Jagdhund ohne Jagdschein? •• Jagdhunderassen •• Laufhunde/Meutehunde/Bracken •• Jagd und Jäger •• Erziehung & Ausbildung
Die AutorInnen Fotogallerie Bücher & DVD Links Kontakt Copyright/Haftungsausschluss

Erziehung & Ausbildung

 

Dummy- und jagdliche Retrieverarbeit


Erziehung & Ausbildung

> Wissenswertes
> Erfahrungen mit dem...
> Züchterinterviews
> Portraits

home

Dummy- und jagdliche Retrieverarbeit
Von Andrea Alteköster

Nicht jeder der seinen Retriever liebt, hat die Möglichkeit, den Hund jagdlich zu führen und ihm die artgerechte Beschäftigung des Apportierens von Feder- oder Niederwild zu bieten, was auch ethisch gesehen dem Wild gegenüber gar nicht vertretbar wäre. Selbst ein Jäger, der seinen Hund für die Apportierarbeit ausbildet, verwendet nicht jedes Mal Wild. Ein Ersatz sind sogenannte Dummys. (Dummy = Atrappe, z.B. ein schwimmfähiges Leinensäckchen mit Kunststoffgranulat gefüllt. Meistens wiegt es 500 g, das ungefähre Gewicht einer Ente oder eines Kaninchens. Es gibt sie aber auch in höheren Gewichtsklassen, z.B. ca. 1000 g, entsprechend einem Fuchs also.)
Wer mit dem Hund gerne Dummyarbeit machen möchte, um ihn artgerecht zu beschäftigen, sollte sich dennoch mit der jagdlichen Arbeit und ihrem Sinn auseinandersetzen. Ein Dummy ist dann kein Spielzeug – sondern für den Hund genauso wertvoll und "ethisch" zu behandeln, wie ein Stück Wild. Entsprechendes Verhalten ist natürlich auch vom Menschen zu erwarten.

Golden Retriever Dusty (auch im Startfenster) Foto: Ralf Alteköster

Die meisten Menschen zucken zusammen, wenn sie Jäger / jagen / schießen hören. Und sicher ist in den letzten Jahren auch hier ein „Sport“ entstanden, der mit dem eigentlichen Sinn des Jagens nicht mehr viel zu tun hat. Gerade in der Retriever Szene gibt es den Trend "Mach deinen Jagdschein, dann kannst du deinen Hund auf allen Prüfungen führen und unter jagdlicher Leistungszucht züchten", und das, obwohl die Hunde teilweise nicht einmal real im jagdlichen Einsatz stehen.
Sicher ist es wichtig, dass es Jäger gibt, und die meisten jagen eben nicht weil sie sportlichen Spaß oder Ehrgeiz befriedigen wollen, sondern um aktiv zum Naturschutz beizutragen. Leider liegt auch hier wieder die Schuld beim Menschen, denn erst durch ihn ist so ein starkes Eingreifen in die Natur notwendig geworden, um sie zu bewahren. Zum einen ist es wichtig, krankes Wild zu erlösen, zum anderen aber auch die Populationsdichte der einzelnen Arten zu kontrollieren. Früher gab es natürliche Feinde etwa für Kaninchen und Enten, heute gibt es in vielen Gebieten nicht einmal mehr Füchse. Auch lebten Rehe früher am Waldrand und in den Wiesen; heute ist das durch den Einfluss des Menschen vielerorts nicht mehr möglich und sie ziehen sich immer weiter in den Wald zurück - was bleibt ihnen anderes übrig? Das hat allerdings zur Folge, dass sie nun den Lebensraum anderer Tiere zerstören, und ebenso den Wald selbst. Folglich hat der Jäger mit eigenem Revier eine sehr große Verantwortung. Es ist nicht damit getan, als Sonntagsschütze in den Wald zu marschieren, ein paar "richtig große" Tiere abzuschießen und dann wieder nach Hause zu fahren. Man hat viel Arbeit, so ein Revier in Stand zu halten und auch jede Menge Kosten. Man ist im Winter sogar für die Versorgung mancher Wildarten verantwortlich und muss Futter ausbringen - auch dies oft aus der eigenen Tasche bezahlt.

