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Leistungszucht und Natur: kein Gegensatz! Trotz mehr als 100 Jahren Leistungszucht treten bei manchen Welpen unerwünschte Eigenschaften auf, und beim Züchter und auch beim Welpenkäufer ist dann die Entäuschung groß. Manche Abweichungen im Standard oder der Leistung beeinträchtigen den Hund nicht in seiner Gesundheit, aber auch Erberkrankungen können immer wieder einmal auftreten. |
"Leistungszucht" in der Natur: Der Wolf. Hier ein Rudel bei der Elchjagd in Schweden. |
Beim (sehr gut erforschten) Menschen sind zum Beispiel schon über 4000, mehr oder weniger schwerwiegende, Erberkrankungen bekannt, und es ist zu erwarten, dass noch viele unbekannte in unseren Genen versteckt sind. Das ist niemals durch Selektion beseitigbar! Es trägt sogar jeder von uns zumindest 4 „todbringende“ rezessive Genvarianten in seinem Erbgut, die sich dank einer ebenfalls vorhandenen, dominanten, gesunden Version nicht auswirken! Denn solange wir in unserem doppelt angelegten Bauplan (= Genom) eine gesunde Version haben, bleiben wir auch gesund – reinerbige Embryos aber sterben meist schon in den ersten Schwangerschaftswochen unbemerkt ab. Das ist mit ein Grund für die durchschnittlich niedrigen Welpenzahlen hoch ingezüchteter Rassen, bzw. aller Inzuchtverpaarungen, auch beim Menschen - es werden mit höherer Wahrscheinlichkeit solch Letalfaktoren reinerbig, und ein Teil der Föten stirbt in der Gebärmutter ab und wird resorbiert.
Die Vielfalt an Genvarianten hat natürlich nicht nur Nachteile, im Gegenteil erlaubt erst sie das Überleben in einer sich ständig ändernden Umwelt: Was jetzt ein Nachteil ist, könnte irgendwann ein Vorteil sein! Obwohl die Selektion kranke Genvarianten wieder ausmerzt, entstehen durch Änderungen im Erbgut, sogenannte Mutationen, dauernd neue Varianten. Die meisten sind eher negativ in ihrer Auswirkung, nur durch die hohe Anzahl von Individuen einer Art sind auch einige Verbesserungen dabei. Mit jeder Generation werden zusätzlich die Karten neu gemischt, das heisst neue Kombinationen von verschiedenen Genen kommen zum Tragen. Der Tod hat also einen tiefen Sinn, erst die Sterblichkeit erlaubt Veränderung und ist der Motor der Evolution und somit der unglaublichen Vielfalt der Natur auf unserer Erde. Die gezielte Zucht von Haustierrassen ist eine junge Errungenschaft, und fußt auf der landwirtschaftlichen Revolution im England des 19. Jhdt´s, die nicht nur das Führen von Zuchtbüchern, sondern auch Zuchtshows, bei denen hauptsächlich gleichförmiges Aussehen prämiert wird, einführte. Vorher gab es zwar auch schon Lokalschläge von Nutztieren und auch Hunden, die jedoch durch Verpaarung von Tieren, die für die selbe Tätigkeit geeignet waren, und eine gewisse geographische Isolation, entstanden, und daher auch untereinander ähnlich waren. Dazu trug sicher auch die Erkentniss bei, daß gewisse Eigenschaften genetisch gekoppelt sind, etwa Schlappohren und das Jagen mit tiefer Nase bei den Bracken, und daher äußerlich ähnlichen Hunden auch ähnliche Leistungsfähigkeit zugetraut wurde. Diese Landschläge waren aber genetisch viel breiter als heutige "Hoch"-zuchtrassen. Sie hatten nämlich immer auch Zufuhr von frischem Blut in Form von angrenzenden Landschlägen ähnlichen Aussehens und Leistung, und für die Zucht zählte hauptsächlich die Arbeitsleistung. Dann entdeckte man, daß durch gezielte Inzucht Eigenschaften schneller reinerbig werden, und vor allem auch das Aussehen einheitlicher wird, und konnte nach den Entdeckungen von Gregor Mendel dominante und rezessive Eigenschaften unterscheiden. Es begann die Hochblüte der Reinzucht. In den letzten 100 Jahren wurden zahlreiche Rassen „erfunden“, gleichzeitig wurden die meisten Zuchtbücher geschlossen, was bei kleinen Populationen automatisch eine galoppierende Inzucht hervorrufen muss. Die Zuchtauslese basiert leider meist auf ästhetischen Gesichtspunkten, und nicht auf Leistung, sodaß viele Hunderassen heute für ihre ursprüngliche Arbeit gar nicht mehr eingesetzt werden könnten.... |
Der Fuchs, ein anpassungsfähiger Überlebenskünstler. |
Heute sehen wir daher bei vielen Rassen sinkende Lebenserwartung, Wesensprobleme und Erberkrankungen, ganz abgesehen davon, daß die ursprüngliche Leistungsfähigkeit oft nicht einmal mehr ansatzweise vorhanden ist. Vielfach wird dann zwar richtiger Weise der Ruf nach (Gen)-tests auf Krankheiten und Zuchtausschluß der betroffenen Tiere laut, ohne aber gleichzeitig die Zuchtbücher zu öffnen und durch Auszucht wieder frisches Blut in die Rasse zu holen! Denn die Ursache der Anhäufung von krankmachenden Genen ist nichts anderes als die Inzucht! Die Genetik hat seit Gregor Mendel gigantische Fortschritte gemacht, auch wenn die meisten Rassehundezüchter seither nichts dazu gelernt haben....
