden, der Enten auf dieselbe Weise jagt wie den Feldhasen, oder die Waldschnepfe so wie das Schneehuhn im Gebirge, von den Zugvögeln, die aus festen Ansitzen geschossen werden, den Lerchen, Drosseln, Kiebitzen, Wachteln ganz zu schweigen. Alle sind sie verschieden voneinander, und alle werden sie verschieden gejagt. Überleg mal, dass es in einigen Regionen schon wenige Tage nach Jagdbeginn keine Fasane mehr gibt, während man hier bei uns wirklich wilde Fasane noch am Ende der Saison finden kann. Umgekehrt gibt es bei uns kaum Schnepfen und Wachteln, während die in anderen Zonen fast das einzige Wild sind.
Was ich sagen will: welche ist nun die echte italienische Jagdmethode? Welche könnte als Beispiel für alle stehen? Die Hundezucht wiederum ist sehr, vielleicht zu sehr, von den Wettbewerben bestimmt, die ausser dem Prestige bestimmter Hunde, der Publicity ihrer Züchter und Ausbilder dienen. Das Vorstehen, das bei unseren Wettbewerben so ungeheuer wichtig ist, ist ein Auslesekriterium, das wir aus England übernommen haben, wo die verschiedenen Setter und Pointer immer vom Retriever abgelöst wurden, wenn es ums Finden und Bringen ging. Noch dazu spielte sich das alles in Grossbritannien in der Ebene, den moors ab, bei gutem Wind und mit Wild, das brav sitzen blieb. Wo in Italien, von Jagdtourismusbetrieben mal abgesehen, glaubst du, solche Bedingungen zu finden, und dann auch noch mit einer Vegetation, die diese Art der Jagd begünstigt?

Mira nach absolvierter Prüfung. Foto: Paolo Andrea Sangiorgi

Und schliesslich ist noch anzumerken, dass nur wenige Teilnehmer italienischer Wettbewerbe auf HD untersucht sind, und niemand ihr Gebiss kontrolliert...Wenn du hier bei uns einen Welpen kaufst, was kannst du über seine Eltern erfahren, die Wurfgeschwister, die Anlagen, die Fehler, die es in jedem Wurf gibt? Niemand weiss irgendetwas darüber auszusagen, weil es kein öffentlich einsehbares Register gibt, in dem man nachschlagen könnte, wie der Hund ist, woher er kommt und was aus ihm wird. Es existiert oft auch kein echtes Zuchtprogramm, sondern meistens eher der Wunsch, Welpen zu verkaufen und das war's dann. Ruf in irgendeinem Moment gewisse Züchter an, und sie werden immer, immer einen Welpen zum Verkauf bereit haben. Kaum einer wird dir sagen, dass er zur Zeit keinen Nachwuchs hat und dich bitten, in sechs Monaten wieder anzurufen, weil er dann einen besonderen, geplanten Wurf erwartet. Wir sind Opfer eines zahlenmäßigen Booms an Welpen und des Drangs, den neuen Hund sofort zu erstehen. Ich möchte wirklich niemanden beleidigen, aber ich fürchte, dass bei uns Quantität vor Qualität geht. Wenn ich vorschlagen würde, die jährlichen Deckakte bestimmter Champions auf sechs zu beschränken, so wie beim DD üblich, würde ein Krieg ausbrechen...! Und ich, der ich nur ein unbedeutender Liebhaber des DD bin, muss wahrscheinlich mehr als 2000 km durch die Gegend fahren, um einen Rüden zu finden, der mich wirklich überzeugt, zu meiner Hündin passt und mir wahrscheinlich gute Zuchtergebnisse bringen wird...
Könntest du mal im Detail erklären, was die jungen DD bei der VJP alles beherrschen mussten?