Wo natürliche Feinde fehlen, greift der Jäger ein. Golden Retriever Leiah. Foto: Michaela Arnsberg

Dummyarbeit bedeutet nichts anderes, als sämtliche in der wirklichen Jagd vorkommenden Situationen mit dem Hund zu üben. Entsprechend ist diese Arbeit für uns auch jagdliches Training! Nur eben nicht mit einem Stück echtem Wild, sondern mit dem Ersatzobjekt.
Das Wild – ob Ente oder Kaninchen - muss vorsichtig und weichmäulig getragen werden, denn auch einem toten Tier gegenüber sollte man immer respektvoll handeln. Bei der Jagd kann es überdies passieren, dass das Tier nur angeschossen ist. Es wäre nicht vertretbar, wenn der Hund sich im angeschossenen Wild verbeißen oder es länger als nötig herum tragen würde, statt es unverzüglich zum Jäger zu bringen, damit dieser es erlöst.
An diesem Punkt gehen freilich die Meinungen der Jäger und der Rasse-Verbände auseinander. Vom Retriever wird Weichmäuligkeit erwartet, auch auf Jagdlichen Prüfungen. Das angeschossene Tier leidet aber länger, wenn der Hund es erst zum Schützen bringt. Viele Jäger lassen ihre Hunde angeschossenes Wild daher abtun (abtun = mit gezieltem Biss in den Nacken oder einmaliges Schütteln schnell töten), was aus jagdethischer Sicht gewiss besser und Tierschutz gerechter ist, aber auf keinen Fall wünscht man einen Hund, der das Tier oder das Dummy durch die Gegend schleudert! Wenn ich also Bilder sehe, wo Hunde mit einem Dummy spielen, sich gegenseitig jagen und am Dummy zergeln, läuft es mir eiskalt den Rücken herunter. Ich sehe dann eine Ente, die, auch wenn sie tot ist, eben nicht respektvoll behandelt wird. Ich würde nie auf die Idee kommen, meinem Hund eine tote Ente zum Spielen zu geben, also komme ich auch nicht auf die Idee, ihn mit dem Dummy spielen zu lassen. Zumindest wird er so niemals die gewissenhafte Dummyarbeit erlernen.
Es gibt haufenweise Hundspielzeug – daran kann der Hund zerren und rupfen, nicht am Dummy. Ebenso wenig wird ein Dummy einfach "nur mal so" geworfen. Für den Hund sollte es immer eine der
Jagd entsprechende Übung sein. Die Dummyarbeit stellt die jagdliche Arbeit ja weitestgehend nach. Es werden Situationen zwar nur simuliert – die Erwartung an den Hund ist aber dieselbe. Er soll Steadyness = Stand ruhe zeigen, die Markierfähigkeit lernen, sich einweisen lassen und auch Wild finden, von dem man nicht weiss wo es gefallen ist. Er soll Wild oder Dummy immer sofort und auf dem schnellstem Wege zurückbringen.

Wild ist kein Spielzeug - und ebenso wenig das Dummy. Foto: Michaela Arnsberg

So ergeben sich viele Baustellen, an denen man mit seinem Hund lange feilen muss, bis alles komplett zusammen passt. Auf der einen Seite wird absoluter Gehorsam erwartet (dies soll nicht auf Zwang hindeuten, sondern nur auf die Notwendigkeit, dass Mensch und Hund als Team funktionieren müssen), gleichzeitig wird aber ab einem gewissen Punkt Eigeninitiative des Hundes gefordert.
Lassen Sie mich das ein bisschen genauer erklären: Wenn ich als Jäger allein mit meinem Hund auf der Jagd wäre, würde ich erwarten, dass er ruhig und lautlos neben mir geht. Da ich im Gelände nach möglichem Wild Ausschau halte, hat mein Hund sich an mir zu orientieren. Er muss ordentlich bei Fuß gehen, darf nicht vorlaufen und auch sonst keinen Mucks von sich geben. Wenn ich stehen bleibe, weil ich Wild sehe, muss auch der Hund stehen bleiben oder sich setzen. Diese Ruhe nennt man steadyness. Würde der Hund umgekehrt vor Aufregung jammern oder jaulen, oder nicht auf mich achten, könnte ich ganz sicher kein Stück Wild schießen. Zu zweit auf der Jagd funktioniert es nur, wenn sich der eine auf den anderen verlassen kann. Der Hund muss die Gewissheit haben, dass er die richtige Hilfe bekommt, der Führer braucht die Bestätigung, dass ihm der Hund folgt.
Wenn man einen jungen Hund auf einer Jagd führt und gleichzeitig Schütze ist, gestaltet sich das entsprechend kompliziert, da der Hund noch einige Hilfestellungen braucht. Die Aufmerksamkeit, die man deshalb dem Hund widmet, kann man aber nicht seinem Ziel widmen, was sich in ‚nicht getroffen’ oder ‚schlechte Treffer’ übersetzen kann. Dies bedeutet, dass man ein Tier verletzt hat, und das ist nicht Sinn der Jagd. Um ein Tier schnellstmöglich zu erlösen, d.h. beim ersten Schuss zu erlegen, muss man seine gesamte Aufmerksamkeit auf das Schießen richten. Wenn das erfolgreich geschehen ist, muss man auch Vertrauen und Gewissheit haben, dass der Hund sucht, bis er findet und nicht nach kurzer Zeit aufgibt. Dies erfolgt jedoch nur, wenn er gelernt hat, auf seinen Hundeführer zu vertrauen.
Sitzt der Hund neben mir, soll er also ruhig und dennoch aufmerksam sein. Der Schuss wird abgegeben und das Stück (z. B. eine Ente) fällt herunter. Der Hund soll sich jetzt genau die Stelle merken, wo das Wild nieder gegangen ist. Das nennt man Markieren. Hört sich einfach an, ist es aber nicht.