Wenn man eine reine Gebrauchshunderasse züchtet, hat man das Glück, daß den schlimmsten Auswirkungen der Formwertzucht durch die Auswahl von Zuchthunden nach der Leistung entgegengwirkt wird. Auch nicht sehr „schöne“, aber äußerst leistungsstarke Hunde kommen in die Zucht, und ihr genetisches Erbe bleibt der Rasse erhalten. Trotzdem steigt in kleinen Populationen der Inzuchtgrad schnell an. Es ist daher wichtig, einen leistungsfähigen, gesunden und vor allem möglichst entfernt verwandten Zuchtpartner zu wählen und Kompromisse am ehesten beim Formwert einzugehen. Wir müssen das gelegentliche Auftreten von Krankheiten bei unseren Hunden akzeptieren, und zur Kenntniss nehmen, daß meist beide Eltern, wenn auch selbst gesund, Erbträger sind. Das gehäuftes Auftreten eines bestimmten Krankheitsbildes ist also immer ein Alarmsignal, weil es zeigt, dass in einer Population viele Tiere Erbträger sein müssen - das gelegentliche Auftreten von Erkrankungen ist hingegen natürlich und wir müssen es hinnehmen! Kranke Tiere aber sind meist reinerbig und sollten daher nie in die Zucht kommen! |
Steirische Rauhaarbracke. Foto: Johannes Plenk. |
Es kann aber auch gefährlich sein, gezielt gegen eine bestimmte Krankheiten zu selektieren, ohne die genetische Breite im Blick zu behalten. Die Hüftgelenksdysplasie (HD) zum Beispiel ist eine seit langem bekannte Erbkrankheit. Weil sie sich so gut messen, bewerten und vermarkten lässt, wird ihrer Ausmerzung in der Zucht sehr viel Bedeutung beigemessen, obwohl sie eine polygene Erkrankung ist, und als solche wahrscheinlich nie ganz „weggezüchtet“ werden kann. Andere gravierende Erbkrankheiten, die durchaus schlimmere Auswirkungen haben können, wie zum Beispiel die Fertilitäts- und Geburtsprobleme, Hauterkrankungen, Stoffwechselerkrankungen oder diverse Immunschwächen, die sich in erhöhter Krankheitsanfälligkeit gegenüber Viren oder Krebs und verkürzter Lebenserwartung niederschlagen, sind schwer oder gar nicht objektiv erfassbar, und werden daher kaum berücksichtigt. Ein Hund mit mittelgradiger HD (HD-D) kann, sogar wenn er im harten Jagdeinsatz steht, beschwerdefrei bleiben, ein Hund mit schwachem Immunsytem ist in seiner Arbeitsleistung eingeschränkt, leidet und wird auch früher altern und sterben. Der Hund mit HD wird von der Zucht konsequenter Weise ausgeschlossen, schließlich steht seine Erkrankung ja fest, und wir müssen vermeiden, daß die Häufigkeit schwerer HD in der Population ansteigt. Der andere Hund ist zwar ebenfalls erbkrank, es wird aber nicht gezielt überprüft, und nur wenn der Züchter aus eigenem Entschluß darauf verzichtet mit einem Hund, der krank ist, zu züchten, oder zumindestens dem Zuchtwart meldet, daß dieser Hund Gesundheitlsprobleme hat, wird verhindert, daß dieser sich weiter vererbt. Indem wir eine Krankheit überbewerten, laufen wir Gefahr, andere zu vernachlässigen und gleichzeitig ohne großen Nutzen unsere Zuchtpopulation zu verkleinern. Mit ansteigendem Inzuchtniveau werden aber notwendiger Weise neue, rezessiv angelegte, Krankheiten reinerbig - das heißt, es kommt zum vermehrten Auftreten von tatsächlich kranken Hunden! Mir als Zuchtwart ist das in hohem Maße bewußt, und es beantwortet auch die Frage, warum zum Beispiel Hunde bis HD-C in die Zucht kommen, wenn sie sonst gesund und jagdlich leistungsfähig sind und, darauf kommt es an, die Verpaarung einen möglichst niedrigen Inzuchtquotienten hat! Das ist natürlich kein Trost für einen Welpenkäufer der fast den Monatslohn eines Berufsjägers für einen Welpen aus "Qualitätszucht" hingelegt hat, wenn der sich dann als krank herausstellt. Dass der anfangs erwähnte Farbfehler, der den Hund ja bei der Arbeit keineswegs beeinträchtigt, ebenso den Zuchtausschluß bedeutet, ist eine andere Geschichte! |
Wildhundemischlinge: Auch in der Natur zählt die Leistungsfähigkeit, nicht die "Schönheit". Foto: Sabine Middelhaufe |
Früher einmal hätte wohl der kranke (wie auch der jagdlich schwache!) Arbeitshund ein frühes Ende genommen und der Käufer einfach einen neuen Welpen aus dem nächsten Wurf gefordert und bekommen. Schlechte Ernährung und die fehlende Möglichkeit zu impfen, haben schwache Welpen schon früh aus der Population genommen, heute ist die Welpensterblichkeit gering und auch bei den erwachsenen Hunden hat die Spitzenmedizin Einzug gehalten.