Zunächst muss man mal sagen, dass den DD ein echtes Arbeitsleben erwartet, das von Prüfungen und Versetzungen begleitet wird, ganz ähnlich dem schulischen Werdegang, so dass er schliesslich bereit und ausgerüstet ist, nicht nur die Show Bühne sondern vor allem die tägliche Jagdpraxis zu meistern. Ein Hund, der seine Prüfungen erfolgreich durchlaufen hat, kann als wirklich vollständiger Jagdhund bezeichnet werden, im Revier ebenso wie im Alltagsleben mit seiner menschlichen Familie.
Was bei den Prüfungen gefordert wird ist die Arbeit auf der Hasenspur, Suche in einem angemessenen Radius, sicheres Vorstehen, perfekter Apport,
Suchen und Bringen zu Lande und aus tiefem Wasser, Arbeitsfreude und Führigkeit. Diese Kriterien sind fest verankert in ganz klaren, strengen Regeln und untereinander verbunden, auch wenn sie eine unterschiedliche Gewichtung haben, und dienen dazu, die angeborenen Fähigkeiten des Hundes, sein Erbgut herauszustellen, das Grundlage jeder Zuchtwahl ist und auch für die Zukunft gesichert werden muss, genau so, wie es je genialen Männer wollten, die den DD vor über 100 Jahren schufen. Konkret sehen die Prüfungsfächer folgendermassen aus:
Hasenspur
– der Hund wird zu dem Punkt geführt, wo der Hase von ihm unbeachtet geflüchtet ist und muss nun mit tiefer Nase


Tell
. Foto: Sabine Middelhaufe
und auf einer ausreichend langen Strecke die Spur arbeiten; gibt er dabei auch noch Spurlaut ist das ein grosser Pluspunkt.
Nase – ein ausgeprägte Riechleistung ist offensichtlich von grosser Bedeutung und wird entsprechend dem Verhalten des Hundes auf der Hasenspur und beim Vorstehen bewertet. (Übrigens werden die Punkte dieser beiden ersten Fächer mit 2 multipliziert, weil sie als besonders schwierige und wichtige Leistungen gelten.)
Suche - sie muss klug und sinnvoll im Hinblick auf die Art des Terrains, des Bewuchses und des Wildes sein.
Vorstehen – sicheres und entschlossenes Vorstehen ist gefordert.
Führigkeit – wird als letztes bewertet, aber nicht etwa weil sie nebensächlich wäre! Ganz im Gegenteil achten die Richter sorgsam darauf, ob der DD von Anfang an den deutlichen Wunsch zeigt, mit seinem Führer zusammen zu arbeiten und die angeborene Bindungsbereitschaft an ihn demonstriert.

Alles hat seine zwei Seiten. Gibt es etwas in der Führung und Bewertung des DD nach deutschen Regeln, das deiner Ansicht nach in Italien nicht anwendbar ist?

Ich sehe keinen Nachteil darin, auf ethischere Weise jagen zu gehen und unsere grosse Leidenschaft, die Jagd, täglich zu erleben, aber ein wirklicher Vergleich zwischen so völlig unterschiedlichen Bedingungen, wie sie in Italien und Deutschland bestehen, ist eigentlich nicht möglich, denn beginnend bei der Betreuung der Reviere und der Territorien allgemein, über das Management der Kulturflächen bis hin zur Präsenz und Hege des Wildes haben wir ganz andere Voraussetzungen.

Besprechung am Ende der Prüfung. Foto: Paolo Andrea Sangiorgi

Der Sieger der Prüfung war mit 77 Punkten Titan di Costa Rubea, Führer Fabrizio G. Crabbio; Zweite wurde Bianca, ebenfalls 77 Punkte, mit Francesco Bini und den 3. Platz belegte bei 76 Punkten Cisko del Carn mit seinem Führer Mauro Artuso. War das ein befriedigendes Ergebnis für euren Klub?