Der Retriever muss sich die genaue Stelle merken, wo das geschossene Wild fällt. Foto: Michaela Arnsberg

Hunde haben, im Gegensatz zu ihren hervorragenden Nasen, ziemlich schlechte Augen. Und je nachdem in was für einem Gelände ich arbeite, sieht der Hund vielleicht nur eine ganz kurze Flugbahn. Durch das Laufen im Gelände verändert sich ausserdem das Blickfeld des Hundes. Versuchen Sie es einmal selbst: werfen Sie einen Ball ins hohe Gras, drehen sich um, dann wieder zurück und versuchen nun genau die Stelle mit den Augen wiederzufinden, wo der Ball liegt..! Je grösser die Entfernung, desto schwieriger wird es.
Der Hund bewegt sich überdies zum gefallenen Stück hin. Oft muss er dabei den Kurs ändern, weil ein Baum im Weg oder ein Hindernisse zu überspringen ist. Selbstverständlich kann man mit aufbauenden Übungen die Markierfähigkeit steigern.

Bei einer Streifjagd gehen mehrere Jäger mit mehreren Hunden in einer Linie (engl.: line). Hier wird mehrfach Wild geschossen, und alle Hunde müssen unbedingt steady sein
und mehrfach markieren.
Nur jeweils ein Hund darf arbeiten, während die anderen ruhig sitzen bleiben müssen. So etwas verlangt hohe Disziplin vom Jagdhund, denn nicht nur muss er sich diverse Fallstellen merken (memory), sondern auch das Arbeiten mit mehreren Hunden lernen und dabei ruhig zu bleiben.
Je nachdem wo ich mich befinde, ist unter Umständen auch der Weg zum geschossenen Stück sehr schwierig. Der Hund muss immer zügig auf direktem Weg laufen. So kann es sein, dass er über Brennesseln muss, oder durch dichtes Strauchwerk, über Hindernisse oder auch über Wasser.
Geht er durchs Wasser, darf er auf der anderen Seite keine Zeit vertrödeln um sich zu schütteln; er soll das Wild unverzüglich aufnehmen, auf direktem Weg wieder zurückkommen und auch ohne sich zu schütteln das Wild abgeben. Das Wild ist immer – egal in welcher Lage vorsichtig – sanftmäulig zu tragen, nicht auszuspucken, nicht zu schütteln oder zu beißen. Oftmals sind die Tiere, die der Hund bringt noch lebendiger als man denkt, und man kann schnell das eine oder andere Problem bekommen, die eben noch für tot gehaltene Ente wieder zu finden, falls der Hund sie ausspuckt, um sich zu schütteln. Und man hat immer an die waid- und tierschutzgerechte Handhabung zu denken! All diese Situationen müssen wie winzig kleine Puzzleteilchen geübt und später zusammengesetzt werden.

Golden Retriever Dusty. Foto: Ralf Alteköster

Manchmal wird Wild geschossen, welches der Hund nicht markieren konnte. Dann muss ich ihn zur Suche schicken. Auch diese Aufgabe bedarf langer Übung. Der Hund muss das Suchkommando und den richtigen Einsatz seiner Nase lernen. Als guter Hundeführer rechne ich den Wind mit ein. Der Hund muss angeleitet werden, sicher und zuverlässig allein zu arbeiten, in die Tiefe des Waldes zu gehen und gründlich zu suchen.
Liegen mehrere Stück Wild im Wald, darf er nicht tauschen und auch nicht „blinken“, d. h. er muss das erste Stück das er sieht unverzüglich aufnehmen und bringen, nicht zunächst nach einem anderen Stück suchen. Es kann auch sein, dass Wild angeschossen nur wurde und noch flüchtet. Auch in diesem Falle ist gute Nasenarbeit gefragt und auch solche Situationen müssen vom Hund erst erlernt werden. Mit Schleppenarbeit wird dem Hund beigebracht, eine Fährte aufzunehmen und zu arbeiten. Wie immer gibt es verschiedene Schwierigkeitsgrade, denn dass Wild flüchtet nicht einfach geradeaus. Ein Hase etwa schlägt Haken und wechselt häufig die Richtung und auch das Gelände. Es gibt Hunde die nehmen sogar Fährten über das Wasser auf.

