Interview
mit Lucia Delor Der Bracco
Italiano oder Italienische Kurzhaarige Vorstehhund ist heute auch in seiner
Heimat eine relativ seltene Rasse. Zum einen, weil die Haltung eines,
noch dazu recht großen Jagdhundes als Familien- und Begleithund,
ganz anders als bei uns, nicht sehr verbreitet ist. |
Delor de Ferrabouc Rosa genannt Sofia (lks.) und Welpe Rodrigo genannt Rod. Foto:Cristine Pellizzari |
Frau
Delor, Sie züchten seit Jahrzehnten Hunde, seit 15 Jahren
speziell den Bracco Italiano. Da einige Ihrer Hunde bequem auf Sesseln und Sofas ausgestreckt
liegen, erlauben Sie mir die Frage: ist es normal, dass italienische
Jagdhundezüchter in so engem Kontakt mit ihren Vierbeinern
leben? Gehen
Sie mit Ihren Vierbeinern jagen? Wie
das? |
Delor de Ferrabouc Alessandro Magno Foto: Lucia Delor |
Dann
ist es also kein Zufall, dass Ihre Bracchi hier alle drei um
Ihren
Sessel herum liegen und sich kaum, dass Sie aufstehen, auch in
Bewegung setzen? Das entspricht einfach dem Wesen der Rasse. Der Bracco liebt seinen Herrn sehr, sehr innig; manchmal erscheint es fast übertrieben. Heißt übertrieben, dass er Menschen und andere Hunde nicht in der Nähe seines Herrn duldet? Oh nein, das meinte ich ganz und gar nicht! Der Bracco ist auch zu völlig fremden Personen so freundlich, dass er als Wachhund das reinste Fiasko ist. Statt den Einbrecher draußen zu halten, würde er ihm wahrscheinlich fröhlich wedelnd das ganze Haus zeigen. Und dieselbe Einstellung zeigt er gegenüber seinen Artgenossen. Ich habe wirklich noch nie einen aggressiven Bracco gesehen. Meine Bulldog Hündin ist jetzt 8 Monate alt und treibt ihren respektlosen Schabernack mit sämtlichen Bracchi, den Rüden genauso wie mit den Hündinnen. Sie kann sie einfach nicht in Frieden lassen, zwickt ihnen in Behänge, Ruten, Pfoten, den Rüden sogar in die Hoden, und was tun die großen? Nichts! Schlimmstenfalls hebt mal einer die Lefzen und brummt, um sie zu verscheuchen - vergeblich, natürlich. Sie lässt sie einfach nicht in Ruhe. Am Ende flüchten meine Großen dann zu mir. Der Bracco ist also sehr sozialverträglich. Würde er auch keine Probleme bereiten, wenn man mit mehreren Hunden gemeinsam zur Jagd geht, ihn mit in die Stadt, in den Park nimmt? Seien Sie versichert, dass der Bracco in dieser Hinsicht vollkommen vertrauenswürdig ist. |
Auch
im Umgang mit Kindern? Ganz gewiß. Ich habe sehr, sehr viele Rassevertreter kennen gelernt, natürlich auch aus anderen Zuchten, und ich kann Ihnen versichern, dass ein Bracco sich eher den Kopf abreissen lässt als Aggression gegenüber einem Menschen zu zeigen. Das hängt aber doch sicherlich auch davon ab, wie er aufgezogen und sozialisiert wird? Nur zum Teil. Sehen Sie, der Bracco ist wesensmäßig sanft und gutmütig. Wenn er unter unangemessenen Bedingungen aufwächst, das heißt ohne Verständnis für seine Besonderheiten, ohne Achtung, ohne Zuneigung seitens des Besitzers, oder auch ohne die notwendigen Erfahrungen mit der Umwelt machen zu können wird er ängstlich und scheu, aber niemals aggressiv. Ich habe hier einige Bracchi aufgenommen, die früher ganz offensichtlich genau so ein Leben führen mussten. Als sie hier ankamen erschraken sie vor allem und jedem, fürchteten sich, den Garten zu verlassen, um mit mir spazieren zu gehen und zeigten allerlei solche Verhaltensweisen. Aber im Laufe der Zeit fassten sie Vertrauen zu mir und schenkten mir ihre ganze, grenzenlose Zuneigung. Sie wohnen mitten im Wald, fern der meisten Zivilisationsgeräusche. Wie bereiten Sie Ihre Welpen auf die Welt da draußen vor, in die sie früher oder später ziehen müssen? Das mag verrückt klingen, aber ich besitze einige CDs mit einer Unmenge solcher Geräusche, die hier im Wald nicht existieren, und die spiele ich den Welpen sobald sie aufnahmefähig sind dann immer wieder vor Wenn die Kleinen anfangen, selbständig zu fressen kündige ich außerdem jede Mahlzeit mit Schussgeräuschen an. Zunächst benutze ich eine Spielzeugpistole, später eine echte Pistole und bevor die Welpen von hier fortgehen sind sie auch an den Klang des Gewehrschusses gewöhnt. Selbstverständlich gebe ich diese Schüsse in angemessener Entfernung von mindestens 50 m ab, um jedes Risiko negativer Reaktionen und Verknüpfungen zu vermeiden. |