Der Verfasser des Artikels in den Deutsch Drahthaar Blättern hat nur die drei bestplatzierten Hunde aufgeführt, aber tatsächlich haben alle Teilnehmer, wenn auch mit geringerer Punktzahl, die Prüfung bestanden. Weisst du, das ist einer der grossen Unterschiede zwischen unseren beiden kynologischen Kulturen: es gibt keine Preise und keine Klassifikation in dem Sinne, dass einzelne Hunde und ihre Besitzer eine Führungsposition übernehmen; es existiert einfach nur bestanden oder nicht bestanden, und alle, die es schaffen, erhalten dieselbe Anerkennung, denn die wirkliche Schwierigkeit besteht eben darin, die Prüfung zu meistern. Bei der VJP in Mirandola konnten alle Teilnehmer zufrieden sein, auch deshalb, weil sich die drei Richter jeder Gruppe vor der endgültigen Bewertung noch im Prüfungsgelände für Fragen und Klärungen zur Verfügung stellten.
Angesichts der endgültigen Prüfungsergebnisse muss man natürlich Rückschlüsse auf die gezeigte Arbeit der teilnehmenden Hunde ziehen, und dabei vor allem die Wurfgeschwister beachten. So bekam der T-Wurf des Zwingers Costa Rubea mit Titan und Thea (M: Hexe di Costa Rubea, V: Graf di Costa Rubea), hervorragend geführt von Fabrizio Crabbio und Matteo Cerri, eine optimale Beurteilung. Eine mehr als nur gute Bestätigung ihrer Leistungen erhielten auch der T- und U-Wurf des Zwingers Nonatula: sowohl Tyson und Taina (M: Bess di Costa Rubea; V: Paco v. Vilsufer), geführt von ihrem Züchter Gino Fortini und von Claudio Cerruti, als auch Ute und Urs (M: Caty v. Oestergund; V: Nonatula Axel), geführt von Riccardo Menzaghi und mir erreichten eine gute Position unter den erfolgreichen Absolventen dieser VJP. Beste Noten auch für den A- und B-Wurf des Züchters Maurizio Pagin, der mit der von ihm selbst geführten Afra (M: Orma del Zeffiro; V: Nero v. Liether-Moor) sowie mit Bianca, Brenda und Bruno (M: Edda del Zeffiro; V: Odin del Zeffiro) präsentiert von dem alten Drahthaarkenner Francesco Bini und den beiden Neulingen Vito Carabotta und Massimo Vettori eine wirklich gute Punktzahl verzeichnen durfte. Gut schliesslich auch die Ergebnisse für den Zwinger v. Gheller, der mit Wotan und Reif 72 bzw. 66 Punkte erzielte und damit auf die bestandene VJP blicken kann. Cisko dei Cam, der als letzter Hund gemeldet worden war, entpuppte sich als erfreuliche Überraschung und belegte, wie schon gesagt, mit 76 Punkten den 3. Platz. Erfolgreich auch Honda, deren nicht mehr so ganz junger Führer die italienischen Wettbewerbe aufgegeben hat, um nun bei den Prüfungen deutscher Prägung noch einmal von vorn anzufangen. Die einzige DD Hündin aus deutscher Zucht war Zenzi v. Stadtgraben, die von Daniele Zerbini geführt ihre VJP mit guten Noten bestand.

Zahnkontrolle. Foto: Marco Prandini

Wenn eine Hunderasse im Ausland Beliebtheit erlangt, folgt immer das Problem der Anpassung an die Gegebenheiten in der neuen Heimat. Besteht deiner Ansicht nach die Gefahr, dass ein Allrounder wie der DD wegen der völlig anderen Jagdbedingungen in Italien hier seine Vielseitigkeit einbüßen könnte?

Allerdings, und zwar auf Grund der (bei uns oft üblichen) jagdlichen Spezialisierung. Für einen Hund, bei dem Vielseitigkeit seine eigentliche Natur ausmacht, besteht sicherlich das Risiko, ihn durch die Jagd auf nur eine bestimmte Wildart oder durch die Anwendung nur einer bestimmten Jagdmethode übermäßig zu reduzieren. Man muss immer daran denken, dass der DD der einzige “Spezialist in Vielseitigkeit” ist. Er hat eine ganz besondere Grundstruktur mit der sich jeder auseinandersetzen sollte, bevor er ihn als Jagdhund wählt. “Durch Leistung zum Typ” meint ja gerade, dass der DD wegen seiner vielen Arbeitsqualitäten anerkannt und geschätzt sein soll; ein Rassevertreter, der nicht alle, und ich meine wirklich alle vielfältigen Fähigkeiten zeigt, die ein so angelegter Hund beherschen muss, kann nicht als Deutsch Drahthaar bezeichnet werden. Man sollte sich einmal fragen welchen Sinn es hat, einem DD “die Flügel zu stutzen” und seine Anlagen für die Fährten- und Wasserarbeit zu vermindern, wenn es doch Rassen gibt, bei denen das überhaupt nicht nötig ist, weil sie bereits ganz hervorragend die Aufgabe des ausschließlichen Vorstehhundes erfüllen. Indem man umgekehrt beim Drahthaar so unbeirrt auf einer Selektion zur Vielseitigkeit bestanden hat, hat man einen ganz besonderen Hund geschaffen, der alle jagdlichen Aufgaben meistert, und wir sollten uns dieser genetischen Grundlage viel mehr bewusst sein, um nicht später das Nachsehen zu haben, weil wir heute lieber verändern statt sinnvoll zu selektieren.