Es kann auch passieren, dass der Hund das Wild nicht markieren konnte und die Entfernung für die Suche zu weit ist oder kein eingegrenztes Suchengebiet vorhanden ist. Dann muss ich meinen Hund einweisen können. Voranschicken bedeutet, der Hund weiß nicht, wo das Wild liegt. Er muss genau nach meinen Anweisungen arbeiten. Voran heißt der Hund muss wie an einer Schnur geradeaus laufen. Mit einem Stoppfiff kann ich ihn an einer Stelle stoppen und ihm die nächste Anweisung per Handzeichen geben – z. B. lauf nach rechts oder nach links. Oder er soll noch weiter geradeaus laufen. Sehr schwierig, denn wenn er mir gegenübersteht und mich anschaut, muss ich ihn dazu bringen, dass er sich nochmals umdreht und wieder wie an der Schnur läuft. Oder ich muss ihn schräg schicken können. All das auch in ungünstigem Gelände.
Das Voran ist mitunter die schwierigste Übung die es bei der Dummyarbeit bzw. der jagdlichen Arbeit überhaupt gibt, denn es ist keineswegs ein natürliches Verhalten für den Hund, in einer geraden Linie zu laufen, und dies nicht nur über eine Entfernung von 30 - 40 m; ein ausgebildeter Hund muss auch über eine Distanz von 120 m und mehr gerade voran gehen!
Es kann auch Situationen geben, wo er über ein Gewässer muss und auf der anderen Seite noch eingewiesen werden oder von dort aus auf eine Suche geschickt werden muss.

Golden Retriever Dusty. Foto: Ralf Alteköster

Das Training im Team hat auch einen Sinn und Zweck. Denn selten bleibt man bei einer Jagd alleine und wenn es sich um Gesellschaftsjagden handelt, dann ist es umso wichtiger den Hund darauf vorbereitet zu haben. Neben all den möglichen Fällen, was mit einem Stück nach dem Schuss passiert, muss der Hund auch mit den vielen Schützen und den anderen anwesenden Hunden zurechtkommen. Es ist ein Unterschied, ob sechs Leute schießen oder man auf einer Treibjagd ist und direkt vor unseren „Zurückbringern“ bellend die anderen Hunde das Wild aufscheuchen.
Dies alles verlangt viel Übung und Konzentration von Hund und Halter. Und dies ist auch nur eine ganz grobe Beschreibung des weit gefächerten Aufgabengebietes unserer Retriever. Hund und Mensch müssen sich hundertprozentig aufeinander verlassen können, und durch die entsprechenden Aufgaben, die nur über vertrauensvolle Teamarbeit erlernt werden können, bildet sich eine ganz besondere Bindung zwischen dem Hund und seinem Führer.

Golden Retriever Dusty. Foto: Ralf Alteköster

Ich habe gelernt, meinem Hund seine Aufgaben mit Freude beizubringen und entsprechend zuverlässig und vertrauensvoll arbeitet er auch. Mit gleicher Freude haben wir sogar ein Jahr mit Wild gearbeitet und die Jugendjagdprüfung absolviert. Bewusst habe ich mich gegen die reale jagdliche Führung meines Hundes entschieden. Dennoch lieben wir beide die Dummyarbeit, und für uns ist es unvorstellbar, sie nicht mehr praktizieren zu dürfen.
Ich respektiere das Dummy, als wäre es Wild und arbeite immer wieder an kleinen Fehlern um diese Jagdethik zu wahren. Auch wenn ich nicht mehr auf Prüfungen gehe, trainieren wir regelmässig und voller Leidenschaft. Es ist und bleibt einfach jedes Mal ein traumhafter Anblick und ein unglaubliches Gefühl zusammen mit meinem Partner Hund gemeinsam Spaß und Freude an den Aufgaben zu haben und mit einem zufriedenen und glücklichen Hund nach Hause zu kommen!
Wichtig ist, sich ein Ziel zu setzen und sich zu überlegen, was man mit dem Hund machen möchte. Ich finde es absolut in Ordnung wenn jemand sich dazu entschließt Dummyarbeit ‚just for fun’ zu machen, allerdings bedeutet das für mich, dass er das Training genauso ernst nimmt, sich aber mit vielen Dingen mehr Zeit lassen kann und gewiss nicht alles perfekt können muss.

Andrea Alteköster mit ihrem Golden Retriever Dusty. Foto: Ralf Alteköster

home Seitenanfang Menü Fotoalbum