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Wachtel Dasso oder: auf dem 2. Bildungsweg zum Erfolg


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Wachtelhund Dasso oder: auf dem 2. Bildungsweg zum Erfolg
Von Ines Laufer

Es war reiner Zufall, dass wir in den Besitz eines Wachtelhundes gekommen sind: In unserer jagdlich ambitionierten Verwandtschaft sollte nämlich einer abgegeben werden, da er aufgrund von Schussangst jagduntauglich war.
Dies war allerdings nicht sein einziges Problem, er hatte offenbar auch wenig Lust, alleine zu sein, wobei allein nicht wirklich allein hieß, hatte er doch 2 Hündinnen in Zwingergemeinschaft. Er pfiff jedoch auf die Gesellschaft der Weiber, der Mensch war ihm viel wichtiger, und da ihm Familienanschluss versagt wurde, reagierte er seinen Frust in geballtem Unsinn ab: er zerstörte mit Hingabe die Einrichtung seiner jeweiligen Bleibe (Zwinger bzw. Keller).
Fakt der Abgabe war letztendlich: Herr und Hund konnten und wollten nicht mehr miteinander.
Obwohl bei uns nun nicht unmittelbarer Bedarf an einem weiteren Hund bestand (wir hatten bereits einen Irish Wolfhound, einen Deerhound und einen Neufundländer-Mix) und mir dieser Wachtelwicht eigentlich zu klein war (heute schäme ich mich dafür!), kam Dasso zu uns nach dem Motto - wo drei satt werden...

Ja, und außerdem wollte ich als hundepsychologisch interessierter Hundenarr mal wieder sämtliche Register ziehen um zu beweisen, dass dieser Hund doch keinen „Knall hat“ (Originalton Vorbesitzer)!
Aber da kam wirklich etwas auf uns zu!
Mit fliegenden Ohren und ohne einen Blick zurück wechselte Dasso in unseren Haushalt.
An einen neuen Namen, neue Rudelgenossen, Katzen und freilaufende Enten hatte er sich schnell gewöhnt. Schon eher waren unsere Ka-ninchen, die sich in einem abgetrennten Teil des Gartens ihrer Freiheit erfreuen, ein Problem für ihn. Die Abtrennung in Form eines ca. 1 m hohen Gitters war von unseren Hunden immer als eine (wohl eher symbolische) Grenze respektiert worden.
Grob fahrlässig war ich
der Meinung, sie würde auch unseren Neuen daran hindern, den Kaninchen einen Besuch abzustatten - weit gefehlt!
Während meiner Anwesenheit war es gar kein Thema, aber als ich das erste Mal außer Haus war, ging der Zirkus los. Freudig und absolut vorschriftsmäßig apportierte Dasso mir meinen mausetoten Lieblingshasen, als ich nach Hause kam. Mir blieb fast das Herz stehen. Das war erst der Anfang und objektiv betrachtet ja auch wirklich nur