Der Geburtenraum
ist gleich um die Ecke: wie lange halten Sie die Welpen ausschließlich
dort? Nicht zu lange. Sobald sie in der Lage sind, die ersten kleinen Ausflüge mit mir zu unternehmen begleite ich sie regelmäßig nach draußen, denn nur indem ich sie beim Spielen, Rennen und Gehen kont-nuierlich beobachte erkenne ich allmählich, wie es um ihre Anlagen steht: vielleicht ist ein Welpe beherzter und erkundungsfreudiger als seine Geschwister, während ein anderer bereits die Voraussetzungen für ein schönes Gangwerk zeigt und ein dritter schon besonders waches Interesse an den Vögeln demonstriert, die er sieht und wittert. Bei unseren gemeinsamen Ausgängen gewinne ich also ein recht gutes Bild von den Besonderheiten jedes Welpen, und das ist natürlich sehr wichtig, um dann zu entscheiden, welchem Interessenten ich welchen Welpen gebe. Oder nicht gebe. Oder nicht gebe? Es reicht also nicht an Ihre Tür zu klopfen und die Geldbörse zu zücken um einen Bracco bei Ihnen kaufen zu können... Ich möchte nicht als Snob erscheinen, aber mich interessiert in allererster Linie, dass meine Hunde zu Menschen kommen, die die Ansprüche des Bracco erfüllen können. Da ich jährlich nur einen, höchstens zwei Würfe züchte gerate ich nie in die Situation, mich von einer ganzen Welpenschwemme befreien zu müssen. Statt einen Hund an jemanden abzugeben, der mich schon auf den ersten Blick nicht überzeugt, behalte ich ihn lieber. Und wenn ich jemanden prinzipiell für geeignet halte, dann aber durch Bemerkungen dieser Person doch Zweifel bekomme, gilt dieselbe Regel: er bekommt meinen Welpen nicht. Was uns zurück zur Frage nach dem idealen Bracco Halter bringt Nun, der Bracco ist äußerst sensibel. Er will, beim Welpen beginnend, mit sanften, ermutigenden Mitteln erzogen und ausgebildet werden. Er ist sicherlich kein Hund, den man in einem Monat "fertig" bekommen kann, möglicherweise sogar unter Einsatz von Elektroimpulsgeräten und derlei Hilfsmitteln. Als spätreifer Hund verlangt er viel Geduld. Da er ganz von sich aus eine starke Bindung zu seinem Herrn aufbaut, erreicht man sehr viel mehr, wenn man diese seine Zuneigung "nutzt" - statt ihn mit Geschrei und Tadeln belehren zu wollen. Dummerweise, muß man beinahe sagen, ist der Bracco aber auch sehr intelligent und besitzt ein ausgezeichnetes Gedächtnis. Entsprechend erinnert er sich genauestens an jede erduldete Ungerechtigkeit. Wenn er beispielsweise mehrfach bestraft oder getadelt wird, weil er sich, noch unerfahren, nach dem Vorstehen zu schnell dem Federwild annähert, wird er alsbald den Dienst quittieren und so tun, als fände er kein Wild mehr. So gelehrig und arbeitsfreudig der Bracco ist, muss man bei seiner Ausbildung doch tunlichst darauf achten, das richtige Gleichgewicht zwischen Freiheit für ihn einerseits und Konsequenz und der berechtigten Forderung nach Gehorsam andererseits zu schaffen. |
Delor de Ferrabouc Cesarione. Foto: Lucia Delor |
Da wir gerade beim Thema jagdlicher Einsatz sind: der Bracco
Italiano ist ein Vorstehspezialist für Federwild, der in einer
Entfernung von 60 - 80 Metern vom Jäger arbeitet. Ist er also
das Gegenteil des deutschen allrounders? |
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