Dadurch haben wir die Selektion auf Gesundheit durch die unerbittliche Mutter Natur weitgehend ausgeschaltet. So sehr uns der Fortschritt in der Medizin und im Wohlstand freuen darf, wir müssen wissen, daß wir dadurch eine größere Verantwortung bei der Auswahl der Zuchthunde tragen müssen! . Gleichzeitig sind die Anforderungen an die Arbeitsleistung eines Jagdhundes im Durchschnitt stark gesunken! Die Zeiten haben sich geändert, ich bin mir nicht sicher, ob es nur zum Besseren ist! Eine Arbeitsprüfung im 2. Lebensjahr ist besser als nichts, kann aber nur wenig Aussage über die Vitalität des Hundes geben. Wenn ein Hund ganzjährig im harten Arbeitseinsatz steht, ohne zu schwächeln, hat das aber eine ganz andere Aussagekraft! Unsere Aufgabe ist es, bei den Eigenschaften, die uns wichtig sind, möglichst Reinerbigkeit zu erreichen - Spurlaut, Härte, Wildschärfe, Jagdtrieb und, mit einer gewissen Toleranz, im Formwert, ohne damit die für gesunde Lebewesen unverzichtbare genetische Vielfalt zu opfern. Unter diesem Vorzeichen ist es natürlich absurd, zu verlangen, daß sich alle Individuen einer Rasse wie eineiige Zwillinge gleichen sollen! Sicher aber kann kein Verein und auch kein Züchter die Garantie geben, dass ein Hund alle gewünschten Eigenschaften zeigt, und immer gesund bleiben wird. Wir können nur nach bestem Wissen und Gewissen Zuchthunde so auswählen, und Paarungen so zusammenstellen, daß mit hoher Wahrscheinlichkeit der Großteil der Welpen gesund und in Leistung und Form der Rasse entsprechend ist. Der bei allen Hunderassen erschreckend hohe Inzuchtgrad ist sicher auch ein Erbe der genetischen Flaschenhälse (= Perioden in denen nur mit sehr wenigen Hunden gezüchtet wurde) in Form von 2 Weltkriegen, geändertem Jagdrecht (z.B.: bei den Bracken das Verbot der Brackade in Revieren unter 1000 Hektar im Reichsjagdgesetz) und Schwankungen in der Popularität der diversen Rassen. Hauptverantwortlich ist aber mehr als 80 Jahre enge Stammbuchzucht und die über lange Zeiträume sehr geringe Populationsgröße aller mitteleuropäischen Brackenschläge. Andererseits haben diese Jagdhunde zwei Vorteile gegenüber den vielen von ihrer Arbeit „befreiten“ Rassen. Hunde die nicht anhaltend jagten, die nicht mutig, ausdauernd, halbwegs instinktsicher und somit wahrscheinlich erbgesund waren, kamen nicht in die Zucht, und es wurde doch gelegentlich eine Auskreuzung vorgenommen, wenn die Leistung anders nicht gehalten werden konnte! Die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit sinkt nämlich in dem Maße, in dem der Inzuchtgrad zunimmt! Bei der Peintingerbracke, für die ich zuständig bin, wird daher an einer Vergrößerung des Genpools (= genetische Vielfalt der Population) mit viel Energie gearbeitet. Die Rassezuchtvereine müssen begreifen daß nicht die Abstammung einen Hund ausmacht, auch nicht der Formwert, sondern seine Leistung: Ein Hund der nicht anhaltend spurlaut und spurtreu jagt, ist keine Bracke, auch wenn 20 Generationen Bracken in seinem Stammbaum stehen und er wie eine ausschaut! |
Von Jagdgebrauchshunderassen muss vor allem Leistung verlangt werden. Foto: Dieter Berger. |
Wir müssen also dafür sorgen, dass die Erbgesundheit gesteigert wird, und das geht nur mit harter Selektion auf Arbeitsleistung und regelmäßiger Zufuhr von frischem Genmaterial, heute ein Leichtes, stehen uns doch zahlreiche in Leistung und Formwert fast identische, aber genetisch sonst weitgehend fremde Jagdhunderassen zur Verfügung. Wer a Madl ohne Makel sucht, und Hunde ohne Mängel - |
Frz. Laufhundmeute. Foto: Sabine Middelhaufe |
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