meine Schuld. So viel Naivität gehört schließlich bestraft.
Überhaupt - war ich zu Hause, ging es Dasso gut; war ich weg, befiel ihn die reine Panik. Sperrte man ihn im Haus ein (zum Schutze der Hasen...), fand man bei der Rückkehr z. B. sämtliche Möbelgriffe mit tief eingegrabenen altgermanischen Runen verziert vor. Die Türklinken wiesen plötzlich Stacheln auf und sämtliche erreichbaren Kleidungsstücke waren zerfetzt. Auch hielt er sich während meiner Abwesenheit bevorzugt auf der Arbeitsplatte in der Küche auf, wo er dann alles fraß, was ihm fressbar erschien. Meist in optisch recht Erfolg versprechender Reihenfolge - erst die Butter, dann ab mit dem Kopf in den Mehlbehälter. Der Effekt war grandios - diese Maske ging kaum mehr ab.
Es gibt Situationen, da muss man lachen, obwohl einem eigentlich eher zum Heulen zu Mute ist. Dies war so eine.
Unsere anderen Hunde fanden es toll. Kam ich nach Hause, empfingen sie mich schon ganz begeistert, auf ihre Art erzählten sie mir sofort: Fraule, komm schnell, der Neue, der macht super Stimmung - bei uns geht der Punk ab!
Autos jagen, Kinderwagen anbellen (hatte er in seinen ersten anderthalb Lebensjahren wohl nie gesehen...) waren noch eher harmlose Macken.
Sein Meisterstück lieferte Dasso (25 kg Lebendgewicht), indem er sich durch die Katzenklappe (handelsübliche Größe) vom Flur aus in den Keller zwängte. Von dort aus versuchte er, sich durch die nächste Katzenklappe weiter in den Garten durchzuarbeiten. Dies misslang, da sich des Wachtels Umfang unterdessen nicht unerheblich vergrössert hatte, weil er zwischen Katzenklappe 1 und 2 noch das ganze Katzenfutter gefressen hatte. Immerhin gelang es ihm, den Kopf durch die Öffnung zu stecken und einen draußen an der Hauswand gelagerten Müllsack zu packen,
der auf die Abholung durch die Kleidersammlung wartete. Darin befand sich ein altes Federbett. Einen Zipfel desselben zerrte er nun durch die Katzenklappe in den Keller hinein. Diesen rohen Kräften hielt das Inlett natürlich nicht stand, und so ergoss sich eine Wolke von Daunenfedern in unseren Keller. Man muss gar nicht Hund sein, um sich vorstellen zu können, dass das ein Heidenspaß gewesen sein muss. Meine Begeisterung über diesen Zeitvertreib hielt sich beim Heimkommen allerdings sehr in Grenzen, obwohl ich von Natur aus ein
durchaus humorvoller Mensch bin. Beim Öffnen der Kellertüre kam es etwa zum gleichen Effekt, wie man ihn beim Schütteln einer Schneekugel erreicht. Wenig lustig fand derlei Eskapaden mein Mann, der für die materiellen Schäden zuständig ist - man beachte das Größenverhältnis Wachtelrüde zu Katzenklappe - die Tür war hin.
Mich als sonnige Optimistin trieb auch diese Aktion noch nicht ganz zur Verzweiflung, im Gegensatz zum Hausherrn, der in dieser Beziehung - typisch Mann - nun doch etwas weniger belastbar ist.
Dann hatte ich eine (in meinen Augen jedenfalls) geniale Idee. Frau beschäftigt sich ja seit Jahren mit der Hundepsyche im Allgemeinen und seit Kurzem im Besonderen. Eine Box musste her!
Was könnte es für eine unruhige Hundeseele Schöneres geben, als geborgen in einem bereits vertrauten Käfig, in trauter Umgebung, inmitten der lieben Rudelgenossen gelassen Frauchens Heimkehr entgegenzudämmern. Noch ein Rinderhautknochen zur Beschäftigung und einen alten Pulli zum drauf liegen - ich ging zum ersten Mal seit Wochen unbefangen aus dem Haus.
Voll freudiger Erwartung kam ich heim – und dort traf mich fast der Schlag. Anstatt des erwarteten Idylls fand ich einen hyperventilierenden Hund vor, der mit seinem aufgequollenen Gesicht eher einem Shar-Pei als einem Wachtel ähnlich sah. Er hatte es fertig gebracht, eine Stange des überaus stabilen Käfigs aufzubiegen und versucht, sich dort hinauszuzwängen. In der Wanne, sprich dem Käfigboden, stand der Speichel, mein Pulli war zerrissen in tausend Fetzen, der Kauknochen nicht angerührt.
Ich war zutiefst beschämt.
Verzweifelte Ratlosigkeit machte sich breit, ich war mit meinem Latein am Ende.
Dann fiel mir ein, gelesen zu haben, dass in Amerika mit angsthemmenden Medikamenten Erfolge erzielt worden waren. In Zusammenarbeit mit einem befreundeten Tierarzt wurde ein solches Medikament angewendet und gleichzeitig begann ich mit Dassos Ausbildung zum Rettungshund (ich war schon längere Zeit Ausbilderin in einer Rettungshundestaffel).
Diese Kombination von Arbeitstherapie und Medikation erwies sich als Volltreffer. Dasso brachte es fertig, nun 3 Stunden meine Abwesenheit auszuhalten; nach 6 Wochen konnte das Medikament abgesetzt werden.