Haben die Jungendprüfungen von Mirandola genügend Sinn, um sie auch künftig zu wiederholen, oder lohnt die Mühe nicht, weil in Italien ohnehin jeder tut, was ihm gefällt?

Ich hoffe natürlich, dass es weitergeht, auch wenn das für mich schlaflose Nächte bedeutet. Die Strasse ist geebnet und ich wünsche mir sehr, dass die VJP in den kommenden Jahren auch ihren lo-gischen Abschluss in einer offiziellen HZP findet. Leider werden die Gebiete hier bei uns, in denen man eine Herbstzuchtprüfung abhalten könnte, ständig verändert, und es ist schwer eine geeignete Zone für die wichtige Wasserarbeit ausfindig zu machen.

Mal eine allgemeine Bemerkung: der deutsch-italienische Kontakt wird vor allem durch die Sprachbarriere und dann die geografische Distanz erschwert. Wie habt ihr dieses Problem gelöst?

Wir müssen “Tante” Heide Haverland danken, unserer persönlichen, immer hilfsbereiten Dolmetscherin und Dr. Peter Schunck, der perfekt Italienisch spricht, weil er in Italien seinen Uniabschluss gemacht hat. Ausserdem weisst du ja, dass wir Italiener ganz gross darin sind, uns verständlich zu machen... notfalls mit Händen und Füßen. Und wenn ich mich nicht irre, warst du doch auch eingeladen..?

Mitunter bemerkt man ein gewisses Zögern bei deutschen Züchtern, Hunde nach Italien abzugeben, weil Italien zu den führenden Ländern gehört, wenn es darum geht, seine ausgesetzten, ruinierten, kranken Jagdhunde durch den Tierschutz nach Deutschland zu “exportieren”. Wie siehst du diese Mentalität des “Benutzens und Wegwerfens”?


Nonatula Giò. Foto: Rossella Di Palma

Ich fürchte,dass das noch eine Auswirkung des in der Vergangenheit leicht zu erhaltenden Jagdscheins ist. Bedenke, dass die 8-900.000 Jäger in Italien 1% der Bevölkerung ausmachen. Bei uns wird der Hund oft als Instrument und nicht als Jagdgefährte betrachtet und kommt erst in den Wochen vor Jagdbeginn aus seiner Box heraus. In Wahrheit haben wir auch keine echte Kultur der Hundeerziehung, weder für die jagdliche Arbeit noch das Alltagsleben. Schau nur mal, wie viele Hunde du brav neben ihren Besitzern liegend im Restaurant antriffst, oder wie viele (oder besser: wenige) Hotels unsere schlecht erzogenen Lebensgefährten überhaupt akzeptieren... Ich nehme an, auch das ist Ausdruck einer mangelhaften kynologischen Kultur.

Ein anderer wunder Punkt ist die kurze Jagdsaison in Italien. Man fragt sich zwangsläufig, was an den 310 Tagen des Jahres, an denen die Jagd geschlossen ist, mit den Hunden gemacht wird.

Es schmerzt mich, auf diese Frage zu antworten...Denn du kannst dir nicht vorstellen, welche dreifach-en Salto Mortali ich normalerweise machen muss, um meine Hunde auszubilden, speziell im Wasser. Leider gibt es bei der gegenwärtigen Gesetzgebung keine vernünftige Alternative. Einen Jagdhund auch nur am Strand spazieren zu führen ist ja inzwischen ein Sakrileg, und mit gesalzenen Bussgeldern belegt...

Damit danke an Marco Prandini für dieses aufschlussreiche Gespräch.
Tja, einfach ist es also nicht in Italien, aber wenn engagierte Hundeleute wie Marco Prandini weiterhin so entschlossen daran arbeiten, ihren Jägerkollegen eine neue Sicht des Hundes als Gefährten nahe zu bringen und speziell den DD Besitzern zeigen, was in Wahrheit alles im Deutsch Drahthaar steckt, besteht Grund zur Hoffnung, dass sich im Laufe der nächsten Jahre einiges ändern wird..!

Dafne. Foto: Marco Prandini

 
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