Anfangs war er nach meiner Heimkehr vollkommen erschöpft, ein Zeichen dafür, dass der Stress in abgeschwächter Form immer noch vorhanden war. Mit der Zeit jedoch fand er seine seelische Ausge-glichenheit und döste meiner Rückkehr entgegen.
Nach nur 10 Monaten Ausbildung wurde unser Wachtel geprüfter Flächensuchhund im DRK. Als geborener Apportierer arbeitet er im Bringselverfahren. Dieser Hund ist die ideale Mischung aus Einordnungsbereitschaft und Selbstständigkeit.
Während der Suche, in unvorhergesehenen Situationen, in denen er auf sich allein gestellt ist, denkt er regelrecht mit, obwohl wir als belesene Hundler natürlich wissen, dass Hunde nicht in menschlichem Sinne denken können, ABER...
Im Zuge der Rettungshundeausbildung musste er außerdem noch lernen, Wild zu ignorieren, doch so-lange man ihm nur die Möglichkeit bietet, zu suchen und zu finden ist es ihm egal, dass es sich bei dem Objekt der Jagd nicht um Wild, sondern um einen Menschen handelt. Die Rettungshundearbeit ist seine grosse Leidenschaft geworden. Können wir einmal eine Woche nicht am Training teilnehmen, befällt ihn wieder die Unruhe der Beschäftigungslosigkeit mit der Folge, dass er die Schuhe sämtlicher Familienmitglieder im ganzen Haus verschleppt.
Im August fand Dasso dann das erste Mal im Rettungshundeeinsatz eine vermisste Person auf, und das auf erstaunliche, unkonventionelle Weise.
Auf dem Weg in das uns zugeteilte Suchgebiet blieb der wie immer vor mir frei laufende Hund plötzlich wie angewurzelt stehen, schnüffelte intensiv den steilen bewaldeten Hang hinauf, schaute mich an als wenn er sagen wollte: „Fraule (es handelt sich um einen schwäbischen Wachtel!), wenn ich du wäre, würde ich mich da mal raufschicken!“
Fraule hat verstanden, dem Hund die Kenndecke angezogen, sein Bringsel angehängt und was war - 40 m oberhalb in diesem Hang befand sich die vermisste Person, leider bereits verstorben. Bemerkenswert und nicht unbedingt selbstverständlich ist die Tatsache, dass dieser Hund - ohne "Arbeitskleidung" und ohne den dazugehörigen Auftrag es fertig brachte, mir seinen Verdacht mitzuteilen. Ich bin sehr stolz auf meinen Hund.
Im Winter haben wir dann erstmals auch an Lawinenhundeübungen teilgenommen. Meine Bedenken, er als Bringsler würde in Ermangelung eines solchen nicht wissen, wie er seinen Fund unter der Schneedecke anzeigen soll, lösten sich in Luft auf. So schnell wie Dasso sich zu der Versteckperson durchgrub, konnte ich auf meinen Skiern das Schneefeld gar nicht überqueren! Ich werde an mir arbeiten müssen...
Voll in die Hose ging dagegen der Versuch in der Trümmerarbeit. Ich wollte einfach ausprobieren, ob er in den Trümmern in´s Bellen kommt, da er auch bei der Flächensuche ein paar wenige Beller fabriziert, wenn er an die Versteckperson nicht herankommt und bevor er das Bringsel aufnimmt. Voller Begeisterung erklomm Dasso das Trümmerfeld und ward nicht mehr gesehen. Gespannt warteten alle Anwesenden, was passieren würde. Nach einiger Zeit tauchte Dasso wieder auf und überreichte mir feierlich - eine Plastikflasche mit Eistee! Es stellte sich heraus, dass er sich unter Aufbietung aller Kräfte zur Versteckperson durchgearbeitet und - da kein Bringsel vorhanden war - aus lauter Verzweiflung dessen Trinkflasche zweckentfremdet hatte...
Unter allgemeinem Gelächter aller Anwesenden haben wir also beschlossen - das mit den Trümmern… das lassen wir lieber bleiben!
Heute haben wir in Dasso also einen tollen Gefährten, der - freundlich behandelt - zu steter Kooperation bereit ist. Er weiß sich überall zu benehmen und man braucht für ihn keine Leine. Er beherrscht sämtliche Anweisungen in verbaler Form, als Sichtzeichen und per Hundepfeife. In’s Hasengehege springt er nur noch, um den Langohren eine Karotte zu stibitzen.

Am 15. April 2007 hat er im Alter von 9 Jahren nochmals die jährliche Rettungshundeprüfung bestanden. Es wird wohl seine letzte gewesen sein. Trotz seines Alters hat er eine gute Leistung erbracht und wird weitere achtzehn Monate im Einsatz zeigen dürfen, was für ein toller Hund er ist!
Dasso ist unser erster Jagdhund, aber ganz sicher nicht der letzte. Er hat mich mit dem Jagdhundevirus infiziert. Auch soll es dann, eines Tages, wieder ein second-hand-Hund sein, denn Wundertüten sind einfach grossartig! Außerdem können die Hunde am wenigsten dafür, wenn es mit dem Menschen nicht klappt.
Ach übrigens: Schussscheu ist Dasso auch nicht mehr - wahrscheinlich war er es nie wirklich!


Alle Fotos: Ines Laufer

 

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